Leitartikel zum Thema Rente

Nicht zukunftsfest


Lange stand in Berlin kein anderes Thema als die Flüchtlingskrise auf dem Programm. Jetzt aber scheint man das Hauptaugenmerk wieder auf etwas anderes zu richten: die Rente. (Symbolbild)

Lange stand in Berlin kein anderes Thema als die Flüchtlingskrise auf dem Programm. Jetzt aber scheint man das Hauptaugenmerk wieder auf etwas anderes zu richten: die Rente. (Symbolbild)

Der Bundestagswahlkampf wirft seine Schatten voraus. Zwar ist bis zum Wahltag noch mehr als ein Jahr Zeit. Doch schon heute zeichnet sich ab, bei welchem Thema sich die Parteien mit Vorschlägen, Anpreisungen, Reformmodellen und Versprechungen überbieten werden: bei der Rente.

Lange stand in Berlin kein anderes Thema als die Flüchtlingskrise auf dem Programm. Doch seitdem sich nach dem Abkommen mit der Türkei Lösungen zumindest andeuten und schon jetzt die Flüchtlingszahlen stark zurückgegangen sind, besinnt man sich darauf, wie man den politischen Gegnern mit anderen Themen das Leben schwer machen kann. Und kaum etwas elektrisiert so sehr wie die Rente. Ist sie nun sicher, wie der ehemalige Sozialminister Norbert Blüm behauptete, oder drohen verarmte Rentnergenerationen?

Zunächst einmal können sich die heutigen Ruheständler über einen kräftigen Aufschlag freuen. 4,25 Prozent mehr gibt es im Westen und der Osten holt mit einer Steigerung um 5,95 Prozent auf. Tatsächlich ist die Lage von Rentnern und Rentenkassen derzeit so gut wie selten. Die Wirtschaft boomt, die Einkommen steigen, die Steuerquellen sprudeln, die Arbeitslosigkeit ist gering. Das alles ermöglichte es sogar, die Rentenbeiträge etwas abzusenken. Bei allen vernehmbaren Klagen: Kaum einer Rentnergeneration ging es je so gut wie der jetzigen.

Die drohende Altersarmut

Doch Experten blicken bereits auf die kommenden Jahrzehnte. Dann werden die Folgen der Demografie sichtbarer werden und das Rentenniveau - das Verhältnis von früherem Einkommen und Rente - sinken. Das Ergebnis: Weiten Teilen der Rentner droht Altersarmut. Aber ist aufgrund dieser Prognosen schon ein ganzes System gescheitert, wie behauptet wird? So einfach ist die Antwort nicht. Wer sein Leben lang genug verdient und vorgesorgt hat, dürfte wenig Probleme bekommen. Doch auch in diesem Argument liegt ein Haken. So oder so - das gesetzliche Rentenniveau ist gering und wird weiter sinken. Nur wer mindestens noch eine Betriebsrente in Aussicht hat, kann sich auf das Ende seines Berufslebens freuen.

Wann ist dieses Ende erreicht? Wer vorzeitig in Rente gehen will, muss erhebliche Abschläge hinnehmen. Dies wird sich mit einem Anheben des Renteneinstiegsalters auf 70, wie es derzeit diskutiert wird, noch verschärfen. Ein großer Teil der Arbeitnehmer wird, davon sind Experten überzeugt, zu einem längeren Berufsleben entweder nicht in der Lage oder nicht bereit sein. Es folgen hohe Abschläge, gewaltige Einsparungen für die Rentenkassen und womöglich finanzielle Probleme für die Betroffenen. Mit einem besseren Ausgleich zwischen Lebenserwartung und der Dauer des Berufslebens haben diese Vorstöße weniger zu tun - stattdessen geht es darum, die zukünftigen Rentenbeiträge nicht aus dem Ruder laufen zu lassen. Doch das sollten jene, die von der Rente mit 70 oder gar 77 reden, dann auch klipp und klar sagen.

Es mangelt an Transparenz



An Transparenz mangelt es, auch wenn eine große Mehrheit der jungen Generation laut Umfragen bereits mit einem deutlich längeren Arbeitsleben rechnet. An vielen Stellen fehlt es Menschen, die im Alter in Geldnöte geraten, einfach an der rechtzeitigen klaren Information. Beispiel eins: Wer vorzeitig in Rente geht, sich aber eine Beschäftigung sucht, darf maximal 450 Euro dazuverdienen. Alles, was über diesen Betrag hinausgeht, wird bei der Rente gegengerechnet. Gerade auf dem Land haben viele aber ein Problem: die Photovoltaikanlage auf dem Dach. Ihre Annahme: Mit der Anlage verdiene ich Geld, kann eher aus dem Beruf aussteigen und mir zusätzlich einen Minijob suchen. Doch die Einnahmen aus dem Sonnenstrom zählen als Selbstständigen-Einkommen. Wer dann noch einen Minijob annimmt, kommt über die Zuverdienstgrenze und die Rechnung fürs Alter geht nicht mehr auf. Beispiel zwei: Experten weisen auf ein Problem von Minijobbern hin, das vor allem für Verträge gilt, die vor dem 1. Januar 2013 abgeschlossen wurden. Für diese Beschäftigungsverhältnisse zahlt der Arbeitgeber zwar 30 Prozent Sozialabgaben, davon 15 Prozent Rentenbeitrag. Dieser Betrag ist aber unter dem gesetzlichen Beitragssatz. Wer diesen Unterschied aus eigener Tasche ausgleicht, hat dann auch vollen Rentenanspruch. Mit relativ wenig Geld ließe sich also viel erreichen. Inzwischen - bei neuen Arbeitsverhältnissen - wird der Beitragsunterschied automatisch ausgeglichen, wer das nicht will, muss selbst aktiv werden. Warum erst 2013? Minijobs waren als reine Zuverdienstmöglichkeiten gedacht, bei denen die Arbeitnehmer ohnehin aus einer anderen Beschäftigung Rentenansprüche erwerben.

Pro und Contra Riester-Rente

Doch die Realität sieht anders aus. Sind dann wenigstens private Verträge wie die Riester-Rente ein Ausweg? Ja und nein. Wer richtig riestert, kann erhebliche staatliche Förderung bekommen. Diese Fördersummen sind unabhängig von den Entwicklungen am Kapitalmarkt. Das ist ein großer Vorteil. Aber durch hohe Gebühren und die niedrigen Zinsen hat auch das Riester-Modell an Attraktivität verloren, zumal diese dritte Säule der Rentenversicherung, neben gesetzlicher und betrieblicher Rente, auf rein freiwilliger Basis läuft. Wer nicht riestern will, lässt es eben - auch dann, wenn genau diese Versicherung womöglich den Einzelnen vor Altersarmut bewahren könnte. Doch Riester als gescheitert zu erklären, wie dies etwa CSU-Chef Horst Seehofer getan hat, trägt eher zur Verunsicherung bei. Stattdessen wäre es wichtiger gewesen, Konzepte zu entwickeln, dieses Rentenmodell zukunftsfest zu machen, anstatt die Versicherten damit zu schocken, dass ihr Geld, das sie auf Rat der Politik in Riester-Verträge investiert haben, verbrannt sein könnte.

Die Rente braucht Veränderung

Fest steht: Die Rente braucht Veränderung. Zum einen müssen die Betroffenen bessere Beratung erhalten - nicht erst dann, wenn es zu spät ist. Zum anderen darf es nicht sein, dass auf dem Rücken der Rentenkassen Wahlgeschenke verteilt werden. Das gilt für die Rente mit 63 ebenso wie für die Mütterrente. Natürlich sei jedem mehr Geld oder ein früherer Renteneintritt gegönnt. Nur sollte das dann auch solide gegenfinanziert und auch dann noch tragfähig sein, wenn sich die wirtschaftliche Lage einmal eintrübt. Ausgereift ist kaum eines der gegenwärtig diskutierten Konzepte. Das gilt für Modelle einer Einheitsrente ebenso wie für eine Flexi-Rente, bei der Arbeitnehmer die zu erwartenden Abschläge durch einen früheren Berufsausstieg schon im Laufe ihres Arbeitslebens ausgleichen können.

Womöglich mag es noch gelingen, vor der heißen Wahlkampfschlacht seriös an der Zukunft der Alterssicherung zu arbeiten und ein schlüssiges Konzept zu präsentieren. Doch dies wird wohl ein frommer Wunsch bleiben. Wahrscheinlicher ist ein Überbietungswettkampf im Ringen um Wählerstimmen in einer alternden Gesellschaft. Damit aber wird die Rente nicht sicherer. Stattdessen bildet das die Grundlage für weitere Reformen und damit Verunsicherung der gegenwärtigen und künftigen Rentnergenerationen.