Landkreis Regensburg

Das Märchen von den drei tödlichen Stichen


Weil Baumhöhlen, der natürliche Lebensraum von Hornissen, knapp werden, suchen sie sich andere Domizile. Ein Volk hat sein Nest im Lautsprecher in einer Schmiede in Loham gebaut. (Foto: amu)

Weil Baumhöhlen, der natürliche Lebensraum von Hornissen, knapp werden, suchen sie sich andere Domizile. Ein Volk hat sein Nest im Lautsprecher in einer Schmiede in Loham gebaut. (Foto: amu)

Von Redaktion idowa

Der Lautsprecher in der Schmiede von Familie Blöchinger in Loham brummt. Ein tiefes Summen tönt aus dem schwarzen Kasten. Doch es ist kein Bass, der aus diesem Lautsprecher kommt. Die Stromzufuhr ist gekappt und Musik hat hier schon seit Wochen keiner mehr gehört. In die Schmiede sind Hornissen eingezogen. Der Raum ist eigentlich zu hell, wohl deshalb haben sich die Insekten die Lautsprecherbox zum Domizil gemacht, vermutet Hornissenbetreuer Rainer Pasta.

Familie Blöchinger duldete die fliegenden Mitbewohner gelassen. Bisher. "Aber jetzt muss die Schmiede wieder in Betrieb genommen werden, und der Rauch gefällt ihnen bestimmt nicht", glaubt Annette Blöchinger. Ihr Mann hat einen Metallbaubetrieb und braucht die Schmiede. Zu allem Überfluss wurde er kürzlich auch noch von einem der Tiere gestochen. Jetzt soll der Schwarm aus der Schmiede ausziehen. Im Internet hat Annette Blöchinger herausgefunden, dass die untere Naturschutzbehörde im Landratsamt für solche Fälle zuständig ist. Und die hat den Fall an Rainer Pasta gemeldet.

Pasta ist Hornissenbetreuer für den Landkreis Straubing-Bogen. Der gelernte Landschaftsgärtner aus Geiselhöring, der jetzt in einem Abgeordnetenbüro arbeitet, ist schon seit Jahren als Naturschutzwächter aktiv. Im Rahmen dieses Ehrenamtes sind Fortbildungen möglich, zu Themen wie Biber, Schlangen, Schmetterlinge oder eben Hornissen. "Eigentlich wollte ich die Schmetterlinge machen", sagt Pasta, "aber dann wurden Hornissenbetreuer gebraucht." Seit sechs Jahren ist er nun schon Experte für die Insekten mit dem gefürchteten Stachel.

Hornissen halten sich von Menschen fern

"Jetzt hat der Wächter mir gesagt, dass wir gehen sollten", bemerkt Pasta und verlässt langsam die Schmiede. Er ist kein Hornissenflüsterer, sondern erkennt nur einfache Zeichen. Eine der beiden umherfliegenden Wächterhornissen ist gegen seinen Arm geflogen. "Als erste Warnung fliegen Hornissen einen an." Dass die Tiere aggressiv seien, sei ein Gerücht, betont der Hornissenbetreuer. Ebenso wie das Märchen von den sieben Stichen, die ein Pferd töten und den Dreien, an denen ein Mensch stirbt. "Hornissen sind lange nicht so gefährlich, wie immer erzählt wird. In mancher Hinsicht sind sie sogar ungefährlicher als Wespen oder Bienen." Denn Wespen mögen Süßspeisen und fliegen Kaffeetische an. Außerdem kriechen sie auch schon mal unter einen Hemdsärmel, während sich Hornissen vom Menschen fernhalten und sich hauptsächlich von Baumsäften ernähren. Die giftigsten Stiche, so Pasta, seien die von Bienen. Die könnten nämlich ihren Stachel nicht mehr aus der Haut ziehen und so entleere sich die ganze Giftblase. Hornissen und Wespen dagegen könnten ihr Gift dosieren, erklärt Pasta. "Und sie geben natürlich nicht freiwillig ihr ganzes Gift auf einmal her."

Dass Hornissen nicht so gefährlich sind, wie Viele glauben, war Annette Blöchinger klar. "Wir hatten schon öfter ein Hornissennest, nur eben nicht in der Schmiede." Und wenn die noch zwei Monate länger Sommerpause hätte, könnte auch der Lautsprecher bleiben, wie er ist. Denn ab Oktober sterben die Hornissenvölker ohnehin langsam ab. Nur begattete Königinnen suchen sich ein Winterquartier, um im nächsten Jahr ein neues Nest an einem anderen Ort zu gründen.

Die meisten Menschen, zu denen Rainer Pasta kommt, sind nicht so aufgeklärt wie Annette Blöchinger: "Viele Leute sind panisch und manchmal völlig hysterisch." Oft ließen sie sich aber schnell vom Nutzen der Tiere überzeugen, erklärt er. Denn Hornissen fangen für ihre Brut Insekten, Wespen zum Beispiel. Etwa 500 Gramm Brustmuskel-Fleisch von Wespen vertilgt ein mittlerer Hornissenschwarm am Tag. Da bleiben nicht mehr viele der schwarz-gelben Quälgeister übrig. "Allergikern wird sogar ein Hornissenkasten empfohlen, weil sie dann keine der weitaus aggressiveren Wespen mehr im Garten haben", erläutert der Hornissenbetreuer.

In manchen Fällen seien die Nester aber auch wirklich ärgerlich für Hausbewohner. Ausscheidungen, die sich im Nest ansammeln, sind zum Teil flüssig und tropfen heraus. Außerdem werfen Hornissen abgestorbene Larven aus dem Nesteingang. Unter den Umständen versteht auch Pasta den Ärger mancher Hausbesitzer. "Wenn die stinkende, braune Brühe an der Hauswand runterläuft, verlieren Viele das Verständnis für ein Wohnrecht der Hornissen." Den entstandenen Schaden übernehme niemand, auch keine Versicherung.

Hohe Strafen für illegale Entfernung der Nester

Aber selbst unter diesen Umständen kann der Hausbesitzer kaum etwas unternehmen. Hornissen gehören zu den besonders geschützten Arten. Das muss der Hornissenbetreuer den Menschen beibringen. "Wenn ich den Leuten erkläre, dass eine illegale Entfernung bis zu 10000 Euro Strafe kosten kann, finden sie sich leichter damit ab." Außerdem würde bei Entfernungen Nervengift verwendet, das keiner so gerne im Haus haben möchte.

Bemerkt man die neu eingezogenen Hornissen rechtzeitig, könne man sie mit dem Duft von Nelkenöl vertreiben, rät Pasta. "Aber wenn das Nest erst mal eine bestimmte Größe hat, stört sie auch das nicht mehr." Wer auf keinen Fall mit den Hornissen leben will, kann ihn zur Hilfe holen. Falls die Tiere wirklich jemanden gefährden, kann er beim Landratsamt eine Ausnahmegenehmigung auf Umsiedlung des Volkes anfordern. Einen Antrag auf Vernichtung müsste man bei der Oberen Naturschutzbehörde stellen. Solchen Anträgen werden aber in den seltensten Fällen stattgegeben, weiß Pasta.

Kommendes Jahr gibt es einen Hornissenkasten


Die Familie Blöchinger denkt gar nicht daran, die Tiere zu töten. Eine Umsiedlung wird aber notwendig sein. Annette Blöchinger hat auch schon einen Platz hinten im Garten ausgesucht, an dem sich Mensch und Insekt nicht mehr in die Quere kommen und an den die Hornissen samt Lautsprecher umziehen können. Im nächsten Jahr will sie einen Hornissenkasten aufhängen, um einem Volk einen praktischeren Wohnort als den Lautsprecher zu bieten. Ob das funktioniert, kann Rainer Pasta aber nicht sicher sagen: "Vielleicht zieht in den Kasten ja auch eine Fledermaus ein."

Info:
Weitere Informationen zum Thema Hornissen erteilt das Landratsamt unter den Telefonnummern 09421/973-157, -269 oder -290. Den Kontakt zu Rainer Pasta kann das Landratsamt oder die Feuerwehr herstellen.

Von Anna Munkler