Demonstrationen
Protest gegen Rentenreform: Wut auf Frankreichs Regierung
19. März 2023, 0:25 Uhr aktualisiert am 19. März 2023, 14:04 Uhr
Angezündete Mülleimer, Belagerung von Öl-Raffinieren, Beeinträchtigungen im Nah- und Fernverkehr: Seit die französische Regierung die umstrittene Rentenreform ohne finale Abstimmung mit Hilfe des Sonderartikels 49.3 durch das Parlament gedrückt hat, kommt es landesweit zu anhaltenden Demonstrationen und Krawallen. Eine Radikalisierung des Protests wird befürchtet. Wegen ihres Vorgehens muss sich die Regierung am Montag nun einem Misstrauensvotum stellen.
Am Donnerstag hatte die Regierung von Emmanuel Macron die umstrittene Rentenreform mit dem Artikel 49.3 durchgeboxt. Ein Vorgehen, das von Gewerkschaften und Opposition als "Verneinung der Demokratie" kritisiert wurde. Seitdem gibt es landesweit Proteste und Krawalle.
Wie der Fernsehsender BFMTV unter Berufung auf das Innenministerium Sonntag berichtete, seien am Samstag landesweit 169 Menschen festgenommen worden, davon 122 in Paris. Dort zündeten Menschen Mülltonnen an und versuchten, Barrikaden aufzubauen. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein. Zu der Kundgebung sollen 4200 Demonstranten gekommen sein.
Der Protest verlagerte sich in den Süden der Metropole. Die Präfektur hatte nach den Krawallen am Donnerstag und Freitag auf dem Place de la Concorde nahe dem Parlamentsgebäude Versammlungen auf dem zentralen Platz und der angrenzenden Champs-Elysées verboten.
Viele befürchten, dass sich nach dem Vorgehen der Regierung im Parlament die Proteste verschärfen werden. Zweifellos habe seine Verwendung große Wut ausgelöst, sagte Laurent Frajerman, Spezialist für radikale Bewegungen, bei BFMTV. Aber noch blieben die Proteste im Wesentlichen pazifistisch.
Die französischen Gewerkschaften hatten die Regierung schon vor Tagen gewarnt, dass sich der Protest radikalisieren werde. Seit Freitag liegt die größte Raffinerie Frankreichs in der Nähe von Le Havre still. Die TotalEnergies-Raffinerie in Donges bei Nantes ist bereits seit dem 7. März außer Betrieb. Weitere Stilllegungen könnten nach Informationen der Regionalzeitung "Ouest-France" bis Montag folgen, wie in Lavéra in Südfrankreich.
Am Montag muss sich die Regierung wegen ihres Rückgriffs auf Artikel 49.3 zwei Misstrauensanträgen stellen. Es ist aber wenig wahrscheinlich, dass einer dieser Anträge bei der Abstimmung eine Mehrheit erhält und die Regierung von Premierministerin Élisabeth Borne gestürzt wird.
Die Rentenreform gilt als das wichtigste Reformprojekt von Präsident Macron. In letzter Minute hatte die Regierung am Donnerstag die Sorge, dass nicht genügend Abgeordnete für sie stimmen könnten und griff deshalb zu dem Verfassungsartikel 49.3, mit dem sie das Vorhaben durchdrücken konnte. Seit Wochen schon protestieren die Gewerkschaften mit Streiks und Massendemonstrationen gegen die Reform, die das Renteneintrittsalter von 62 auf 64 anhebt. Für Donnerstag kündigten die Gewerkschaften einen großen Streiktag an.