"Ich bin kein Wunderkind"
Sänger Jesper Munk erzählt, wie ihm der Blues geholfen hat
10. März 2015, 13:53 Uhr aktualisiert am 10. März 2015, 13:53 Uhr
Jesper Munk, deutsch-dänischer Sänger und Songwriter aus München, wird gerne als "Bluesrock-Wunderknabe" bezeichnet. Das gefällt dem 22-Jährigen aber nicht unbedingt. Entdeckt wurde er von einem BR-Redakteur als Straßenmusiker. Am 6. März ist sein zweites Album erschienen, das er mit Produzenten wie Mocky ("Feist"), Jon Spencer ("The Jon Spencer Blues Explosion") und Sepalot von "Blumentopf" produziert hat. Aufgenommen wurde das gute Stück in Los Angeles, New York und München. Und nach Salching kommt der Bluesrocker mit der fiebrig-rauen Stimme aufs Pfingst-Open-Air, am 24. Mai. Wir haben vorab mit ihm telefoniert und dabei auch erfahren, warum sich Jesper ganz besonders auf das Salchinger Festival freut.
Jesper, bist du auch schon der aktuellen Grippewelle zum Opfer gefallen?
Jesper Munk: Naja, ich habe Bronchitis und ein bisschen Schnupfen, aber die Grippe ist, glaube ich, an mir abgeprallt. Aber einen Tag hat's mich schon zerlegt.
Die Kritiker lieben und feiern dich als "Bluesrock-Wunderknabe" - hast du dir selbst jemals erhofft, so erfolgreich zu werden?
Erhofft schon, ja (lacht). Aber es ist schon alles ein bisschen schnell vorbeigeschossen. Klar bin ich froh, dass meine Musik den meisten Kritikern gefällt. Ich bin froh, live spielen zu können und dass ich die Platte in L.A., New York und München aufnehmen konnte und mit diesen Produzenten zusammenarbeiten konnte, weil mir das viel gebracht hat. Und dem Album auch. Also bin ich sehr dankbar und glücklich.
Sogenannte Wunderkinder stürzen ja oft ab, zum Beispiel die Sängerin Amy Winehouse. Wie schaffst du es, bei deinem Erfolg nicht abzuheben?
Also erstmal: Ich bin kein Wunderkind. Ich habe mir zwar teilweise Instrumente selber beigebracht, aber ganz ehrlich, Wunderkinder können die anders spielen. Ich lasse einfach die Erwartungshaltung weg und den Stolz, davon halte ich nicht viel. Es spielt ja viel dazu, dass man Erfolg hat. Wenn ich nicht die richtigen Menschen zur richtigen Zeit getroffen hätte zum Beispiel. Da bin ja nicht nur ich verantwortlich.
Deine Mama ist oft auf Konzerten dabei, dein Papa, der selbst leidenschaftlicher Musiker ist, war Mitglied deiner Band. Das klingt ziemlich bodenständig. Wie wichtig ist dir deine Familie?
Ja, ich freue mich natürlich immer, wenn meine Mama dabei ist (lacht). Dass mein Papa in der Band dabei war, das war essentiell. Wir mussten als Trio mit jemandem zusammenarbeiten, der das seit 35 Jahren macht. Das kann man nicht von einem Gleichaltrigen lernen. Da haben wir wichtige Starthilfe von ihm bekommen und er hat extremer als andere angezogen, um uns auf sein Niveau zu bringen. Das hat sich dann so entwickelt, aber jetzt war der nötige Cut. Mein Vater hat ja auch einen Job. Es ist wichtig, sich abzukapseln. Das kam von uns beiden. Das sieht er auch so.
Also ist dein Papa nicht traurig, dich alleine ziehen zu lassen?
Nach der Tour hing uns das Ganze immer total zum Hals raus, aber nach vier, fünf Tagen willst du wieder los. Das ist dann vielleicht schon schwierig, wenn man nicht mitspielt und weiß, dass das ein lustiger geiler Tag auf einer bestimmten bekannten Bühne wird. Aber so ist es auf jeden Fall eine Entlastung für ihn.
Wie bist du als Kind der 90er-Jahre eigentlich zum Blues gekommen?
Durch meine erste Band "Lila's Riot". Mit 16 Jahren habe ich das Bassspielen angefangen. Wir konnten anfangs sehr wenige Stücke und haben erstmal sehr simple 60s-Klampferei betrieben. Dadurch sind wir unweigerlich beim Blues gelandet und den haben wir dann zwei Jahre lang auch ausschließlich gehört. So ist diese Leidenschaft entstanden. Ich konnte auch gar nicht mehr ohne, das war ein unfassbares Sprachrohr. Das hat einen damals sehr ermutigt. Man konnte auf einmal alle Gefühle damit ausdrücken, gerade in dieser verwirrenden Zeit. Wir waren fünf Jungs auf der Schule, die sich dann in den Pausen getroffen haben, um Musik zu hören und zu rauchen. Wir sind immer noch befreundet, das war eine herrliche kleine Gemeinschaft.
Stichwort Rauchen: Ganz ehrlich, wie viel rauchst du, und was machst du noch, um deine Stimme so zu erhalten?
Zur Zeit rauche ich ganz wenig, oder versuche es zumindest. Ansonsten mache ich gar nichts, ich hatte nie Gesangsstunden und habe keine Ahnung. Aber nach der Bronchitis werde ich mal Stunden nehmen, um an der Nachhaltigkeit der Stimme zu arbeiten, weil ja auch eine längere Tour ansteht.
Deine Songs klingen nach unfassbaren Schmerzen, nach Melancholie und Liebeskummer - Blues eben. Kannst du auch kreativ sein, wenn du glücklich bist?
Ich glaube, das Problem, warum viele nicht schreiben können, wenn sie glücklich sind, ist, dass man dann auch zufrieden ist und die Reize, den Input, nicht mehr so verarbeitet. Dann hat man kein Interesse am Input. Wenn man aber traurig ist, will man an seinem Zustand ja etwas ändern. Ich merke schon, dass ich faul werde, wenn ich zufrieden bin. Das ist gefährlich. Ich schaue darauf, trotzdem auf die Dinge zu achten, die passieren. Wenn es dir gut geht, musst du dich mehr darauf konzentrieren. Aber ich kann auch schreiben, wenn ich glücklich bin.
Auf deinen Konzerten herrscht eine gewisse Intimität, eine Gänsehautstimmung. Wie wird die auf einer großen Festival-Bühne unter freiem Himmel zustande kommen?
Intimität kann nur dadurch entstehen, dass Menschen aufmerksam sind. Meine Aufgabe wäre es ja dann, Aufmerksamkeit herzustellen. Ich bin jetzt nicht so der große Animator, aber ich spiele solange meine Songs, bis zugehört wird.
Auf dem Pfingst-Open-Air treten unter anderem "Wanda", "Jennifer Rostock" und "AnnenMayKantereit" mit dir auf. Welche Musik hörst du privat?
"AnnenMayKantereit"? Die mit "Barfuß am Klavier"? Das ist so ein großartiger Song! Die muss ich kennenlernen! Ansonsten höre ich zum Beispiel gerne Bon Iver, der eher in die Richtung Folk-Pop geht. Aber man merkt, dass er ein extrem empfindlicher Musiker ist, und sobald ich so etwas bei jemandem bemerke, ist es mir egal, welches Genre er bedient. Aber daheim fühle ich mich beim Blues.
Info
Genug Zeit, sich kennenzulernen, sollten Musiker Jesper Munk und die Band "AnnenMayKantereit" haben. Sie treten am Sonntag, 24. Mai, beim Pfingst-Open-Air in Salching auf. Karten für das Festival gibt es beim Leserservice des Straubinger Tagblatts unter der Telefonnummer 09421/940-6700.