Habecks Pläne
Zusätzliche Maßnahmen für weniger Gasverbrauch
19. Juni 2022, 11:15 Uhr aktualisiert am 19. Juni 2022, 11:15 Uhr
Nach der Drosselung russischer Gaslieferungen ist die Lage angespannt. Wirtschaftsminister Habeck will nun reagieren - damit es mit Beginn der Heizperiode im Winter nicht eng wird.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will angesichts geringerer russischer Gaslieferungen zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um Gas einzusparen und die Vorsorge zu erhöhen.
So soll der Einsatz von Gas für die Stromerzeugung und Industrie gesenkt und die Befüllung der Speicher vorangetrieben werden. Dazu stellt der Bund Milliardenmittel bereit, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr. Außerdem sollen mehr Kohlekraftwerke zum Einsatz kommen.
Die Situation sei ernst, wird Habeck in einem fünfseitigen Papier zitiert, das der Deutschen Presse-Agentur vorlag. "Der Gasverbrauch muss weiter sinken, dafür muss mehr Gas in die Speicher, sonst wird es im Winter wirklich eng."
Russland drosselte Gaslieferungen
Der russische Staatskonzern Gazprom hatte den Gasfluss durch die Ostseepipeline Nord Stream in den vergangenen Tagen deutlich verringert. Begründet wurde dies mit Verzögerungen bei der Reparatur von Verdichterturbinen durch die Firma Siemens Energy. Habeck stufte die Maßnahme als politisch motiviert ein.
Die angespannte Situation und die hohen Preise seien eine unmittelbare Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf Geheiß von Präsident Wladimir Putin, so der Grünen-Politiker. "Es ist offenkundig die Strategie von Putin, uns zu verunsichern, die Preise in die Höhe zu treiben und uns zu spalten."
In den vergangenen Tagen habe sich die Lage am Gasmarkt verschärft. Noch könnten die ausfallenden Mengen ersetzt werden, noch laufe die Befüllung der Gasspeicher, wenn auch zu hohen Preisen. Die Versorgungssicherheit sei aktuell gewährleistet. Der Gasverbrauch im Strombereich und in der Industrie solle aber nun gesenkt und die Befüllung der Speicher forciert werden, so Habeck: "Je nach Lage werden wir weitere Maßnahmen ergreifen."
Milliarden vom Bund
Konkret geht es um folgende Pläne: Um die Einspeicherung von Gas zu sichern, stellt die Bundesregierung schon in Kürze eine zusätzliche Kreditlinie über die Staatsbank KfW in Höhe von 15 Milliarden Euro zur Verfügung, wie es aus Regierungskreisen hieß. Dieser Kredit ist demnach mit dem Finanzministerium besprochen. Der Haushaltsausschuss solle in der kommenden Woche unterrichtet werden.
Angesichts steigender Gaspreise soll mit dem Kredit der sogenannte Marktgebietsverantwortliche Trading Hub Europe THE die nötige Liquidität bekommen, um Gas einzukaufen und die Befüllung der Speicher voranzutreiben. Der Kredit werde über eine Garantie des Bundes abgesichert. Die Gesellschaft Trading Hub Europe ist durch eine Kooperation von Netzgesellschaften entstanden.
Anreize zum Energiesparen
Habeck plant außerdem noch im Sommer ein Gasauktions-Modell. Dieses soll industriellen Gasverbrauchern Anreize bieten, Gas einzusparen. Im Kern geht es darum, dass Industriekunden, die auf Gas verzichten können, ihren Verbrauch gegen Entgelt verringern, das über den Markt finanziert wird - und das Gas zur Verfügung stellen, damit es eingespeichert werden kann.
Für das Auktionsmodell wollen Trading Hub Europe, die Bundesnetzagentur und das Wirtschaftsministerium ein sogenanntes Gas-Regelenergieprodukt entwickeln. Ein solches Produkt gibt es im Strommarkt, um Schwankungen im Netz auszugleichen.
"Alles, was wir weniger verbrauchen, hilft", so Habeck. Die Industrie sei dazu ein Schlüsselfaktor. Gas ist nicht nur fürs Heizen von Wohnungen wichtig, sondern auch in der Industrie, als Rohstoff für die Produktion sowie für die Energieerzeugung.
Verstärkter Einsatz von Kohle
Wie von Habeck bereits angekündigt, soll außerdem weniger Gas zur Stromproduktion genutzt werden. Stattdessen sollen Kohlekraftwerke "stärker zum Einsatz kommen". Ein entsprechendes Gesetz soll am 8. Juli vom Bundesrat beschlossen werden und dann zügig in Kraft treten.
Parallel dazu bereitet laut Papier das Wirtschaftsministerium eine notwendige Ministerverordnung vor, um die "Gasersatzreserve" in Gang zu setzen. Dafür sollen Kraftwerke, die bereits als Reserve zur Verfügung stehen, ertüchtigt werden - um kurzfristig an den Markt zurückkehren zu können.
"Wir rufen die Gasersatz-Reserve ab, sobald das Gesetz in Kraft getreten ist", so Habeck. "Das bedeutet, so ehrlich muss man sein, dann für eine Übergangszeit mehr Kohlekraftwerke. Das ist bitter, aber es ist in dieser Lage schier notwendig, um den Gasverbrauch zu senken. Wir müssen und wir werden alles daran setzen, im Sommer und Herbst so viel Gas wie möglich einzuspeichern." Die Gasspeicher müssten zum Winter hin voll sein. Das habe oberste Priorität.
Befüllung der Gasspeicher
Die aktuellen Füllstände der Speicher in Deutschland liegen bei rund 56,7 Prozent, wie es im Bericht der Bundesnetzagentur vom Samstag heißt. Ziel der Bundesregierung ist es, dass die Gasspeicher zum 1. Oktober mit 80 Prozent und zum 1. November zu 90 Prozent befüllt sind - um für mögliche Engpässe gerüstet zu sein.
Gas trug 2021 laut Ministerium rund 15 Prozent zur Stromerzeugung bei, der Anteil dürfte in den ersten Monaten 2022 aber schon geringer gewesen sein.
Bereits im März hatte der Bund als Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine für den Kauf von Gas zur Einspeicherung 1,5 Milliarden Euro bereitgestellt. Daneben hatte die Bundesregierung verschiedene andere Maßnahmen ergriffen - wie etwa Hilfen für Energieunternehmen sowie konkrete Pläne für den Bau von Flüssiggas-Terminals in Deutschland. Mittel- und langfristig soll der Ausbau erneuerbarer Energien aus Wind und Sonne in Deutschland massiv beschleunigt werden.