Fünf Jahre danach:
Die Überlebende: Wie Susanne Preusker die Geiselnahme in der JVA Straubing verarbeitet hat
7. April 2014, 7:22 Uhr aktualisiert am 7. April 2014, 7:22 Uhr
Im Dachgeschoss einer sanierten Altbauwohnung in der Magdeburger Innenstadt: Susanne Preusker steht freundlich lächelnd in ihrer Wohnungstür. Noch bevor sie die Hand gibt, spricht sie eine Warnung aus: "Emmi wird Sie jetzt gleich anspringen." Einen Fuß über der Schwelle, hängt die fast Vierjährige schon an der Kameratasche, presst ihren Kopf dagegen, lässt einen spüren, wie viel Kraft in ihrem schlanken Körper steckt. Emmi ist ein American Staffordshire "mit ein bisschen Pitbull und englischem Bullterrier drin, also lauter ungute Sachen". Zur Verteidigung habe sie sich den Kampfhund nicht angeschafft, erzählt Susanne Preusker. "Von 2009 auf 2010 war ich psychisch so abgesackt, da kam diese Hunde-Idee."
In ihrem Buch "Sieben Stunden im April. Meine Geschichten vom Überleben" verarbeitet Susanne Preusker den 7. April 2009, einen Dienstag, einen ganz normalen Tag in Diensten der Straubinger Justizvollzugsanstalt - bis sie ein Häftling in ihrem Büro überwältigt, als Geisel nimmt, mit einem Messer bedroht und über Stunden hinweg mehrfach vergewaltigt. Zehn Tage vor ihrer Hochzeit. Als sie nach der Tat ihrem künftigen Mann Wolfram begegnet und fragt, ob er sie noch heiraten wolle, antwortet der: "Und nun erst recht." Aus Susanne Bergmann wird wenig später, im kleinen Rahmen, Susanne Preusker. In ihrem Buch beschreibt sie diese Szene und auch die schrecklichen Stunden mit ihrem Vergewaltiger. Sie schreibt vor allem aber davon, wie sie diese Tat überlebt hat: an jenem Tag, in jener Nacht und in den Monaten danach.
Als Psychologin arbeitet Susanne Preusker heute nicht mehr. Ob sie es je wieder tun wird? Sie weiß es nicht. Zu gravierend waren die Auswirkungen dieses einen Fehlers, dieser einen falschen Einschätzung der Psyche eines Mannes, der zuvor viele Frauen vergewaltigt und eine ermordet hatte. Sie hatte sich in ihm getäuscht, hatte ihm das nicht zugetraut. In ihrem heutigen Leben steht sie früh auf, geht eine erste Runde mit dem Hund, checkt ihre E-Mails, werkelt im Haushalt, geht eine zweite Runde, zwei Stunden mindestens. Erst dann beginnt sie zu schreiben, in ihrem Büro mit Blick auf den Magdeburger Dom.
Es gibt nur eines, das sie mehr hasst, als die Frage nach ihrem Beruf: die Antwort ihres Mannes. "Er sagt dann immer, ich sei Schriftstellerin. Das hasse ich wie die Pest. Denn Schriftsteller sind Leute wie Tolstoi oder Schätzing; Leute, die richtig große Literatur produzieren. Ich schreibe halt Bücher, das ist eine andere Liga." Manchmal - wenn sie keine Lust auf begeisterte Zuhörer hat - antwortet sie auch, sie sei freiberuflich tätig. Oder sie habe einen Dienstunfall gehabt und arbeite nicht mehr. Wenige Monate nach jenem 7. April, der ihr Leben trennte, sagte ihr Mann zu ihr: "Siehst du, das hast du dir immer gewünscht. Auf dem Balkon sitzen und ein Buch schreiben." Man muss aufpassen, was man sich wünscht, denn es könnte in Erfüllung gehen, kommentiert Susanne Preusker die Szene in ihrem Buch.