Kopf als Waffe
Ein Abend bei der Schachjugend in Plattling
19. Januar 2014, 14:20 Uhr aktualisiert am 19. Januar 2014, 14:20 Uhr
Ruhig ist es in dem kleinen Zimmer der Wirtschaft Bischofshof in Plattling am Freitagabend - und das, obwohl im selben Zimmer gerade vier Kämpfe gleichzeitig ausgetragen werden. Als Waffe benutzt hier jeder seinen Kopf. Denn heute ist Schachabend in Plattling. Zusammen mit anderen Mitgliedern schicken Helmut Kappenberger (16) und Samuel Stefani (15) von der Plattlinger Schachjugend hier ihre Figuren auf das Schachbrett und versuchen, sich mit Strategie und Geschick durch die Reihen des Gegners zu kämpfen und den König zu bedrohen.
Seit sechs Jahren spielt Helmut Schach, Samuel seit vier. In der vergangenen Saison traten beide in der Bezirksliga für den Schachverein Plattling an, der in diesem Jahr sein 60-jähriges Bestehen feiert. Heuer treten sie nicht an. Dabei hätte Samuel viel Talent geerbt. Sein Vater habe früher in der Region viele Turniere gewonnen. "Leider sind wir mittlerweile zu wenig in der Jugend", bedauert er. Eine Mannschaft besteht mindestens aus vier Spielern. Besonders für den 16-jährigen Helmut ist das schade. Er würde gern noch mal in einer Mannschaft spielen. Das kann er nur noch in der kommenden Saison. Danach ist er für die Jugend zu alt.
Helmut freut sich die ganze Woche über auf den Schachabend am Freitag. Er sieht die Zeit dort als Ausgleich zur Schule. "Ich finde es toll, wie viele Kombinationsmöglichkeiten es bei den Zügen gibt. Ich weiß bis zum Ende nicht, was der andere macht und wer gewinnen wird. Man darf keine Sekunde nachlassen", beschreibt der Schüler seine Faszination an diesem Spiel.
Schach als Sport
Während Helmut aber dabei eher der ruhigere Spieler ist, ist Samuel als schneller Schachpartner bekannt. "Spieler, die sich Zeit lassen mit ihren Zügen, haben bei langen Partien die besseren Karten. Aber bei Blitzschach hab' ich die Nase vorn", erzählt Samuel schmunzelnd. Bei der Disziplin Blitzschach hat jeder Spieler fünf Minuten Bedenkzeit. Kein Vergleich zu normalen Partien. Zweieinhalb Stunden dauerte Helmuts längste Partie. Sein Trainer Reinhard Hübl übertrifft das mit siebeneinhalb Stunden. Ausdauer muss man genauso mitbringen wie viel Konzentration. Schach ist ebenso wie Fußball, Handball oder Tennis als Sportart beim Deutschen Olympischen Sportbund eingetragen. Warum, erklärt Reinhard Hübl: "Schach hat alle Merkmale, die eine andere Sportart auch hat: Es gibt Wettkämpfe, es gibt Sieger und Verlierer und man muss Regeln lernen und trainieren." Auch die körperliche Fitness sei nicht zu verachten: "Schach ist kein Bergsteigen und kein Fußball, aber die Denkleistung vor allem bei langen Partien ist für den Körper zehrend. Der Kopf arbeitet auf Hochtouren, der Blutdruck steigt, ebenso der Puls." Zudem werde auch der Gedanke der sportlichen Fairness gefördert. So gilt bei allen Kämpfen an diesem Abend: "Berührt - geführt", oder wie Kartenspieler oft sagen: "Wos liegt, des bickt."
Macht Schach schlauer?
Als ehemaliger Rektor der Grundschule Metten ist der Lehrer Reinhard Hübl von Schach als Unterrichtsfach überzeugt: "Es gibt viele Studien, die Schüler über Jahre begleitet haben. Die Schüler, die jede Woche eine Stunde lang Schach gespielt haben, haben doppelt oder zweieinhalbmal so gut abgeschnitten wie die Vergleichsklasse." Schlauer mache Schach aber nicht, meint der 65-Jährige. "Die Intelligenz an sich wird nicht gefördert, aber die geistigen Fähigkeiten werden trainiert." So fördere Schach etwa das räumliche Denken und das vorausschauende Denken aus verschiedenen Positionen. "Man muss immer für den Gegner mitdenken. Wer einen Zug weiterdenkt, gewinnt", erklärt Hübl. Die Kreativität werde gesteigert, ebenso wie die Analysefähigkeit. Man könne abstrakter denken und besser urteilen. Zudem fördere das Spiel soziale Faktoren wie den Gedanken des Fair Play oder Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Außerdem können sich Schachspieler besser und länger konzentrieren.