Interviewserie "Über den Rand"
Sie hilft, wenn Babys schlecht schlafen und Eltern verzweifeln
21. September 2019, 9:00 Uhr aktualisiert am 21. September 2019, 9:48 Uhr
Wenn ein Kind auf die Welt kommt, gibt es Hebammen und Ärzte, die den Müttern weiterhelfen. Aber wer hilft danach, wenn die Kinder nachts nicht durchschlafen und Eltern einmal nicht weiter wissen? Kathrin Bachmann arbeitet als Schlafcoach für Säuglinge und Kleinkinder in Regensburg - und ist damit einer der wenigen zertifizierten Schlafcoaches, die es in Bayern überhaupt gibt. Im Interview erzählt sie von den Sorgen junger Eltern, den Ursachen für schlechten Schlaf und ihrem Weg zur beruflichen Selbstverwirklichung.
Frau Bachmann, was genau macht ein Schlafcoach denn?
Kathrin Bachmann: Ich helfe Familien bei Problemen mit dem Schlaf ihrer Kinder und unterstütze sie dabei, ihre Schlafsituation zu verbessern, indem ich die Situation genau anschaue und analysiere. Ich versuche eine Ursache für das Schlafproblem zu finden. Dabei gibt es vielfältige Probleme und auch vielfältige Ursachen. Ich kann drei verschiedene Familien betreuen, die alle oberflächlich dasselbe Problem haben, aber ich finde drei verschiedene Ursachen und für jede Familie auch eine andere Lösung. Kinderschlaf ist ein Thema, das oft sehr vernachlässigt wird. Man macht Geburtsvorbereitung und bekommt Infos zum Stillen, aber mit Schlaf befasst man sich vorher oft nicht. Und da kläre ich dann auf.
Würden Sie sagen, dass viele Eltern zögern, dieses Problem in ihrem Umfeld anzusprechen?
Es ist etwas, worüber man nicht spricht, weil Eltern natürlich immer Angst haben, verurteilt zu werden oder als schlechte Eltern dazustehen. In den meisten Fällen kann ich die Eltern aber beruhigen und sagen, ihr habt gar nichts falsch gemacht. Ihr habt es genau so gemacht, wie es die Situation jetzt erfordert. Und für die Kinder sind diese Probleme gar keine Probleme. Sie holen sich den Schlaf meistens schon, den sie brauchen. Aber die Eltern leiden darunter, weil sie abends einfach durch sind.
Was sind die häufigsten Ursachen, warum Kinder nicht einschlafen können?
Das kann man gar nicht sagen, weil es wirklich immer anders ist. Es sind meistens mehrere Kleinigkeiten, die da zusammenkommen. Es spielen Umstände vor der Geburt und bei der Geburt selber eine Rolle, ob die Mutter vielleicht in der Schwangerschaft sehr im Stress war oder ob die Geburt schwierig war. Dann spielt rein, wie der Alltag abläuft und natürlich auch der Charakter des Kindes. Die einen Kinder sind von Geburt an schon gechillt und es gibt Kinder, die einfach reizoffener sind, die nervöser und sensibler sind. Es passiert auch ganz oft, dass Eltern zum Beispiel beim ersten Kind überhaupt keine Schwierigkeiten hatten und beim zweiten machen sie alles genauso, aber das Kind ist einfach ein anderer Charakter.
Wie genau läuft das Schlafcoaching ab?
Die Eltern nehmen Kontakt mit mir auf und dann führe ich mit ihnen ein kurzes Vorgespräch, in dem sie mir erzählen, was das Problem ist. So kann ich sagen, ob ich da helfen kann. Ich schließe aus, dass irgendwelche medizinischen Gründe vorliegen. Die würde ich zunächst erst einmal von einem Arzt abklären lassen. Ich frage die näheren Umstände ab, zum Beispiel, ob die Familie demnächst in Urlaub fährt oder der Kita-Start ansteht. Es wäre ungünstig, parallel zu anderen Veränderungen im Alltag des Kindes auch noch die Schlafsituation zu verändern.
Es geht also auch darum, dass die Familie eine Routine entwickelt.
Genau. Wir brauchen Alltag, um Veränderungen zu machen. Manche melden sich und sagen, das Problem ist jetzt seit zwei Wochen so. Mir ist bekannt dass es Umstände gibt, die sich temporär auf den Schlaf des Kindes auswirken können. Hat das Kind zum Beispiel erst angefangen zu krabbeln, empfehle ich den Eltern,noch ein wenig abzuwarten, ob sich die Lage möglicherweise wieder entspannt. Wenn nicht können sich die Eltern gerne noch einmal melden.
Wie geht es dann weiter?
Ich erkläre den Eltern den Ablauf und wir vereinbaren einen Termin, vor dem sie eine Woche lang ein Schlafprotokoll führen. Sie kreuzen an, wann das Kind geschlafen hat, welche Einschlafhilfen verwendet wurden, was sie gegessen haben und was sie in Wachphasen gemacht haben. Außerdem beantworten sie ein paar Fragen, damit ich mir ein gutes Bild der Gesamtsituation machen kann. Ich mache vor dem ersten Termin eine Schlafanalyse, aus der ich bereits erste Schlüsse ziehen kann.
Zum Beispiel?
Meist kann ich den Eltern bei ersten Termin sagen, dass das Kind schon ausreichend schläft. Das ist oft die erste Panik der Eltern und ich kann sie ihnen nehmen, indem ich ausrechne, wie viele Stunden das Kind insgesamt wirklich geschlafen hat. Bei diesem ersten Termin, dem Analysegespräch, gehen wir in die Tiefe. Ich versuche noch alles an Informationen zu sammeln, was auf den Schlaf Auswirkungen haben kann und gebe den Eltern erste Impulse mit, die sie schon einmal umsetzen können. Wir treffen uns meistens nach etwa ein, zwei Wochen noch einmal und machen das eigentliche Coaching. Da erkläre ich den Eltern dann noch alles zu dem Thema Schlafbiologie und wir machen einen Plan, wie sie mit kleinen Veränderungen die Schlafsituation verbessern können und gleichzeitig die Bedürfnisse des Kindes achten und die Bindung zu den Bezugspersonen stärken.
Gab es schon einmal einen Fall, bei dem Sie nicht weiterhelfen konnten?
Ich konnte bisher zum Glück alle Fälle annehmen und für viele Familien die Nächte verbessern. Aber ich stoße natürlich auch mal auf Schwierigkeiten. Coaching ist ja Hilfe zur Selbsthilfe. Ich bringe mein Fachwissen mit und lenke die Eltern in die gewünschte Richtung. Den ersten Schritt zur Veränderung kann ich ihnen aber nicht abnehmen. Wenn die Eltern den Schritt nicht machen oder es die Umstände nicht erlauben, dann kann es auch nicht klappen. Die Bereitschaft muss schon da sein.
Vom Kundenservice zum Schlafcoaching
Sie haben vorher lange Zeit im Kundenservice gearbeitet. Wie kam es zu der Entscheidung, sich beruflich komplett zu verändern?
Ich hatte genau die Situation, die ganz vielen Frauen nach der Elternzeit widerfährt, dass der bisherige Job in Teilzeit nicht mehr ausübbar ist. Meine Arbeit war plötzlich nicht mehr so anspruchsvoll und hat mich einfach nicht mehr so befriedigt. Für mich bedeutet Arbeit auch ein Stück Lebensqualität. Nach der Geburt meiner Tochter wuchs in mir der Wunsch, mich komplett zu verändern. Ich kam dann auf das Schlafcoaching, auch aus persönlichem Interesse, weil meine Tochter auch zu den schlechten Schläfern gehörte.
Hättest Sie sich damals gewünscht, auch eine Ansprechperson in der Situation zu haben?
Ja. Ich habe damals auch gegoogelt, Bücher gelesen und Hilfe gesucht. Ich habe damals für unser Problem keine Lösung gefunden. Und als wir dann gar kein Problem mehr hatten, bin ich auf die Schlafcoaching-Methode aufmerksam geworden und hatte mich geärgert, dass ich das nicht schon früher entdeckt hatte. Damit hätte ich mir viele schlaflose Nächte erspart. Davor gab es halt nur zwei Möglichkeiten. Entweder aussitzen oder "schreien lassen", aber das konnte ich mit mir nicht vereinbaren. Ich habe es aus purer Verzweiflung mal probiert, und habe nicht einmal eine viertel Minute vor der Tür ausgehalten. Aber es gibt mit dem Schlafcoaching eine Möglichkeit dazwischen, die die Bedürfnisse des Kindes und der Eltern berücksichtigt. Dann hat mich das gepackt und ich habe mich für die Ausbildung beworben.
Wie wird man eigentlich Schlafcoach?
Ich habe meine Ausbildung bei Bianca Niermann in Hessen gemacht und die arbeitet seit über zehn Jahren als Schlafcoach. Man erwirbt nach der Ausbildung ein Zertifikat. Sie nimmt mittlerweile für die Ausbildung bevorzugt Bewerber, die selber schon einmal in der Situation waren und sich somit gut in die Lage der der betroffenen Eltern hineinversetzen können.
Ab wann sollten Eltern Hilfe suchen, wenn ihr Kind schlecht schläft?
Wer ein Kind hat, dass eigentlich immer gut schläft und auf einmal ist der Wurm drin, dann würde ich zwei, drei Wochen abwarten. Es gibt immer Schübe, Veränderungen, irgendetwas was das Kind körperlich oder emotional mitmacht. Das kann phasenweise zu schlechtem Schlaf führen. Wenn sich das aber einpendelt und sie aus dem Loch nicht mehr herauskommen, wäre es empfehlenswert, sich Hilfe zu holen. Bei den meisten Familien, die sich melden, sind es aber Schlafprobleme, die sich über lange Zeit entwickelt haben. Bei denen ist der Leidensdruck schon sehr hoch.
Haben Sie einen Tipp für besorgte Eltern?
Hört auf euren Bauch, der hat ganz oft Recht. Man lässt sich oft reinreden. Das ist auch etwas, was ich häufig höre. "Meine Mutter sagt das, meine Schwiegermutter das, der Kinderarzt wieder etwas anderes": Viele Mütter verlernen dadurch, auf ihre Intuition zu hören. Eigentlich ist es von der Natur so gemacht, dass die Mütter ihr Kind kennen und verstehen. Sie reagieren richtig, weil sie dieses enge Band haben. Wenn man dann noch die anderen etwas ausblendet, hilft das schon sehr viel.