Schuldnerberatung gefordert
Kelheimer Caritas als Ratgeber in finanzieller Not
18. Mai 2022, 17:43 Uhr aktualisiert am 18. Mai 2022, 17:43 Uhr
Das Leben wird teurer, die steigenden Preise bereiten vielen Bürgern Sorgen. Die finanzielle Not mancher Privathaushalte könnte sich weiter verschärfen. Bei wem sich der Schuldenberg zu hoch türmt, der weiß oft nicht mehr ein oder aus. Hilfe bietet in diesen Fällen die Schuldnerberatung der Kelheimer Caritas. Die Experten zeigen Wege aus der Schuldenfalle auf. Das kann Wochen, aber auch Jahre dauern.
417 Beratungen hat der Caritasverband Kelheim im vergangenen Jahr durchgeführt - 2020 waren es 410, das Jahr davor 305. "Der Bedarf für eine Schuldnerberatung ist unverändert hoch. Wir haben zwar immer wieder Phasen, wo es etwas ruhiger ist, aber auch Phasen, wo uns sehr viele Anfragen erreichen", sagt Viktoria Zerzawy, die Leiterin der Schuldnerberatung. Zu den über 400 Beratungen kamen 2021 noch 107 Beratungen zum Thema Pfändungsschutzkonto sowie etliche Kurzberatungen und Sprechstundentermine hinzu - insgesamt zählte die Caritas 1 438 Beratungen.
Corona macht sich auch hier bemerkbar. Festzustellen ist laut Caritas, dass seit Pandemiebeginn die Schuldnerberatung vielfältigere Probleme erreicht haben. Zerzawy: "Bei vielen ist der Nebenjob weggebrochen, wodurch ein finanzielles Loch entstanden ist. Selbstständige haben ihr Unternehmen schließen müssen und standen vor vielen offenen Fragen. Kurzarbeitergeld reichte oft nicht mehr für die Lebensführung aus. Menschen wurden krank und haben ihren Job verloren. Aber auch neue, bis dato unbekannte Fragen erreichen uns, etwa ob der Corona-Bonus gepfändet werden kann? Zudem kann die finanzielle Lücke dazu führen, dass gegebenenfalls zusätzlich soziale Leistungen beantragt werden müssen."
Die Caritas selbst hat ebenfalls auf die veränderten Anforderungen aufgrund der Pandemie reagieren müssen. Kurzerhand wurde auf telefonische Beratungen umgestellt. "Nach anfänglicher Skepsis hat sich diese Methode als sehr gut geeignet herausgestellt", resümiert Zerzawy. So konnte während der Pandemie effizient weitergearbeitet werden.
Überschuldung durch unberechenbare Ereignisse
Der Weg in die Schuldenfalle wird oft durch Unwägbarkeiten beschleunigt. Denn Schulden seien zunächst mal nichts Außergewöhnliches und eigentlich normal. "Denkt man daran, dass man sich ein Eigenheim verwirklichen möchte, dann weiß man, das geht ohne Schulden nicht", nennt Zerzawy als Beispiel. Kritisch werde es, wenn die anfänglich "normalen" Schulden nicht mehr getilgt werden, ohne dass es die Existenz bedrohen würde. Die Schuldnerberatung spricht dann nicht mehr von Verschuldung, sondern von einer Überschuldung. "Viele Klienten verschulden sich zunächst und dann kommt das ‚Unberechenbare' ins Leben wie Arbeitslosigkeit, Trennung oder Krankheit. Das sind mit Abstand die häufigsten Gründe für eine Überschuldung", sagt die Leiterin der Schuldnerberatung. Dabei ist das Niveau der Schulden sehr unterschiedlich. "Es gibt Ratsuchende, bei denen 2 000 Euro eine Überschuldung darstellen. Wir haben aber auch Ratsuchende die Schulden von 10 000 bis 100 000 Euro nicht mehr bedienen können. Jedoch sind wir sehr selten im Millionenbereich."
Besonders betroffen sind alleinerziehende und alleinstehende Frauen. Aber nicht nur. Fast genauso viele Männer, die plötzlich Unterhaltsverpflichtungen für Kinder oder Expartnerinnen leisten müssen, kommen in die Bredouille, weiß Zerzawy. Hotspots mit erhöhtem Beratungsbedarf gibt es im Landkreis Kelheim nicht, die Caritas hat bislang keine regionalen Auffälligkeiten festgestellt.
Inwieweit sich die steigenden Verbraucher- und Energiepreise auf die Schuldenentwicklung auswirken, lässt sich seitens der Caritas noch nicht einschätzen. Bisher mache sich die Inflation beim Beratungsbedarf noch nicht bemerkbar. "Aber bei uns kommen die Problemlagen immer zeitversetzt an. Weil unsere Klienten stets versuchen, noch irgendwie die Lage zu meistern. Erst wenn gar nichts mehr geht, wenden sie sich an uns."