Jahn-Geschäftsführer im Interview

Christian Keller optimistisch: "Mannschaft wird wieder mehr Jahn sein"


Blickt auch der neuen Saison optimistisch entgegen: Jahn-Geschäftsführer Christian Keller.

Blickt auch der neuen Saison optimistisch entgegen: Jahn-Geschäftsführer Christian Keller.

Der SSV Jahn Regensburg steht vor dem Start in die neue Spielzeit, am Sonntag (15.30 Uhr) steht im DFB-Pokal beim 1. FC Kaiserslautern das erste Pflichtspiel an. Geschäftsführer Christian Keller äußert sich im idowa-Interview zum Stand der Kaderplanung, den Wandel der Jahnelf und erklärt, warum die Mannschaft kommende Saison wieder mehr "Jahn sein" wird als vergangene Spielzeit.

Herr Keller, die Vorbereitung ist vorbei. Wie zufrieden sind Sie?
Christian Keller: Ich bin damit zufrieden, wie gearbeitet wurde. Mit der Personalsituation bin ich natürlich unzufrieden. Zum einen, weil viele Spieler unglücklich mit Blessuren ausgefallen sind - das kannten wir aus den Vorjahren so nicht. Zum anderen, weil der Kader noch nicht ganz steht und es da sicher noch ein bisschen Bewegung geben wird. Man würde sich in verantwortlicher Position natürlich immer wünschen, dass alle Spieler fit sind und alle die Vorbereitung komplett mitmachen. Dass das ein frommer Wunsch ist, ist klar. In dieser Vorbereitung kam allerdings schon sehr viel zusammen, obwohl das Trainerteam gewohnt gut gesteuert hat.

Mit welchem Gefühl starten Sie in die Saison?
Keller: Da gut gearbeitet wurde, ist entsprechend auch mein Gefühl gut. Dass Spieler verletzt sind, gibt es eben mal. Aber wir haben trotz der vielen Ausfälle noch genügend andere Spieler, die spielen können und die werden das schon richten.

Das Pflichtspiel-Jahr beginnt mit dem Pokalspiel in Kaiserslautern. Ist der Pokal in Corona-Zeiten noch wichtiger, weil mit jedem Spiel Geld verdient werden kann?
Keller: Es ist kein Geheimnis, dass uns durch die Corona-Pandemie viel Geld wegbricht und es schon eine Herkulesaufgabe ist, die Saison 2020/21 finanzwirtschaftlich durchzustehen. Jeder Zusatzerlös tut deshalb gut. Wir möchten aber nicht in erster Linie wegen des Geldes gewinnen, sondern vor allem aus einer sportlichen Motivation heraus. Leider haben wir in der Vergangenheit das Ziel, in die nächste Runde zu kommen, regelmäßig nicht erreicht. Aber ab und zu kann man eine Regel auch mal brechen. (lacht)

Blicken wir auf den Transfersommer beim Jahn. Wie ist hier der aktuelle Stand?
Keller: Wir sind noch nicht fertig. Ich würde gerne noch mindestens einen Spieler dazu nehmen. Ich hatte ja immer noch einen flexibel einsetzbaren Offensivspieler mit Geschwindigkeit angekündigt, der noch kommen soll. Daran arbeiten wir.

Wenn Sie von "mindestens" einem Spieler sprechen, könnten es also auch noch mehr werden?
Keller: Das kann sein, ja.

Dann auch für die Offensive?
Keller: Das könnte sein. Wir versuchen immer, flexibel einsetzbare Spieler zu bekommen, die idealerweise auf mindestens zwei oder sogar mehr Positionen spielen können. Ich könnte mir dabei schon vorstellen, dass noch ein zentraler Mittelfeldspieler kommt. Der muss aber auch noch eine zweite Position spielen können, zum Beispiel linker Außenverteidiger. Das wäre mit Blick auf die Verletztenliste derzeit eine ganz gute Konstellation (lacht).

Sie haben nach dem Trainingsauftakt gesagt, dass mit zunehmender Dauer die Wahrscheinlichkeit eines Leihgeschäfts immer höher wird. Läuft es bei dem gesuchten flexiblen Offensivspieler also inzwischen auf eine Leihe raus?
Keller: Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen, aber die Wahrscheinlichkeit dafür ist tatsächlich hoch.

Christian Keller über die Neuzugänge, eine mögliche Leihe von Federico Palacios und ein Umdenken bei manchem Spieler

Wie zufrieden sind Sie mit den bislang sechs Neuzugängen?
Keller: Sehr zufrieden, weil sie sich alle menschlich gut ins Team integriert haben und in den bisherigen Wochen auch schon gezeigt, haben, dass wir sie zu Recht verpflichtet haben. Das heißt aber nicht, dass man von jedem erwarten darf, dass er zum Saisonstart schon Stammelf-Potenzial hat. Der eine oder andere wird spielen, sicher noch nicht alle. Schade ist, dass Niklas Beste schon das zweite Mal in der Vorbereitung mit einer Verletzung ausfällt, das ist für ihn natürlich bitter, zumal er extrem ehrgeizig und damit auch ein bisschen ungeduldig ist. Und man muss auch sehen, dass André Becker und Kaan Caliskaner vor ihrem Wechsel fünf Monate überhaupt kein Mannschaftstraining oder Spiel gehabt haben, weil die Saison in ihren Ligen abgebrochen wurde. Da reichen sechs Wochen Vorbereitung nicht aus, um sie wieder auf ihr bestes Niveau zu bringen. Sie müssen Trainings- und Wettkampfrückstand aufholen und gleichzeitig zwei Ligen überspringen. Dass man ihnen dafür Zeit geben muss, ist logisch.

Werden den Jahn noch Spieler verlassen? Mersad Selimbegovic sprach kürzlich von einer wahrscheinlichen Leihe von Federico Palacios
Keller: Genau, da war eine Leihe im Gespräch. Das hat sich im letzten Moment leider zerschlagen, weil wir mit dem interessierten Verein letztlich doch nicht überein gekommen sind. Aber da über eine Leihoption schon einmal nachgedacht wurde und der Spieler sowie wir das auch präferieren würden, ist nicht ausgeschlossen, dass dieser Schritt bis zum Ende des Transferfensters doch noch vollzogen wird.

Kann es darüber hinaus noch Abgänge geben?
Keller: Ja, könnte es.

Ist mit der Kaderplanung für diesen Sommer noch nicht fertig: Christian Keller. (Foto: imago)

Ist mit der Kaderplanung für diesen Sommer noch nicht fertig: Christian Keller. (Foto: imago)

Beim Trainingsauftakt haben Sie von Gesprächen mit Spielern am Ende der letzten Saison berichtet, mit deren Einsatz Sie nicht hundertprozentig zufrieden waren. Kann man davon ausgehen, dass sich Spieler aus dieser Riege bereits auf der Abgangsliste befinden?
Keller: Ich habe niemand namentlich erwähnt. Ob bei den Abgängen Spieler dabei waren, die ich gemeint hatte, überlasse ich daher Ihrer Beobachtungsgabe.

Wie zufrieden sind Sie mit den Spielern, die noch hier sind und die Sie gemeint hatten?
Keller: Es waren in Summe mehr als eine Hand voll Spieler, mit denen ich geredet habe. Da gibt es Spieler, bei denen schwer in Ordnung ist, was sie jetzt machen. Da hat ein Umdenken eingesetzt.

Wenn Sie den Kader Stand heute ansehen und mit letzter Saison vergleichen: Würden Sie die Qualität als höher, gleich oder niedriger einschätzen?
Keller: Ich kann auf jeden Fall sagen, dass sich Spieler weiterentwickelt haben im Vergleich zur vergangenen Saison. Nehmen wir mal Erik Wekesser, der vergangene Saison schon sehr viele Spiele für uns gemacht hat. Wenn er so weitermacht, wie er aktuell unterwegs ist, wird er in der neuen Saison einen deutlichen Sprung nach oben machen. Dann wird er nicht nur zeigen, dass er in der 2. Liga mitspielen kann, sondern auch in der Lage sein, regelmäßig Impulse für unser Spiel zu setzen. Benedikt Gimber und Max Besuschkow waren letzte Saison schon Leistungsträger und sind jetzt nochmal in einer besseren Verfassung. Auch Florian Heister hat zum Beispiel eine sehr ordentliche Vorbereitung gespielt und einen großen Schritt nach vorne gemacht. Er hätte sicherlich ohne Verletzung am Sonntag in der Startelf gestanden. Deshalb ist es ärgerlich, dass er sich im letzten Testspiel eine kleine Verletzung zugezogen hat. Darüber hinaus könnte ich noch ein paar andere Jungs aufzählen, bei denen ebenfalls der nächste Schritt gekommen ist.

Christian Keller über Alexander Nandzik sowie den Wandel und den Geist der Jahnelf

Ein Spieler, der noch beim Jahn ist, aber nicht mehr im Profikader ist Alexander Nandzik. Wie ist hier der aktuelle Stand?
Keller: Alex trainiert mit der U21. Der Stand zum Trainingsauftakt ist unverändert. Er war nach Saisonende bei mir und ich habe ihm zwei Optionen genannt. Meine präferierte wäre gewesen, dass er wieder ein vollwertiges Mitglied im Kader ist, dass er sich wieder voll für den SSV Jahn reinkniet. Er musste allerdings wissen, dass er sicher nicht der einzige Linksverteidiger sein wird. Ich hätte mich gefreut, wenn er das angenommen hätte, weil er hier über Jahre ein wichtiger Spieler war. Option zwei war, er nimmt diese Herausforderung nicht mehr an und will wechseln. Für diesen Fall war aber auch klar, dass wir konsequent sein werden. Im Ergebnis wurde mir zeitnah nach dem Gespräch mit Alex von seinem Berater mitgeteilt, dass Alex sich verändern möchte. Falls bis zum Ende der Transferphase keine Veränderung mehr stattfinden sollte, weil der Markt aktuell eben nicht so leicht ist, wie mancher Spieler gedacht hat, dann spielt Alex bis zum Saisonende in der U21, weil er einen gültigen Vertrag hat.

Entsprechend gab es während der Vorbereitung, als gerade auf der Linksverteidiger-Position improvisiert werden musste, wohl auch keine Überlegungen, die Entscheidung rückgängig zu machen…
Keller: Nein. Wenn ich eine Entscheidung getroffen habe, dann habe ich sie getroffen. Und ich habe sie ja nicht aus sportlichen Gründen getroffen, sondern weil wir einen Kader wollen, in dem sich jeder Spieler zu 100 Prozent mit dem Club und der Aufgabe hier identifiziert. Wenn die Identifikation davon abhängt, ob der Spieler Stammspieler ist oder nicht, dann ist das keine Identifikation und dann kann der Spieler nicht länger Bestandteil des Kaders sein. Das gilt für Alex Nandzik genauso wie für jeden anderen. Unabhängig von den Verdiensten, die werden auch nicht vergessen. Aber im Fußball zählt immer das Hier und Jetzt.

Wenn man den Kader durchgeht, kommt man auf 18 Spieler, die vor zwei Jahren noch nicht da waren. Sie vermeiden die Bezeichnung Umbruch. Dennoch: Wie bewerten Sie in Summe den Wandel der Mannschaft?
Keller: Klar ist, dass von der Mannschaft, die uns über Jahre hinweg dahin geführt hat, wo wir heute stehen, nicht mehr viele Spieler übriggeblieben sind. Das ist allerdings ein vollkommen normaler Prozess. Nach der letzten Saison sind mit Andi Geipl und Marco Grüttner nochmal zwei Spieler gegangen, die Eckpfeiler dieses Gerüsts waren. Ich will aber nicht sagen, dass es eine neue Mannschaft ist, weil mit Spielern wie Oli Hein, Benedikt Saller, Wastl Nachreiner, Markus Palionis oder Jann George immer noch Spieler dabei sind, die schon vor Jahren hier waren und die allesamt noch eine wesentliche Bedeutung haben. Fakt ist aber auch, dass mittlerweile viele neue Gesichter da sind. Ich erwarte mir trotzdem, dass wir in dieser Saison unsere Spielidee noch besser umsetzen können, weil viele Spieler des Kaders jetzt zumindest schon ein Jahr lang drin sind. Ich erwarte mir zudem allen voran getreu unserem Jahresmotto auch mehr "Jahn sein". Ich kann von einem neuen Spieler nicht erwarten, dass er vom ersten Tag an zu 100 Prozent Jahn Regensburg ist. Identifikation ist etwas, das sich im Laufe der Zeit herausbildet, über gemeinsame Erlebnisse. Da denke ich, dass wir mit dieser stark veränderten Mannschaft auf einem guten Weg sind.

Weil Spieler wie Wastl Nachreiner (rechts) weiter beim Jahn sind, spricht Geschäftsführer Christian Keller nicht von einer "neuen" Mannschaft - auch wenn es in den vergangenen Jahren viele neue Gesichter beim Zweitligisten gab. (Foto: imago)

Weil Spieler wie Wastl Nachreiner (rechts) weiter beim Jahn sind, spricht Geschäftsführer Christian Keller nicht von einer "neuen" Mannschaft - auch wenn es in den vergangenen Jahren viele neue Gesichter beim Zweitligisten gab. (Foto: imago)

Würden Sie sagen, dass es gelungen ist, mit diesem Wandel den Geist zu bewahren, den die Mannschaft in den letzten Jahren ausgezeichnet hat?
Keller: Teilen wir die letzte Saison in die Zeit vor und nach der Corona-Unterbrechung. Der Geist der Mannschaft der ersten 25 Spieltage und der Geist der Mannschaft die letzten neun Spieltage waren zwei Welten, das war nicht mehr miteinander vergleichbar. Da ist etwas passiert: Die Mannschaft musste gemeinsam eine Hürde meistern. Das war schwierig, aber wir haben unseren Weg gefunden, wie wir mit dieser komischen, für uns alle vollkommen unbekannten Situation umgehen. Das Bewältigen dieser Krisensituation hat der Mannschaft geholfen, dass sie enger zusammengerückt ist. Das hat sich über den Sommer und in der Vorbereitung fortgesetzt. Deshalb bin ich wirklich guten Mutes, dass diese Mannschaft wieder deutlich mehr Jahn sein wird als es die Mannschaft in der letzten Saison sein konnte. Das ist aber überhaupt kein Vorwurf, die Mannschaft konnte das letzte Saison nach all den Veränderungen noch gar nicht so schnell wieder sein.

Zum Abschluss: Wie sieht es finanziell aus? Ist der Jahn für alle Eventualitäten gerüstet, um die Saison zu überstehen?
Keller: Die Saison 2020/21 wird auf jeden Fall überstanden werden, außer die Pandemie bringt uns Entwicklungen, mit denen wir gar nicht rechnen. Wenn die Saison zeitnah abgebrochen werden sollte, dann revidiere ich meine Aussage. Für das Abbruch-Szenario, das heißt dass uns bis Sommer 2021 sämtliche Einnahmen wegbrechen, wären wir natürlich nicht gerüstet. Das ist aber wohl kaum ein Fußballclub. Für alle anderen Szenarien, also komplett ohne Zuschauer, mit einer Teilzulassung zum Zeitpunkt X oder auch einer wieder kompletten Zulassung von Zuschauern zum Zeitpunkt Y, sind wir vorbereitet. Schön wäre, wenn Zeitpunkt X bald kommt, wovon ich ausgehe, und Zeitpunkt Y auch nicht mehr allzu lange auf sich warten lässt. Da wage ich aber noch keine Prognose.