Experten-Vortrag
Die Zukunft nach Horx
12. April 2019, 16:23 Uhr aktualisiert am 6. April 2023, 21:19 Uhr
Um nichts weniger als das, was uns alle erwartet - darum ging es am Mittwochabend in Straubing im Hotel Asam. Geladene Gäste der Steuerberatungsgesellschaft fruhstorfer+partner hatten die Möglichkeit, sich Denkanstöße von einem medienbekannten Zukunftsforscher zu holen.
Wie kommt eigentlich eine Steuerberatungsgesellschaft dazu, einen sogenannten Zukunftsforscher zu engagieren? "Die Zukunft beschäftigt uns täglich", sagt Josef Kleebauer, einer der geschäftsführenden Partner der Kanzlei. Der Jahresabschluss der Mandanten sei jeweils die Basis, auf der sich die unmittelbare Zukunft des Unternehmens aufbaue. Zudem treibe viele Firmeninhaber die Frage nach den eigenen Zukunftsperspektiven um - etwa im Hinblick auf die Unternehmensnachfolge. Grund genug also, jemand als Referenten zu engagieren, der sich berufsmäßig mit Zukünftigem beschäftigt.
Dieser jemand ist nun beileibe kein Unbekannter. Wann immer es in den deutschen Medien um die Zukunft als solches und die Fragen im Detail geht, wird er gern als Gesprächspartner gebucht: Matthias Horx. Der Mann ist ehemaliger Journalist, war unter anderem für die Zeit tätig, und gründete bereits 1998 ein Zukunftsinstitut. Unternehmenssitze in Frankfurt am Main und Wien. Wissend, wortgewandt, weltmännisch - so gibt er sich auf der Bühne bei einem Vortrag, der die etwa 200 Zuhörer - darunter OB Markus Pannermayr und Landrat Josef Laumer - über eine gute Stunde durch die Assoziationsräume des Begriffes "Zukunft" führt. Die Kernthese als Mark Twain Zitat: "Was uns in Schwierigkeiten bringt, ist nicht das, was wir nicht wissen. Es ist das, was wir mit Sicherheit wissen, was jedoch in Wahrheit falsch ist!"
Was ist nun aber möglicherweise falsch an unseren Vorstellungen von der Zukunft? Was ist einseitig, stark subjektiv, angstgesteuert, sensationsdeformiert? Viele Menschen glauben laut Horx daran, dass die Zukunft zunächst eines bietet: große Gefahren. Warum glauben sie daran? Weil es dem Menschen evolutionär eingepflanzt ist - und weil es einfach aufregender ist, Angst vor etwas zu haben, als gemütlich der Dinge zu harren, die da kommen. Sensationslust, Hysterie, die digitale Aufgeregtheit unserer Zeit - all das leiste der Angsthaltung noch Vorschub.
Das Roboter Gerücht
Mit federndem Schritt und hamburgisch anmutender Bühneneleganz - der Mann ist eigentlich gebürtiger Hesse - entwickelt der groß-gebaute Mann kaleidoskopartig seine Erzählung. Folie geht über in Folie, von Mark Twain kommt man in einigen Schritten zur Statistik der Bevölkerungsentwicklung und endet mit dem, was sich Jack Ma, der Gründer der chinesischen Internet-Plattform Alibaba, für seine Zeit als Vorruheständler vorgenommen hat - gut sein, hilfreich sein, Mensch sein. Aphorismen folgen auf Statistiken, Comic-Cover flankieren literarische Versatzstücke, Schemata von verschränkten Megatrends fließen über in Verlaufsdiagramme. Horx bildet mit Versatzstücken aus der Anthropologie, der Wahrscheinlichkeitsforschung, der empirischen Sozialforschung und der Popkultur Muster und Strukturen aus, bei denen sich der Zuhörer mehr als einmal denkt: Spannend! Interessant! Ungewöhnlich! Bevor dann ein kritisches "aber" oder eine Frage auftauchen kann, ist man schon wieder bei der nächsten These, der nächsten Fragestellung, dem nächsten gedanklichen Muster.
Was erwartet uns nun in der Zukunft? Im Kern spricht Matthias Horx die Mega-Trends an: Digitalisierung, Individualisierung, Verstädterung, Künstliche Intelligenz, Überalterung, Wachstum der Weltbevölkerung, Klimawandel. Doch während diese Trends in der öffentlichen Wahrnehmung häufig mit Gefahren assoziiert werden, will er zeigen, dass es eine positive Perspektive geben kann. Zum Beispiel: Das Roboter Gerücht besagt, dass uns die Maschinen bald schon in der Arbeit ersetzen und uns samt und sonders überflüssig machen. Horx zeigt, dass über die vergangenen Jahre so viele neue Berufsbilder entstanden sind, wie selten zuvor. Und dass bei vielen Berufen die soziale Kompetenz eines Menschen gefordert ist und gefordert bleiben wird - vom Barmann bis zum Altenpfleger. Beispiel Bevölkerungsentwicklung: Er präsentiert eine Statistik, wonach die Weltbevölkerung in der Spitze 12,5 Milliarden Menschen umfassen werde, oder vielleicht auch nur zehn Milliarden. Dann werde sie wieder zurückgehen. Zu jeder gängigen These präsentiert er eine Gegenthese, jeder Trend bedinge einen Gegentrend. Beispiel Überalterung: Horx führt aus, dass das Altern gemeinhin negativ gesehen wird. Tatsächlich blieben die Menschen heute so lange jung, wie noch nie zuvor. Und das Altern bringe viele positive Aspekte mit sich - man werde gelassener, nehme sich regelmäßiger Auszeiten, Sex sei kein großes Thema mehr. Allseits Lachen im Publikum.
Was bleibt?
Das Publikum bindet er immer wieder ein, befragt es nach seiner Meinung. Und die Zuschauer mögen ihn, nicken, schmunzeln. Er endet mit den fünf Dingen, die man seinen Kindern sagen sollte: Roboter werden die Welt nicht übernehmen; Die Schule hört nicht auf; Die Welt wird nicht immer schlechter; Die Hauptqualifikation des Menschen ist Empathie; Das Demonstrieren (der Jugend) lohnt wieder.
Wissenschaftlich im Sinne eines kohärenten Ansatzes ist der Vortrag nicht. Und inwiefern der Zukunftsforscher mit Thesen wie derjenigen von der Rückkehr des Analogen und der Abkehr der Menschen von der digitalen Welt Recht hat, bleibt dahingestellt. Zumindest in der Presse wurde er dafür in der Vergangenheit schon durchaus hinterfragt. Bei einigen Denkansätzen regt sich auch an diesem Mittwoch unter den Zuschauern Skepsis, etwa wenn es um das maximale weltweite Wachstum der Bevölkerung geht, oder aber um die Auswirkungen des Klimawandels, die möglicherweise nach Horx gar nicht so fatal ausfallen könnten, wie alle annehmen.
Was von dem Abend bleibt? Die Zuschauer sehen sich an den besten Stellen mit erfrischend alternativen Sichtweisen auf bekannte Themen konfrontiert. Und sie können behaupten, gut unterhalten worden zu sein - bestes Edutainment, wie es vielleicht Matthias Horx selbst sagen würde - er schätzt solche Wortgebilde. Konkrete Antworten auf konkrete Ängste, die gab es nicht. Die waren wohl aber auch kaum zu erwarten. Eher ein lebenspraktischer Ansatz nach dem Motto: So schlimm wird es schon nicht werden. Oder auf bayrisch: "Schau ma mal".