Energiekrise

Nach Bund-Länder-Runde: "Doppelwumms" bleibt "Wundertüte"


Bundeskanzler Olaf Scholz (M, SPD), Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (l, SPD) und Hendrik Wüst (r, CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (M, SPD), Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (l, SPD) und Hendrik Wüst (r, CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.

Von Von den dpa-Korrespondenten

Mit drei Entlastungspaketen und einem 200-Milliarden-Euro-Programm inklusive Gaspreisbremse will die Regierung die größten Härten der aktuellen Krise abfedern. Details bleiben aber weiter offen.

Bund und Länder haben trotz mehrstündiger Beratungen keine Annäherung im Streit über die Finanzierung milliardenschwerer Entlastungsmaßnahmen in der Energiekrise gefunden. Wichtige Details etwa zur geplanten Gaspreisbremse blieben zudem weiter unbeantwortet. Von Länderseite gab es scharfe Kritik an der Bundesregierung.

Bei dem Treffen im Kanzleramt ging es um das Anfang September beschlossene dritte Entlastungspaket mit einem Umfang von etwa 65 Milliarden Euro, bei dem Finanzierungsfragen zwischen Bund und Ländern noch ungeklärt sind. Außerdem wurde über den in der vergangenen Woche zusätzlich angekündigten "Abwehrschirm" von bis zu 200 Milliarden Euro beraten, der Verbraucher und Unternehmen wegen der gestiegenen Energiepreise stützen soll. Kern dieses Vorhabens ist die Srom- und Gaspreisbremse, bei der bisher unklar ist, wie sie konkret aussehen soll.

Länder fordern Klarheit

Vor den Gesprächen hatten die Länder Druck gemacht und Klarheit über die Ausgestaltung des von Scholz als "Doppelwumms" bezeichneten 200-Milliarden-Euro-Pakets gefordert. "Was die Auswirkungen angeht, ist das noch ein bisschen eine Wundertüte. Keiner weiß genau, was drin ist, aber alle freuen sich schon mal", sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Nach den Beratungen zeigte er sich enttäuscht: Eine Wundertüte sei ja erst mal etwas Positives, man sei aber heute nicht schlauer geworden, was drinstecke.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte vor dem Treffen gefordert, die Gaspreisbremse müsse noch im Oktober kommen. Die Krise spitze sich jeden Tag weiter zu, die Preise explodierten weiter. Mit Blick auf die 200 Milliarden sagte der CSU-Chef: "Der Bundeskanzler nannte das einen Doppelwumms. Wichtig ist, dass daraus nicht im Nachhinein ein Wümmschen wird."

Bewegung bei Gaspreisbremse in Sicht

Kurz vor den Beratungen der Länderchefs mit dem Bundeskanzler gab es am Dienstag hier aber zumindest die Ankündigung, dass es dazu bald Details geben soll: Eine von der Bundesregierung zum Thema eingesetzte Expertenkommission will am Wochenende einen Vorschlag vorlegen, wie die Vorsitzenden des Gremiums erklärten. Die Kommission arbeite mit Hochdruck daran, der Politik schnellstmöglich Empfehlungen für eine ebenso ausgewogene wie praktikable Gaspreisbremse vorzulegen. Mindestens für einen Teil des Verbrauchs sollen die Preise beim Gas so gedeckelt werden, dass private Haushalte und Firmen nicht überfordert sind. Scholz sagte am Dienstagabend, er gehe davon aus, dass es nächste Woche Ergebnisse gebe, zu denen sich die Bundesregierung dann "sofort" verhalten könne.

Offene Fragen bei Wohngeld, ÖPNV-Ticket und Sonderzahlungen

Nicht ausräumen konnten Bund und Länder ihre Differenzen bei der Finanzierung einzelner Maßnahmen aus dem dritten Entlastungspaket. Manches aus diesem Paket ist schon auf den Weg gebracht, wie die Kindergelderhöhung. Bei anderen Vorhaben sind noch Fragen offen. Das gilt etwa für die geplante 200 Euro Sonderzahlung für Studierende, bei der unklar ist, wann sie kommt und wer sie auszahlen soll. Es gilt ferner für die Wohngeldreform. Der staatliche Mietzuschuss soll ab Januar um durchschnittlich 190 Euro pro Monat steigen und 1,4 Millionen Bürger mehr erreichen. Bisher wird das Wohngeld hälftig von Bund und Ländern finanziert. Die Länder fordern, dass der Bund die Ausweitung alleine trägt.

Auch beim geplanten Nachfolger für das 9-Euro-Ticket wird weiter über die Finanzierung gestritten. Anfang September hatte die Ampel-Koalition bereits verkündet, dass die Verkehrsminister von Bund und Ländern "zeitnah" ein Konzept für das Ticket erarbeiten würden. Bisher ist davon nichts zu sehen. Die Länder pochen darauf, dass der Bund mehr Geld dafür locker macht.

Das gilt auch für die Finanzierung der Aufnahme von Flüchtlingen. Hunderttausende Menschen sind vor dem russischen Krieg aus der Ukraine nach Deutschland geflohen. Die Länder verlangen, dass der Bund Zusagen erfüllt, sie stärker bei den Kosten für die Unterbringung und Betreuung zu unterstützen.

Wüst übte nach dem Gespräch scharfe Kritik. Die Bundesregierung habe kaum Kompromissbereitschaft in ganz wesentlichen Fragen erkennen lassen. Scholz wiederum verwies darauf, dass der Bund von allen Entlastungsmaßnahmen im Gesamtvolumen von 295 Milliarden Euro "knapp 240, 250 Milliarden Euro auf seine Kappe nehmen und finanzieren" werde.

Aufschub bei Steuern

Konkreter wurde die Runde im Kanzleramt bei einem Unterpunkt: Unternehmen und Selbstständige in Not können bei Steuerzahlungen auf eine vorübergehende Atempause hoffen. "Bund und Länder stimmen darin überein, dass Regelungen zur Stundung von Steuern und die Aussetzung von Steuervorauszahlungen vorzusehen sind", heißt es im gemeinsamen Beschlusspapier. Einzelheiten dazu sind aber noch unklar. Auch ein Aussetzen der Insolvenzantragspflicht und Hilfsmaßnahmen im Wohnungswesen werden von Bund und Ländern "für nötig" gehalten. Auch das sind aber zunächst Ankündigungen ohne nähere Details.

Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), kündigte die nächsten Beratungen mit seinen Länderkollegen in "etwas mehr als zwei Wochen" in Hannover an. Die Bundesregierung habe zugestimmt, dann einen Zwischenbericht vorzulegen. "Und wir hoffen, dass wir Ende des Monats, Anfang des nächsten Monats dann wirklich unter all das einen finalen Strich machen können." Man sei sich bewusst, dass Bürgerinnen und Bürger schnell Klarheit wollten.

Dieser Artikel ist Teil eines automatisierten Angebots der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Er wird von der idowa-Redaktion nicht bearbeitet oder geprüft.