Plattling

Zwei Plattlinger in der Hektik des Großmarkts


Fotos: Ch. Häusler

Fotos: Ch. Häusler

Von Christoph Häusler

Neongrün leuchtet die Tachonadel. 80 km/h offenbart sie. Die zweite Nadel im Führerhaus gibt die Uhrzeit wider. Es ist 3.35 Uhr. Die Geschwister Rosemarie Wanninger und Richard Resch fahren nach München. Ihr Ziel ist der Großmarkt in Sendling.

Die beiden Plattlinger kommen zwei Stunden später am Markt an und durchqueren die Einlasspforte. Grelle Scheinwerfer unzähliger Gabelstapler erhellen die Nacht. Den Verkehrsregeln unterworfen sind diese Gefährte nicht, kreuz und quer rasen sie über den Asphalt. Sie liefern das eingekaufte Gemüse und Obst zu den abgestellten Lastern.

Großmarkt-Wahnsinn seit 28 Jahren

Seit 28 Jahren schon erlebt Richard diesen Wahnsinn. Er hüpft aus dem alten Lastwagen und geht mit seiner Schwester schnurstracks zur Halle. Auf dem Weg treffen sie Klaus - einen bekannten Händler. "Saukalt is wieder", schimpft er. Der lange Winter kommt den Händlern, die ihre Ware auf den Wochenmärkten verkaufen, nicht zugute.

In der Halle zieht es, der Wind saust von Tor zu Tor. Der Geruch von Champignons und Kräutern verharrt aber im Raum und lockt die Geschwister an. Mit geschultem Blick suchen Rosemarie und Richard die Pilze aus, bezahlen bar und lassen die Kisten vor dem Kassenhäuschen stehen. Den Transport zum Lastwagen überlassen sie den Fahrern der Gabelstapler.

Weiter geht es zum Kräuter-Abteil. Dill, Basilikum und Oregano reihen sich nebeneinander auf. Der Geruch, der von den Pflanzen aufsteigt, wird gestört. Die Verkäuferin kommt um die Ecke und der blaue Rauch der Zigarette, die sie in der Hand hält, macht sich breit.

Nach diesem Einkauf widmen sich Rosemarie und Richard zunächst dem Obst. Gestapelt - oft über zwei Meter hoch - liegen die Obstsorten in ihren Kisten und warten darauf, dass sie in die Lkws verladen werden. Von einem Eck zum anderen eilen die beiden. Und zwischendurch probieren sie die Ware. Rosemarie schnappt sich eine weiße Weintraube und isst sie. Schließlich muss das Obst, das sie an den kommenden Wochenmärkten verkauft, auch schmecken.


Zwischen Physalis und Papayas sieht die 57-Jährige die gesuchten Mangos. Was und wie viel sie einkaufen muss, entnimmt Rosemarie einer Liste, die sie in einer schwarzen Mappe unter dem Arm trägt. Pro Einkauf setzt die Chefin von Obst-Gemüse-Südfrüchte Wanninger einen Haken.

Während die Frau das Schriftliche regelt, kümmert sich der Mann um das Horten der Kisten. Bananenschachteln und Erdbeerschälchen sagen sich auf Holzpaletten Guten Tag. Manchmal ist aber kein Platz für die Paletten. Deshalb schichtet Richard die Kisten einfach neben die zum Verkauf stehenden.

Er achtet stets darauf - wohl inzwischen unbewusst - die anderen Leute nicht zu stören. Diese wuseln ebenso wie die Geschwister durch die Räume. Neben den weiteren Händlern schaffen die Mitarbeiter des Großmarktes die verkaufte Ware mit Hubwagen und Sackkarren aus den Hallen.

Mit den Händlern am Markt ist das Plattlinger Geschwisterpaar bestens vertraut. Zwiebel oder Kartoffel kaufen sie meist beim gleichen Stand. An einem dieser Stände steht Alex. Hinter ihm hängen Zertifikate, ein Wandkalender und Fotos von zwei unbekleideten Damen. Alex ist nicht der einzige, der mit Ungewöhnlichem an seinem Stand überrascht. So verrät an einem anderen Verkaufshäuschen ein weißer Aufkleber die finanzielle Lage des Händlers: "Dieses Geschäft bringt nichts ein, macht aber Spaß !"

Über die Artikel und die Preise wird in einer recht spezifischen Fachsprache geredet. Preisauszeichnungen gibt es nämlich nicht. Rosemarie frägt die Verkäufer: "Der Mangold kostet ?" Eine leise Antwort folgt und sie verzieht den Mundwinkel. Richard kennt noch die alten Zeiten des Großmarktes. Damals habe er noch feilschen können. "Heute springen lediglich ein paar Cent raus", erzählt der gelernte Kaufmann.

Made in Germany gilt nach wie vor


Oft günstiger ist italienisches Gemüse oder Obst. Manchmal nicht gereinigt, sondern nur mit Wasser abgespritzt, liegen die Preise für den "Italiener", wie es auf dem Großmarkt heißt, unter dem anderer Produktionsländer. So erkundigen sich Rosemarie und Richard vor dem Kauf: "Ist der Italiener billiger ?" Bei den Kunden ist der "Deutsche" aber immer noch beliebt. Made in Germany gilt nach wie vor, auch wenn die Kunden an den Wochenmärkten tiefer in ihre Geldbörse greifen müssen.

"Italiener" oder "Deutsche" gibt es nicht nur als Ware

Den "Italiener" oder den "Deutschen" gibt es am Großmarkt in München nicht nur als Ware. Auch die Verkäufer kommen nicht selten aus dem Ausland. "Andiamo" ruft Giacomo seinem Mitarbeiter zu, der gerade die neue Lieferung verpackt. Einen Stand weiter heißt es "merhaba", wenn der türkische Händler einen seiner Landsleute begrüßt.

Nachdem Rosemarie alle Artikel auf ihrer Einkaufsliste abgehakt hat, beansprucht Richard seine Muskeln. Er verräumt die Ware auf die Ladefläche des Lastwagens. Erdbeeren, Avocados, Zwiebeln, Romanesco, Tomaten, Limetten, Äpfel, Radieschen - die farbenreiche Palette an Obst und Gemüse begibt sich nun auf den Weg nach Plattling. Pünktlich zum Mittag sind Rosemarie und Richard wieder in Plattling.

Am heutigen Wochenmarkt in Plattling am Ludwigplatz bringen sie das Obst und Gemüse an den Endverbraucher.

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Fotos: Ch. Häusler

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