Amtsgericht Straubing

Misshandlung Schutzbefohlener? Verfahren eingestellt

Als Robert M. (alle Namen geändert) als Zeuge den Gerichtssaal auf zwei Beinen und in äußerlich gutem Zustand betritt, sind wohl fast alle Anwesenden überrascht. Wer vorher die Anklageschrift gehört hat, vermutet einen schwer Pflegebedürftigen, der mindestens im Rollstuhl vorgefahren wird. Auf der Anklagebank sitzt seine kurzzeitige Partnerin Viktoria Z. Der heute 59-Jährigen wird vorgeworfen, ihren damaligen Lebensgefährten nicht ausreichend gepflegt zu haben, als er ab Mitte 2021 bettlägerig war.


Das Verfahren am Amtsgericht endet für Viktoria Z. glimpflich mit einer Einstellung wegen geringer Schuld.

Das Verfahren am Amtsgericht endet für Viktoria Z. glimpflich mit einer Einstellung wegen geringer Schuld.

Als Robert M. (alle Namen geändert) als Zeuge den Gerichtssaal auf zwei Beinen und in äußerlich gutem Zustand betritt, sind wohl fast alle Anwesenden überrascht. Wer vorher die Anklageschrift gehört hat, vermutet einen schwer Pflegebedürftigen, der mindestens im Rollstuhl vorgefahren wird.

Auf der Anklagebank sitzt seine kurzzeitige Partnerin Viktoria Z. Der heute 59-Jährigen wird vorgeworfen, ihren damaligen Lebensgefährten nicht ausreichend gepflegt zu haben, als er ab Mitte 2021 bettlägerig und inkontinent war. Infolgedessen musste der heute 56-Jährige vorübergehend ins Krankenhaus, so die Anklage.

Er soll aufgrund mangelhafter Hygiene eine massive Hautentzündung im Leistenbereich und Schmerzen erlitten haben. Die Rede ist auch davon, dass Robert M. unter einem "hirnorganischen Alkoholsyndrom" litt, aufgrund dessen er zudem desorientiert gewesen sein soll. Die Anklage lautet deshalb "Misshandlung Schutzbefohlener" - ein schwerwiegender Vorwurf für seine Ex-Freundin, die in der Altenpflege arbeitet.

Das Verfahren endet für Viktoria Z. jedoch glimpflich mit einer Einstellung wegen geringer Schuld. Das Fazit von Richter Achim Kinsky im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft: Es sei wohl "viel schief gelaufen", aber Viktoria Z. sei als - noch dazu nur kurzzeitige - Lebensgefährtin nicht verpflichtet gewesen, die Pflege von Robert M. zu leisten, zumal es keine klare diesbezügliche Vereinbarung gegeben habe. "Er hat Sie als berufstätig in Vollzeit kennengelernt", sagt der Vorsitzende Richter, "man konnte von Ihnen nicht erwarten, dass Sie ihre Arbeit für die Pflege aufgeben."

"Er wollte fast nichts mehr essen, nur noch Alkohol"

Die Verwandten von Robert M. hätten die Pflege nicht übernehmen wollen, sagt die Angeklagte. Angeblich hätten sie sich um einen Pflegedienst bemüht, aber keinen bekommen. In ein Heim, wie es der Hausarzt geraten habe, habe ihr damaliger Freund nicht gehen wollen. Schließlich sei die Beziehung auch auseinandergegangen, aber nicht im Bösen.

Man habe sich Ende 2020 über eine Internet-Plattform kennengelernt, erzählt Viktoria Z. Damals habe sie noch in Oberbayern gewohnt und Robert M. sei nicht krank gewesen. Er habe sie jedes Wochenende selbst mit dem Auto besucht. Bald habe sie sich in Straubing einen Job gesucht und sei bei ihrem neuen Freund in seiner Wohnung im Landkreis Straubing-Bogen eingezogen.

Sein Zustand habe sich durch die Corona-Impfung so verschlechtert, sagt die 59-Jährige. Er habe nur noch zum Essen aufstehen und nicht mehr zur Toilette gehen können, aber jeden Tag eine Flasche Wodka getrunken. "Er wollte fast nichts mehr essen, nur noch Alkohol trinken", sagt sie.

Robert M. hingegen sagt als Zeuge, eine Krebserkrankung habe seinen Zustand ausgelöst. Bei der Polizei hatte er weitere Vorwürfe gegen seine damalige Lebensgefährtin erhoben: Sie habe ihn ab und zu auch mit der flachen Hand geschlagen und selbst mehr getrunken als er. Er habe nur "aus Verzweiflung" angefangen, Alkohol zu konsumieren. Erholt habe er sich nach dem Krankenhausaufenthalt durch eine Kur und die Hilfe eines Pflegedienstes

Unklar bleibt die Rolle der Verwandtschaft. "Die haben auch ihr Leben", sagt Robert M. entschuldigend auf die Frage des Richters, weshalb niemand seiner Angehörigen eingesprungen sei.

"Wir haben es aufgrund ihres Berufes erwartet"

Viktoria Z. hingegen sagt, die Familienmitglieder, vor allem eine Cousine ihres Ex-Freundes, hätten einen Schlüssel für die Wohnung gehabt und seien immer gekommen, um sie zu kontrollieren. "Wir haben es aufgrund ihres Berufes von Viktoria Z. erwartet, dass sie die Pflege übernimmt." Dafür habe sie das Pflegegeld bekommen, das ihm aufgrund seines Pflegegrades zugestanden habe - "in bar", sagt Robert M.