Haibach/Pemba
312 Patienten in zwei Wochen: Haibacher Zahnärztin auf Hilfsmission in Tansania
14. Juli 2017, 7:38 Uhr aktualisiert am 14. Juli 2017, 7:38 Uhr
Die Zahnärztin Dr. Mimi Blien aus Haibach war im Mai 2017 auf Pemba Island in Tansania. Dort behandelte sie in kurzer Zeit über 300 Patienten. Im Gespräch mit idowa erzählt die 57-Jährige von ihrem Hilfseinsatz.
"Das Interesse an einem solchen Hilfseinsatz war bei mir schon lange vorhanden", erzählt Dr. Blien. "Ich reise gerne und mit meinem Beruf helfe ich Menschen, da lässt sich das Schöne gut mit dem Nützlichen verbinden." Den Anstoß gab dann schließlich Josef Gold, der Gründer des Vereins Connecting Continents aus Kirchroth. Er ist seit Jahren mit Mimi Blien befreundet und fragte immer wieder hartnäckig nach, ob sie denn nicht einmal mit ihm nach Pemba fliegen könne. Dort betreibt Connecting Continents eine eigene Schule und unterhält weitere Hilfsprojekte. Im Januar 2016 war es so weit: Die Schule feierte damals ihr zehnjähriges Bestehen und zu diesem Anlass reiste auch Dr. Mimi Blien mit nach Pemba. Im Gepäck: knapp 300 Zahnbürsten, Zahnpasta und Informationsmaterial rund um das Thema Zahnpflege.
Schon kleinste Babys bekommen Süßigkeiten
Die medizinische Versorgung lässt in Pemba noch sehr zu wünschen übrig: Es gibt keine Prophylaxe, keine Früherkennung von Karies und keine professionelle Zahnreinigung. Gleichzeitig ist die Ernährung auf der Insel sehr zuckergeprägt. "Dank Nestlé und Konsorten werden Süßigkeiten auch in Mini-Portionen verkauft, sodass sie selbst für Arme erschwinglich sind", erzählt Dr. Blien. "Auf dem Markt kann man beobachten, wie schon kleinsten Babys Süßigkeiten in den Mund geschoben werden. Die Eltern meinen, sie würden ihren Kindern damit etwas Gutes tun. Doch die Folgen des Zuckerkonsums sind ihnen kaum bekannt". Viele Einwohner von Pemba glauben, schlechte Zähne seien genetisch bedingt und sie selbst könnten gar nichts dagegen machen. "Ich habe dort oft gehört: 'Mein Vater und Großvater hatten auch schon schlechte Zähne, deswegen habe ich sie auch'" Diese Vorstellung wollte Mimi Blien bekämpfen. Die Zahnärztin nutzte deswegen ihren Besuch auch für einige Untersuchungen. Ihr Fazit fiel vernichtend aus: "Das war schon erschreckend. Bei vielen Kindern waren die Backenzähne total zerstört. So zerstört, dass sie schon nicht mehr zu retten waren und Schmerzen verursachten. Als ich das sah, war mir klar, dass ich etwas dagegen unternehmen muss."
Ihre Idee: Eine kleine Zahnstation auf dem Gelände der Schule errichten, in der die Einheimischen behandelt werden können. Einfacher gesagt als getan - zahnärztliche Einrichtung ist sehr teuer. Nach ihrer Rückkehr sammelte die 57-Jährige deswegen in ihrem Bekannten- und Kollegenkreis Unterstützer. "Und so hat sich dann eins zum andern gefügt." Denn: Ein befreundeter Zahnarzt, Dr. Spießl aus Straubing, gab zu dieser Zeit seine Praxis auf. Als er von Mimi Bliens Idee hörte, war er so begeistert, dass er ihr einen Großteil seiner Einrichtung kostenlos überließ. Nach kurzer Zeit hatte die Zahnärztin schließlich alles zusammen, was für die Behandlung der Menschen vor Ort notwendig war.
"Solche Befunde wären in Deutschland undenkbar"
Abenteuerliche Arbeitsbedingungen
Und das war durchaus ein Abenteuer: Schließlich hatten sie es dort mit Befunden zu tun, die in Deutschland mit seinem Prophylaxe-System selten bis nie vorkommen. Über zehn Jahre alter Zahnstein zum Beispiel. "Das ist in Deutschland eigentlich undenkbar. Das haben bei uns höchstens Erwachsene, die aus Angst nicht zum Zahnarzt gehen", so Dr. Blien. Generell ist die medizinische Versorgung vor Ort mangelhaft. "Die staatlichen Zahnstationen auf Pemba sind stark veraltet. Kinder gehen nur dann zum Dentisten, wenn der Schmerz unerträglich wird", berichtet die 57-Jährige. Sie hat sich selbst ein Bild von der Situation gemacht und war zum Beispiel in der größten Zahnstation in der Hauptstadt Chake Chake zu Besuch. "Dort gibt es nur einen Dentisten - und dieser versteht sich auch nur auf Extraktionen, also Zahnentfernungen." Zwar gibt es einige wenige private Zahnärzte, diese sind jedoch für die meisten Leute unerschwinglich. "Und selbst bei denen ist die Leistung mangelhaft", so Blien. Deswegen behandelte die Haibacherin vor Ort auch so viele Menschen wie möglich. Was sie anders gemacht hat? "Ich habe zum Beispiel ein Betäubungsmittel verwendet, das auch tatsächlich wirkte", erzählt Dr. Blien und muss lachen. "Dementsprechend sprach sich auch schnell herum, dass es bei meinen Behandlungen tatsächlich nicht wehtut. Das konnten die meisten erst gar nicht glauben."
Unterstützt wurden Dr. Blien und ihre Assistentin Ilona Weiß von einer jungen, einheimischen Dentistin: Time. Die 26-Jährige hat eine dreijährige Ausbildung zur Dentistin abgeschlossen und half bei den Behandlungen. "Sie war wirklich eine sehr große Hilfe. Time hat eine sehr ruhige Art, kennt die Menschen vor Ort und spricht sowohl Englisch als auch Suaheli. Und sie kann jetzt schon sehr viel allein", lobt Blien.
Das Ziel: "Ich möchte etwas aufbauen, das länger Bestand hat"
Außerdem gab es auch einige Situationen, in denen die deutsche Zahnärztin etwas von ihrer Kollegin lernen konnte - etwa als die Saugschläuche eines Behandlungsstuhls kaputt gingen. "Bei uns hätte ich einfach einen Dentaltechniker angerufen. Aber dort unten mussten wir uns selbst behelfen", erzählt Blien. Sie und ihr Team improvisierten dann mit Leerrohren eines Elektrikers, die als Ersatz für die Schläuche herhalten mussten. Und als sich ein anderer Behandlungsstuhl plötzlich nicht mehr in der Höhe verstellen ließ und in der höchsten Position festsaß, wurde einfach ein kleiner Hocker herbeigeschafft, auf den sich Dr. Blien während der Behandlung stellen konnte. "Wir sind in solchen Dingen schon sehr technikgläubig", stellt Blien fest. "Die Leute dort können gut improvisieren." Hilfe bekamen sie und ihr Team auch von den Schülern, Lehrern und Unterstützern der "Connecting Continents"-Schulfamilie. Besonders die Direktorin der Schule, Miss Mwaache Adbulla, und der Lehrer Kazim hatten immer ein offenes Ohr für sie und begleiteten sie zum Beispiel auch bei Ausflügen. Generell wurden Blien und ihr Team schnell als "Teil der Familie" behandelt. "Unser großer Dank gilt deswegen auch Josef Gold, der in jahrelanger Arbeit dieses Vertrauen und die Infrastruktur der Schule aufgebaut hat. Die Zusammenarbeit war sehr angenehm und hat super geklappt".
312 Menschen in zwei Wochen behandelt
Knapp zwei Wochen lang waren Blien und ihr Team in Pemba vor Ort. In dieser Zeit behandelten sie genau 312 Patienten. Außerdem führten sie akribisch Buch über die Untersuchungen, um bei späteren Besuchen nachvollziehen zu können, wie sich die Zahngesundheit entwickelt hat. "Für mich ist auch klar: Das Projekt ist jetzt nicht nach dieser einen Aktion zu Ende. Ich möchte da schon gerne etwas aufbauen, das länger Bestand hat", sagt Dr. Blien. Die 57-Jährige ist deswegen auch auf der Suche nach weiteren Unterstützern. "Ich selbst würde gerne in Zukunft zweimal pro Jahr runterfliegen, um die Leute zu behandeln. Gleichzeitig möchte ich aber auch Time so gut ausbilden, dass sie selbstständig behandeln kann. Dazu möchte ich gerne interessierte Kollegen einladen, die mich dabei unterstützen." Bei Mimi Blien selbst hallen die Eindrücke der Reise immer noch nach: "Dort zu arbeiten ist eine große Erfahrung. Der Wohlstand, in dem wir leben, wird einem wieder neu bewusst und schafft eine tiefe Dankbarkeit."
Info:
Zahnärzte, die Interesse daran haben, das Projekt zu unterstützen, können sich bei Dr. Mimi Blien oder Connecting Continents melden. Und auch Spenden sind natürlich gerne gesehen. Die Bankverbindung lautet:
Connecting Continents e.V.
Sparkasse Niederbayern-Mitte
IBAN: DE02 7425 0000 0240 3229 66
BIC: BYLADEM1SRG
Weitere Informationen gibt es auch im Internet unter www.connectingcontinents.de