"Keine Entspannung zu erwarten"
Kräftige Strompreiserhöhungen vor der Tür
22. September 2022, 5:38 Uhr aktualisiert am 7. April 2023, 19:04 Uhr
Bisher sind viele Haushalte von Strompreiserhöhungen verschont geblieben, im Sommer sanken die Preise sogar. Doch ist absehbar, dass auch Strom sehr viel teurer werden wird.
Nach Erdgas wird auch Strom für viele Bürger sehr viel teurer werden. In Augsburg und Ingolstadt werden die Stadtwerke ihre Strompreise zum 1. Oktober erhöhen, der Fürther Energieversorger Infra plant nach derzeitigem Stand zum 1. Januar höhere Preise. In München, Nürnberg und Würzburg stellen die kommunalen Unternehmen zu erwartende Preiserhöhungen ohne konkretes Datum in Aussicht. Zurückhaltend äußerten sich die Regensburger Stadtwerke, die steigende Preise jedoch ebenfalls nicht ausschließen. Das hat eine Umfrage unter den Versorgungsunternehmen der sieben größten bayerischen Städte ergeben.
Derzeit liegen die Preise der Standardtarife vielerorts noch deutlich unter 30 Cent je Kilowattstunde. In Regensburg etwa sind es 25,51 Cent brutto bei einem Jahresverbrauch unter 3500 Kilowattstunden, in Nürnberg im meistgewählten Tarif 23,49 Cent. Mehrere Unternehmen verweisen darauf, dass sie gestiegene Einkaufspreise an die Kundinnen und Kunden weitergeben müssen.
"Keine Entspannung zu erwarten"
"Nicht zuletzt aufgrund des andauernden Kriegs in der Ukraine ist keine Entspannung auf den Märkten zu erwarten", sagte ein Sprecher der Stadtwerke München (SWM). "Dies betrifft vor allem Erdgas, in der Folge aber auch Strom, da dieser in Deutschland zu rund 15 Prozent mit Erdgas erzeugt wird." Die Nürnberger N-Ergie geht ebenso davon aus, dass die Strompreise in Bayerns zweitgrößter Stadt steigen werden. "Der Zeitpunkt und die exakte Höhe sind aus heutiger Sicht allerdings noch offen."
Zudem berichten die kommunalen Versorger über Ängste und besorgte Nachfragen ihrer Kunden: "Es gibt sehr viel mehr Sorge und Verzweiflung bei den Menschen, die angesichts überall steigenden Preise Angst davor haben, ihre Energierechnungen nicht mehr bezahlen zu können", sagt ein Sprecher der Stadtwerke Augsburg (SWA).
Das Unternehmen habe ganz erhebliche Sparanstrengungen unternommen, stelle jede Ausgabe auf den Prüfstand. "Und auch wir gehen ins Defizit, schreiben rote Zahlen, weil wir die explodierenden Marktkosten eben nicht vollständig an die Kunden weitergeben wollen. Das wissen die Kunden auch."
"Rettungsschirm zwingend erforderlich"
Ebenso wie bei vielen Wohnungsgesellschaften gibt es in den Versorgungsunternehmen Befürchtungen, dass Kunden ihre Rechnungen nicht mehr zahlen können: "Ein Rettungsschirm für Stadtwerke ist zwingend erforderlich, weil wir in den kommenden Monaten mit deutlich steigenden Zahlungsausfällen von Kunden rechnen", sagt der SWA-Sprecher. "Diese Ausfälle werden die Stadtwerke Augsburg ebenso wenig wie andere verkraften können."
Bislang sind vielerorts hauptsächlich die Gaspreise rasant gestiegen, Strom hingegen wurde wegen des Wegfalls der EEG-Umlage im Sommer vielerorts sogar billiger. Für den Fall eines dauernden russischen Gaslieferstopps geht das Beratungsunternehmen Prognos in einer Berechnung für die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) davon aus, dass sich der Großhandelspreis für Strom im kommenden Jahr noch einmal mehr als verdoppeln könnte, auf über 500 Euro pro Megawattstunde - das entspräche 50 Cent/kWh.
"Seit knapp drei Jahren konstante Preise"
In den vergangenen Jahren waren die Strompreise vielerorts stabil: "Die Rewag hat ihre Preise für Strom letztmalig zum 1. Januar 2020 erhöht", sagt ein Sprecher der Regensburger Energie- und Wasserversorgung. "Wir können nun also seit knapp drei Jahren konstante Preise vorweisen."
Auch in Ingolstadt waren die Strompreise jahrelang konstant, dementsprechend kräftig fällt nach Angaben der örtlichen Stadtwerke die bevorstehende Preiserhöhung aus: Bei einem Jahresverbrauch von 3000 Kilowattstunden eine Steigerung um 35,5 Prozent. In Augsburg gab es dieses Jahr bereits Preiserhöhungen, nun wird Strom Anfang Oktober noch einmal 12 Prozent teurer.
Schon jetzt registrieren auch Unternehmen, die noch keine Preiserhöhung angekündigt haben, eine größere Zahl von Kundenanfragen. "Vor allem rufen ehemalige Kunden an, die sich für einen Fremdlieferanten entschieden haben und jetzt von diesem gekündigt wurden", heißt es beim Würzburger Versorger WVV. Das bezieht sich auf Billigstromanbieter, die wegen der hohen Beschaffungspreise nun Kundschaft loswerden wollen. "Diese Kunden möchten wieder durch uns versorgt werden."
"Erhöhtes Interesse und Nachfragen"
Eine wütende Protestwelle gegen höhere Preise gibt es bislang nicht. Die Fürther Infra meldet generell "erhöhtes Interesse und Nachfragen". "Beschwerden/Kritik erreichten uns bisher nur in Ausnahmefällen, da unsere Preise auch unter dem Marktdurchschnitt liegen", teilt das fränkische Unternehmen mit.
Mehrere kommunale Versorger bauen vorbeugend ihre Beratung aus, vor allem in Sachen Energiesparen, so etwa München und Ingolstadt. In beide Städten haben die Versorger Hilfsfonds für finanziell besonders bedrängte Kunden eingerichtet.