Landkreis Straubing-Bogen
Bluval-Start: Ein Blick zurück
3. September 2019, 17:25 Uhr aktualisiert am 3. September 2019, 17:25 Uhr
Bluval feiert Jubiläum - zum 25. Mal findet das Musikfestival für Straubing und den Landkreis heuer statt. Zeit, mit dem Mitgründer Karl Penzkofer einen Blick zurück zu werfen.
"Ich mag es eigentlich nicht, wenn man mich als Vater von Bluval bezeichnet", sagt Karl Penzkofer, "wenn, dann bin ich der Bluval-Opa, der hat weniger Verantwortung." Ohne ihm nahe treten zu wollen - das passt vermutlich auch besser auf sein Alter. Mit fast 70 Jahren wirkt der Bluval-Gründer aber umtriebig wie eh und je. "Ich empfehle jedem Menschen, dass er sich neben dem Brotberuf etwas schafft, was man danach weitermachen kann", sagt er. Und Penzkofer hat etwas geschaffen: Bluval. Doch bis es das geworden ist, was es ist, hat es lange gedauert. Und wie es manchmal so ist, hatten auch die Bluval-Gründer zuerst ganz andere Pläne.
Am Anfang stand der "Schlicht-Kreis"
Alles begann mit dem "Kulturkreis Joseph Schlicht". "Ohne den hätte es die Bluval-Idee nie gegeben", erklärt Penzkofer. Der namensgebende Steinacher Schlossbenefiziat (1832-1917), ein "niederbayerischer Europäer", wie Penzkofer einmal im Straubinger Tagblatt schrieb, war ein Chronist des niederbayerischen Lebens. Und um die Tradition, die Eigenheit des hiesigen Brauchtums, ging es auch dem Kulturkreis.
Im Haus von Xaver Schötz, damaliger ehrenamtlicher Kreismusikpfleger, schlummerte in den 1980er-Jahren ein Archiv für Volksmusik, das "größte Volksmusik-Archiv Bayerns auf Landkreis-Ebene", wie Penzkofer sagt. Daraus müsste man doch was machen, dachte sich eine Gruppe um Xaver Schötz, dessen Sohn Franz, Karl Penzkofer und einigen anderen. 1988 gründete sich deshalb der "Kulturkreis Josef Schlicht" zur Pflege der regionalen Kultur. Erster Vorsitzender: Karl Penzkofer. Schnell machte man sich einen Namen mit Veranstaltungen in Stadt und Landkreis.
"Zeigt mal, was ihr draufhabt"
Das Ziel der Gruppe: Das Archiv der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Nur ein Ort dafür fehlte noch. Dem Kulturkreis kam Anfang der 1990er zu Ohren, dass der alte Gasthof "Zum Kinsachtal" in Agendorf abgerissen werden sollte. Ewig schade wäre das gewesen, so Penzkofer. Deshalb bemühte sich der Kulturkreis intensiv um die Sanierung des Hauses. "Das, was wir in Agendorf vorgehabt hätten, könnte man als 'Klein-Freyung' bezeichnen", spielt Penzkofer auf die dieses Jahr eingeweihte Volksmusikakademie in Freyung an. Der Plan umfasste weit mehr als ein Archiv. Ein Begegnungsort, ein Ort zum Musikanhören und -proben sollte es sein, vor allem am Wochenende und abends geöffnet.
Das war die Zeit, in der der SPD-Stadtrat Hans Lohmeier zu seinem Kollegen Karl Penzkofer vom Anton-Bruckner-Gymnasium gesagt hat: "Zeigt mal, was ihr draufhabt!". Gemeint war, dass der junge Kulturkreis beweisen sollte, dass er etwas auf die Beine stellen kann - die Geburtsstunde von Bluval.
Das erste Bluval: 1995 an sechs Standorten
Am 7. Oktober 1995 fand das erste Bluval statt - der Name ist ein Akronym für Blasmusikfestival. Die Stadt Straubing gab großzügige Starthilfe. Rund 20.000 Mark stellte der Kulturausschuss zur Verfügung. An sechs Standorten in der Stadt fand das Festival statt. Doch von Anfang an ging es nicht nur um Blasmusik, sondern darum, im Sinne des Kulturkreises die Bandbreite an regionaler Musik zu fördern - ohne sich in Schubladen stecken zu lassen.
"Das ist gleichzeitig ein gewisses Problem: Die Klassik-Fans gehen nicht zur Volksmusik und umgekehrt. Trotzdem wollten wir - Franz Schötz, der zweite Vorsitzender des Kulturkreises, und ich - das Festival auf breite Beine stellen", sagt Penzkofer. Insbesondere am Bluval-Samstag gibt es deshalb bis heute eine breite Auswahl an Musikgruppen.
Damit war man so weit, dass man die Stadt Straubing und den Landkreis für das Agendorfer Projekt überzeugt hatte. Der Gasthof wurde sogar in den Entschädigungsfonds der bayerischen Staatsregierung aufgenommen. Die Finanzierung von zwei Millionen Mark stand bis auf wenige Details.
Dann Ende 1997: die Enttäuschung. Aus "mir bis heute unerfindlichen Gründen", sagt Penzkofer, zieht der Eigentümer des Hauses sein Einverständnis für das Projekt zurück. Mit einem Schlag ist das Projekt Agendorf beendet.
"Geld ausgegeben, das wir nie gehabt haben"
Bluval konnte das nichts anhaben. Bis 1999 wuchs das Festival auf drei Tage und zwölf Spielstätten an. 2000 mit dem neu gegründeten Bluval-Verein, der den "Schlichtkreis" ablöste, ging es zum ersten Mal über zwei Wochen. Und immer wenn ein Festival so schnell wächst, treten Probleme auf. "Wir haben bei Bluval Geld ausgegeben, das wir nie gehabt haben", sagt Penzkofer lachend. "Es ging immer darum, dass Bluval mit einer leicht roten Null aus dem Jahr geht." Nur so kann man ständig um Zuschüsse betteln.
"Unsere Finanzierung bestand aus drei Säulen: Ein Drittel Förderung aus öffentlicher Hand, ein Drittel Sponsoren, ein Drittel Eintritt - aber letzteres haben wir nie erreicht", sagt Penzkofer. Deshalb hing die Existenz des Festivals immer wieder von Unterstützung ab. Penzkofer meint: "Die Firma Henrichsen hat uns einmal vor dem Aus gerettet. Da war Bluval schon fast tot." Und einmal musste die Sparkasse auf eine Forderung in Höhe von 6.000 Mark verzichten - jedenfalls eine Zeit lang. Doch am Ende stand immer die Null: "Ein wirkliches Defizit gab es nie", sagt Penzkofer.
Eine Ziegelei als Konzertsaal
Bewegte Zeiten. Wie schafft man das als Pädagoge neben dem Beruf? Penzkofer: "Für mich als Lehrer war es leicht, das mit dem Beruf zu verbinden. Das Festival war von Anfang an fest am Bruckner-Gymnasium verankert". Bluval habe enorm von der musischen Ausrichtung des Gymnasiums profitiert. Und natürlich schafft ein solches Großprojekt einen Zusammenhalt von Schülern und Lehrern: Schüler haben beim Festival geholfen und wurden zu kleinen Eventmanagern, der Lehrer wird nahbar, wenn man gemeinsam etwas auf die Beine stellt.
"Das wohl verrückteste Konzert war 2010 in der Ziegelei-Mayr-Halle - als Konzertsaal eigentlich völlig ungeeignet: Dreckig, ohne Toiletten, die Züge fahren vorbei. Wir haben erst durch den Bruckner-Abschlussgottesdienst 2010 die Akustik testen können", erinnert sich Penzkofer. Improvisation, die bei Bluval Programm ist: Wenn am Bluval-Samstag Regen dazwischenfunkt, braucht man eben auch Ausweichorte.
Zum Jubiläum: Bluval prosperiert
2011 hat Penzkofer das 'Baby' Bluval "in beste Hände" gegeben, wie er meint. Ohnehin gibt es Kontinuität auf den entscheidenden Positionen: Andreas Fuchs und Peter Ries sind schon seit Langem dabei. Stefan Mutz kam als künstlerischer Leiter 2012 hinzu und bildet mit Schatzmeisterin Karin Mittermeier-Ruppert, Fuchs und Ries die aktuelle Vorstandschaft. Der Lohn der Mühen: 2018 Kulturpreis der Sparkassenstiftung, 2019 Kulturpreis des Bezirks Niederbayern. So lange wie noch nie dauert das Festival bei seiner 25. Ausrichtung, knapp viereinhalb Wochen bis zum 6. Oktober. Die Spielorte befinden sich im gesamten Landkreis, die Musiker kommen von noch viel weiter her. Das Programm hat eine enorme Breite, neben Konzerten und dem Bluval-Samstag gibt es Meisterkurse, Workshops und Veranstaltungen für Kinder.
Der Bluval-Pionier im Unruhestand
Penzkofer könnte sich eigentlich bequem zurücklehnen. Er ist Vorsitzender des 2016 neu gegründeten "Kulturfördervereins Joseph Schlicht" und bereitet den Nachlass des alten Schlichtkreises digital auf. Aber das ursprüngliche Projekt treibt ihn nach wie vor um: Der Zustand des "Archivs für Volksmusik beim Volksmusikpfleger des Landkreises Straubing-Bogen und der Stadt Straubing", wie es mit vollem Namen heißt, sei unbefriedigend. "Es besteht extremer Handlungsbedarf", sagt Penzkofer. Es bräuchte jemanden, der das Archiv in eine lebendige Umgebung bringt: Musik müsse man anhören, spielen, fühlen, sagt Penzkofer.
Eigentlich genau das alte Agendorfer Projekt. "Bloß: Ich bin fast 70 und habe nicht mehr die Kraft, mich darum wie vor 30 Jahren zu kümmern." Bluval-Mitbegründer Franz Schötz von der Volksmusikstelle für Niederbayern und Oberpfalz hört in zwei Jahren auf, danach wird die Stelle in dieser Form wohl nicht mehr existieren. Penzkofer sieht darin eine Gefahr: Dass die Sammlung nach Freyung wandert und der Kulturschatz für den Landkreis für immer verloren wäre. Unendlich schade wäre es um die volksmusikalische Tradition, die den Landkreis immer ausgezeichnet habe, meint Penzkofer.
Tradition muss gelebt werden
"Wir in Niederbayern haben so viel Tradition. Warum laufen denn die Leute auf dem Volksfest zu 90 Prozent in Dirndl und Lederhosen herum?", fragt Penzkofer. Sagt's, und spielt einem mit leuchtenden Augen Cordon Blech vor, eine Gruppe, die in den 1990ern Volksmusik ohne Noten gespielt hat, einfach so, wie sie es von den vorherigen Generationen mitbekommen hat. Da wirkt der Bluval-Opa ganz jung. "Ohne diese Musiktradition würde es den Menzl auf dem Volksfest vielleicht nicht geben. Das ist lebendige Musik und ich weiß, dass junge Leute das hören und dazu tanzen wollen. Man kann über Heimat nicht nur reden, sondern muss das auch mit Leben füllen!"