Landkreis Regensburg
Billy Trew: Aus einem "Abenteuer" wurde Heimat
19. Mai 2018, 10:00 Uhr aktualisiert am 19. Mai 2018, 10:00 Uhr
Mit 44 Jahren hat Billy Trew seine aktive Karriere als Eishockey-Spieler beendet. In rund 19 Jahren sind Niederbayern und Straubing zur Heimat für ihn und seine Familie geworden.
Billy Trew sitzt in einem Krankenhaus, als ein Anruf sein ganzes Leben verändern sollte. Seine Frau Jennifer hat eine Blinddarm-Operation hinter sich, als Trews Berater anruft. Er fragt, ob er in Straubing spielen wolle, nur für ein paar Spiele. Trew ist erst kurz zuvor nach Deutschland gekommen. Nach sieben Jahren als Eishockey-Spieler - vier am College und drei als Profi - kam seine Karriere in Nordamerika nicht so wirklich vorwärts. Also entschied sich Trew, damals 25 Jahre alt, für den Schritt nach Europa. Als "Abenteuer" war das für ihn und seine Frau geplant. Er wechselte zum Grefrather EV in die zweite Liga. "Ein Albtraum", blickt Trew auf diese kurze Zeit zurück.
Eigentlich wollte er schnellstmöglich zurück nach Nordamerika, der Rückflug war schon gebucht - doch dann kam der Blinddarm der Frau dazwischen. Also saß Trew in diesem Krankenhaus und hatte die Anfrage aus Straubing. "Warum nicht?", fragte er sich. Er komme sowieso nicht weg aus diesem Land, wie er heute mit einem Lachen sagt. Trew wechselte als Probespieler nach Straubing. "Und 19 Jahre später sind wir immer noch hier - und das alles wegen einer Blinddarmentzündung", sagt der inzwischen 44-Jährige und lacht. Aus dem Abenteuer wurde für Trew Heimat. Er sitzt in einem Straubinger Café - das Haar ist mittlerweile grau - und spricht über das Ende seiner aktiven Karriere.
Straubing war für ihn damals eine ganz andere Welt als Grefrath. "Wir haben uns hier vom ersten Tag an wohlgefühlt. Die Leute waren sehr nett und freundlich zu uns", blickt Trew zurück. Die Mannschaft sei "wie eine Familie" gewesen. Mit vielen Mitspielern von damals ist er noch heute befreundet. Trew blieb über seinen Probevertrag hinaus in Niederbayern. Es folgte noch eine Saison, und noch eine, und noch eine… Insgesamt zwölf Jahre stand Trew am Ende für Straubing auf dem Eis. "Ich hätte nie gedacht, dass ich so lange hier bleiben würde, hatte meistens nur Einjahresverträge unterschrieben", erzählt er. Aber er dachte sich: "Warum weggehen, wenn ich hier glücklich bin?" Die Trews wurden heimisch in Straubing. Jennifer Trew arbeitet in Straubing, die beiden Kinder wurden hier geboren.
Freundschaften fürs Leben
Und für Billy Trew lief's sportlich. Gleich im ersten Jahr stieg er mit dem EHC Straubing in die 2. Liga auf. Sechs Jahre später folgte der Sprung in die DEL mit den Tigers. "Ich habe viele gute Erinnerungen an die Zeit in Straubing", blickt Trew zurück. Einerseits die sportlichen Erfolge, vor allem aber die Mitspieler. "Wir hatten immer gute Jungs in der Kabine. Manchmal waren wir nicht erfolgreich, aber wir hatten immer viel Spaß", so Trew. Melanie Bales, die Frau von Ex-Tigers-Goalie Mike Bales, hat die Trews kürzlich besucht, genauso wie Karl Stewart. "Solche Freundschaften sind sehr wichtig im Leben", sagt Trew.
Eine Saison ist sehr lange. Für die Importspieler ist die Zeit weg von Familie und Freunden oft nicht einfach. "Unsere Verwandtschaft waren immer die Jungs in der Kabine", sagt Trew. Die besten Mannschaften seien diese gewesen, die auch abseits von Eishalle und Training viel miteinander unternommen hätten.
Der Höhepunkt in Straubing war für Trew die Meisterschaft und der damit verbundene Aufstieg in die DEL im Jahr 2006. "Das war sehr besonders, daran erinnere ich mich gerne zurück", sagt er. In den Jahren zuvor war Straubing jeweils am Aufstieg gescheitert. "Da haben wir gesehen, wie schwer es ist im Sport zu gewinnen und aufzusteigen", blickt Trew zurück. In der Aufstiegssaison waren die Tigers lange nicht in der Spur, bis Olle Öst als neuer Trainer verpflichtet wurde. "Olle Öst hat uns wieder aufgebaut, der Trainerwechsel kam zum richtigen Zeitpunkt." Nach dem Aufstieg folgten noch fünf Jahre für Trew mit den Tigers in der DEL, die letzten beiden davon war er Kapitän.
Trew blieb auch nach seinem Abschied in Straubing wohnen und spielte von 2011 bis zu diesem Jahr für Vereine in der Region. Er ging zunächst nach Landshut, wo er 2012 Zweitliga-Meister wurde. "Ich hatte in meiner Karriere viel Glück und konnte insgesamt sieben Mal die Meisterschaft gewinnen. Das waren immer die schönsten Jahre", sagt Trew. Nach vier Spielzeiten beim EVL zog der Angreifer weiter in die Oberliga zum EV Regensburg. Dort verpasste er nach einer herausragenden Hauptrunde 2016 in den Playoffs den Aufstieg. "Da habe ich nochmals gesehen, wie schwierig es ist zu gewinnen und aufzusteigen. Im Sport wird viel im mentalen Bereich entschieden. Kleinigkeiten können am Ende den Unterschied machen und für manche sind dieser Stress und dieser Druck teilweise zu groß." Im vergangenen Sommer endete Trews Zeit in Regensburg und er wechselte noch einmal für eine Saison nach Landshut.
Herz, Leidenschaft und Ehrgeiz
Trew hatte viel Spaß in den Jahren in Landshut und Regensburg. "Obwohl ich schon ein erfahrener Spieler war, habe ich in dieser Zeit viel gelernt", sagt er. Vor allem konnte er aber seine Erfahrungen an die jungen Teamkollegen weitergeben. Trew erzählt: "Ich habe sie immer gefragt: Wer von uns beiden ist schneller? Du bist schneller! Wer von uns hat den besseren Schuss? Du hast den besseren Schuss! Wer ist körperlich besser? Du bist körperlich besser! Aber warum schieße ich 25 Tore und du nur fünf?" Trew hat viel wettgemacht durch "Dinge, die man auf den ersten Blick nicht sieht", wie er sagt: "Es gibt viele Spieler in der Oberliga, die haben viel mehr Talent als Billy Trew, aber sie schaffen es nicht nach oben. Ich habe mehr erreicht mit Herz, Leidenschaft und Ehrgeiz als viele mit einem besseren Talent."
Was Trew auch mit 44 Jahren noch nicht gut konnte, ist Verlieren. "Das schmerzt immer", sagt Trew. Die schlimmste Niederlage sei 2014 mit dem EVL in Spiel sieben der Halbfinalserie gegen Bremerhaven gewesen, als in der Verlängerung nach einer "schlechten Entscheidung" des Schiedsrichters das Ausscheiden stand. Mit der Zeit lerne man aber mit Niederlagen besser umzugehen. "Schlimm ist es, wenn du als junger Spieler nicht deine beste Leistung zeigst und dann verlierst. Dieses schlechte Gefühl willst du nicht mehr haben. Dadurch lernst du, jeden Tag dein Bestes zu geben", erzählt Trew.
Nun ist aber Schluss für Trew mit der aktiven Karriere. "Die Entscheidung fiel mir sehr schwer", sagt er. "Viele denken, dass das in meinem Alter eine einfache Entscheidung ist, aber das ist es nicht. Ich bin immer noch ein guter Spieler." Trew hatte überlegt, als Verteidiger noch ein paar Jahre weiterzuspielen. "Aber irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem musst du deine Entscheidung mit dem Kopf treffen und nicht mehr mit dem Herzen", erläutert Trew seinen Entschluss und ist zufrieden: "Es war die richtige Entscheidung, aufzuhören."
Zukunft als Nachwuchstrainer
Der Deutsch-Kanadier wird zukünftig als Nachwuchstrainer beim EHC Straubing arbeiten und dort für die Kinder im Alter bis 15 Jahren zuständig sein. Trew freut sich auf die Aufgabe: "Für mich ist Eishockey der beste Sport auf der Welt. Es gibt keinen anderen Sport, der so schnell ist und bei dem man so viele Fähigkeiten braucht." Trew will es allen Kindern in Straubing und Umgebung ermöglichen, Eishockey zu spielen. "Aber Kinder sollen nicht nur eine Sportart machen, sie sollen zwei oder drei verschiedene lernen", sagt Trew. Denn für ihn ist es nicht nur wichtig, die Kinder sportlich weiterzubringen: "Sport ist eine Schule fürs Leben. Die wenigsten Kinder werden einmal Profisportler, aber man lernt im Sport viele Eigenschaften wie Disziplin, Einstellung und Leidenschaft, die auch im Leben wichtig sind."
Wie Billy Trew als Trainer ist? "Ich bin ein sehr freundlicher Mensch, manche sagen, ich sei zu nett. Aber das ist mein Charakter und das werde ich auch nicht ändern." Für ihn ist es wichtig, die Kinder in ihrem Weg zu bestärken. "Ich lobe Kinder immer. Pro einmal kritisieren soll man neunmal loben", sagt Trew. Die ersten Einheiten des Sommertrainings hat Trew mit den Kindern schon absolviert. Letztens hat er zu Beginn Fangen mit ihnen gespielt. "Wie viele Kinder spielen heute noch Fangen? Aber das hat ihnen sehr viel Spaß gemacht. Kinder sollen einfach Kinder sein, das ist für mich sehr wichtig", sagt Trew.
Die Entscheidung für den Trainerjob beim EHC Straubing ist auch eine Entscheidung für seine Familie und für einen Verbleib in Straubing. Die Leute hier seien fast so nett wie in Kanada, sagt Trew mit einem Schmunzeln. Das einzige, was er vermisse, sei seine Verwandtschaft in Kanada. "Aber sonst", sagt Trew, "haben wir hier alles, was wir brauchen."