Bahn, Post und Telekom
Privatisierungs-Welle in Deutschland: Was hat sie gebracht?
16. März 2019, 14:30 Uhr aktualisiert am 16. März 2019, 14:52 Uhr
Vor 24 Jahren hat die große Welle von Privatisierungen in Deutschland begonnen. Was hat sie gebracht? Die AZ zieht Bilanz.
Mieten explodieren, Wohnraum ist knapp. Immobilienhaie diktieren die Preise, schuld daran sind auch die Länder, die Wohnungen privatisiert haben. Wohnraum zurückkaufen ist eine Option, auch eine Zwangsenteignung großer Immobilienfirmen wird diskutiert. Die Folgen der Privatisierung sind an diesem Beispiel gut sichtbar, allerdings müssen sie nicht immer nur negativ sein.
Die Umwandlung von öffentlichem Vermögen in Privatbesitz - so die gängige Definition von Privatisierung - bei Unternehmen wie Post und Bahn hat den Kunden unterm Strich auch einige Vorteile gebracht.
Post als moderner Logistikkonzern
"Die Privatisierung der Telekom im Rahmen der Postreform 1995 war meines Erachtens ein richtiger Schritt", urteilt Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts. Die Behördenstrukturen der so genannten grauen Post, die vorher für das Fernmeldewesen zuständig war, sei nicht geeignet gewesen, den notwendigen Wandel des Unternehmens voranzutreiben.
Dass der Staat seinen Anteil schrittweise abbaute, findet Fuest richtig. "Es ist wichtig, dass Unternehmen durch ihre Aktionäre unter Druck gesetzt werden, effizient zu wirtschaften." Aber: "Wenn der Staat als Großaktionär agiert wird es nicht besser." Das gelte ähnlich für die gelbe Post, die heute ein moderner Logistikkonzern sei.
Viele Köche verderben bei der DB AG den Brei
Auch aus Steuerzahlersicht muss der Verkauf staatlichen Eigentums nicht immer die falsche Weichenstellung sein, wie der Bund der Steuerzahler am Beispiel der Bahn argumentiert, die ihre Probleme bei Pünktlichkeit und Service nicht in den Griff bekommt.
"Privatisierung wird schon fast als Schimpfwort empfunden. Dabei wird die Bahn als Negativbeispiel angeführt - das ist falsch", stellt BdSt-Präsident Reiner Holznagel fest. Die Bahn hat "genau deshalb enorme Probleme, weil sie eben nicht konsequent aus staatlicher Hand entlassen wurde".
Viele Köche, in diesem Fall der Bund und die Länder, verderben bei der DB AG den Brei, findet Holznagel, der noch einen weiteren Wermutstropfen in der nur halbherzig gekochten Privatisierungssuppe findet. Auf der Schiene, so der Steuerzahlerpräsident, finde nur ein eingeschränkter Wettbewerb statt. Viele Reisende stiegen so auf Bus oder Flugzeug um. Alternativen, die laut Holznagel "ohne Staat hervorragend funktionieren".
Wahlfreiheit im Bereich Strommarkt
Deutschlands oberster Verbraucherschützer Klaus Müller nimmt zu den Bereichen Post, Telekom und Bahn auch noch den Strommarkt hinzu. Die Wahlfreiheit für die Verbraucherinnen und Verbraucher habe zwar zugenommen, analysiert Müller. Die Kehrseite sei aber die Unübersichtlichkeit im Preisbereich.
Im Telekommunikationsbereich seien die Preise dagegen seit der Liberalisierung stetig gefallen. Allerdings seien hier undurchsichtige Angebote keine Seltenheit.
Und die Post? "Hier kann zumindest für Privatkunden von Verbesserungen beim Angebot nicht die Rede sein", sagt Müller. Die Preissteigerungen beim Porto seien "knackig" gewesen. Vielleicht ist die Wahrheit aber auch eine ganze andere. Die Deutsche Post machte kurz nach der Privatisierung bereits die ersten Gewinnsprünge und steht derzeit an der Börse ganz gut da. Die Bahn hingegen schiebt seit Jahren eine Haufen Schulden vor sich her.
Der Erfolg eines Unternehmens ist eben nicht nur davon abhängig, ob es privatisiert wurde. Viel entscheidender ist, ob das Management sein Metier beherrscht.
Lesen Sie hier: Die ganze Reise zählt - Bahn ergänzt Verspätungsstatistik
Lesen Sie hier: Bund ermöglicht deutliche Erhöhung des Briefportos