Beherbungsverbot wegen Corona

Mit Bayern und Hessen heben Bundesland 5 und 6 das Verbot auf


In insgesamt drei Bundesländern ist das Beherbungsverbot für Reisende aus deutschen Corona-Hotspots mittlerweile ausgesetzt. (Symbolbild)

In insgesamt drei Bundesländern ist das Beherbungsverbot für Reisende aus deutschen Corona-Hotspots mittlerweile ausgesetzt. (Symbolbild)

Von mit Material der dpa

Der Ärger über die Beherbergungsverbote für Urlauber aus deutschen Corona-Hotspots ist groß. Nun zeigt sich: Sie haben keinen Bestand vor Gericht. In der Kritik stehen aber auch die Beschlüsse von Bund und Ländern zur weiteren Corona-Strategie.

Als jüngstes Beispiel plant Hessen plant die Abschaffung des Beherbergungsverbots. Das kündigte die hessische Staatskanzlei in einer Mitteilung vom Freitag an. Die geplante Abschaffung stehe auf der Tagesordnung für eine Sitzung des Corona-Kabinetts am kommenden Montag.

Selbst Bayerns Ministerpräsident Markus Söder war auf Distanz zu dem bundesweit umstrittenen Beherbergungsverbot für Urlauber aus Corona-Hotspots gegangen. "Das wird jetzt auch Stück für Stück auslaufen", sagte der CSU-Chef am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "Markus Lanz". Das liege auch daran, dass Gerichte die Verbote teilweise kassieren.

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger zeigte sich daraufhin erleichtert über das rasche Ende des Beherbergungsverbotes für Menschen aus Regionen mit hohen Infektionszahlen auch in Bayern. Aiwanger: "Das Beherbergungsverbot war im Kampf gegen Corona das falsche Instrument am falschen Ort. Die bayerischen Hotels haben hervorragende Hygienekonzepte, auf deren Einhaltung genau geschaut wird. Eine Ansteckung ist dort sehr unwahrscheinlich. Das Verbot hat also die Falschen bestraft und war deshalb ein stumpfes Schwert im Kampf gegen Covid-19", wird Aiwanger in einer Pressemitteilung des bayerischen Wirtschaftsministeriums zitiert.

Laut Gericht unverhältnismäßiger Einschnitt in Grundrechte

Die umstrittenen Beherbergungsverbote für Reisende aus deutschen Gebieten mit hohen Corona-Infektionszahlen waren zuvor in zwei Bundesländern von Gerichten gekippt worden. In Baden-Württemberg setzte der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim das Verbot außer Vollzug, weil es ein unverhältnismäßiger Einschnitt in das Grundrecht auf Freizügigkeit sei. In Niedersachsen erklärte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg das Verbot für rechtswidrig. Beide Entscheidungen sind nicht anfechtbar. In Sachsen kündigte die Regierung nach einem Gespräch mit Landräten und Bürgermeistern an, die Regelung ab Samstag aufzuheben. Auch das Saarland streicht das Beherbergungsverbot. Damit entfällt von diesem Freitag an für Reisende aus innerdeutschen Hotspots die Pflicht, bei der Übernachtung im Saarland einen negativen Corona-Test vorzulegen, wie Regierungssprecher Alexander Zeyer am Donnerstag mitteilte.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder hatten bei ihren Beratungen am Mittwoch in Berlin keine Einigkeit zu den Beherbergungsverboten erzielen können und einen Beschluss bis nach den Herbstferien vertagt. Manche Regierungschefs wie Manuela Schwesig (SPD) aus Mecklenburg-Vorpommern wollten dieses Instrument im Kampf gegen die auch in Deutschland stark steigenden Infektionszahlen nicht aus der Hand geben. Sie schlug zusammen mit Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) vor, dass die Verantwortlichen in den Risikogebieten Ausreisebeschränkungen verhängen sollten. Damit hätten sie sich aber nicht durchsetzen können, berichteten beide Regierungschefs am Donnerstag.

Von der Sorge um Kontrollverlust getrieben

Die Untätigkeit in dieser Frage war am Donnerstag einer der Hauptkritikpunkte an den Ergebnissen der Bund-Länder-Beratungen vom Vortag. Diese waren von der Sorge eines Kontrollverlustes über die Infektionsentwicklung geprägt gewesen.

Die aktuellen Zahlen geben dieser Sorge neue Nahrung. Die Gesundheitsämter meldeten nach Angaben des Robert Koch-Instituts vom Donnerstagmorgen einen Rekordwert von 6.638 Neuinfektionen binnen eines Tages - rund 1.500 mehr als am Vortag. Bislang waren Ende März mit knapp 6.300 Neuinfizierten die meisten registriert worden. Allerdings sind die jetzigen Werte nicht mit denen aus dem Frühjahr vergleichbar, weil mittlerweile wesentlich mehr getestet wird und damit auch mehr Infektionen entdeckt werden.

Bund und Länder vereinbarten im Kanzleramt strengere Maßnahmen für die deutschen Corona-Hochburgen. So sollen die Maskenpflicht ausgeweitet, eine Sperrstunde angeordnet, Kontakte beschränkt und die Teilnehmerzahl bei Veranstaltungen und privaten Feiern begrenzt werden. Einige Maßnahmen wie die schärfere Maskenpflicht sollen bereits ab 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen greifen. Bisher galt ein Wert von 50.

Die Beschlüsse stießen am Donnerstag zum Teil auf deutliche Kritik. So zeigte sich der Deutsche Städtetag skeptisch, ob die Maßnahmen ausreichen werden. Sein Präsident Burkhard Jung (SPD) sagte der dpa: "Es wird jetzt etwas mehr einheitliche Regeln bei steigenden Infektionszahlen geben. Aber ob das reicht und die Menschen besser durchblicken können, was gilt, müssen wir erst noch sehen."

Kritik von FDP und AfD im Bundestag

Ähnlich hatten sich am Vorabend auch Kanzlerin Merkel und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) geäußert. Sie machten deutlich, dass andernfalls schärfere Maßnahmen folgen würden. Söder sagte am Donnerstag nach einer Sitzung seines Kabinetts: "Es würde mich wundern, wenn es mit dem gestrigen Abend sein Ende hätte." Die Landesregierung hatte zuvor für Bayern schärfere Regeln beschlossen, die zum Teil über die Bund-Länder-Vereinbarung hinaus gehen.

Kanzleramtschef Helge Braun ging am Donnerstag ebenfalls davon aus, dass die Beschlüsse vom Vortag vermutlich nicht ausreichen werden. "Und deshalb kommt's jetzt auf die Bevölkerung an", sagte er im ARD-"Morgenmagazin": "Dass wir nicht nur gucken: Was darf ich jetzt? Sondern wir müssen im Grunde genommen alle mehr machen und vorsichtiger sein als das, was die Ministerpräsidenten gestern beschlossen haben."

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte im Deutschlandfunk mit Blick auf die sprunghaft gestiegenen Infektionszahlen: "Wir haben es selbst in der Hand, diese Entwicklung zu stoppen." Das Signal des Treffens im Kanzleramt sei wichtig. Es gebe ein gemeinsames Grundverständnis, das die Menschen nun aber unbedingt beibehalten müssten. So werde bereits heute entschieden, ob Weihnachten "in gewohnter Weise stattfinden kann, oder ob wir eine Situation haben werden wie an Ostern, (...) wo wir empfehlen mussten, nicht die Verwandtschaft zu besuchen", sagte Spahn. "Das würde ich eigentlich gerne vermeiden wollen."

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner monierte, dass die Beherbergungsverbote nicht abgeschafft wurden. "Damit bleibt ein massiver Eingriff in Grundrechte bestehen. Dabei geht die Gefahr von Massenveranstaltungen ohne Schutzkonzept oder Besäufnissen aus, nicht vom Familienurlaub oder Geschäftsreisen." Lindner warnte, wer unwirksame Beschneidungen der Freiheit verlängere, gefährde die Akzeptanz der Corona-Maßnahmen insgesamt. "Die Regierungen balancieren damit auf der Grenze zur Verfassungswidrigkeit." Zugleich forderte der FDP-Chef, solche einschneidenden Maßnahmen nicht weiter an den Parlamenten vorbei zu beschließen. "Der Bundestag muss seine Rechte wieder geltend machen."

Lauterbach (SPD) für generelles Reiseverbot

Die AfD im Bundestag kritisierte die Beschlüsse als willkürlich und schädlich für die Wirtschaft. "Die Ergebnisse dieses Gipfels bedeuten einen neuerlichen Lockdown auf Raten. Die ohnehin am Boden liegende Wirtschaft wird weiter stranguliert", sagte die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel. "Die beschlossenen Maßnahmen richten nachweislich erheblichen wirtschaftlichen Schaden an, während ihr Nutzen zur Eindämmung der Pandemie nicht nachweisbar ist." Der Co-Vorsitzende Alexander Gauland nannte die Maßnahmen "bloßen Aktionismus".

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach plädierte für ein Reiseverbot für Menschen aus Corona-Hotspots. Es sollte gelten, "bis sich die Lage dort beruhigt hat", sagte er der "Rheinischen Post" (Freitag). Der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, hält sogar eine Abriegelung von Risikogebieten für möglich. "Vor neun Monaten habe ich in einem ähnlichen Interview gesagt, dass ich mir das nicht vorstellen kann. Inzwischen kann ich mir vorstellen, dass solche Maßnahmen durchgeführt würden", sagte Wieler dem Fernsehsender Phoenix.

Wie es in Bayern weitergeht, ist fraglich. Zuletzt hatte die Staatsregierung das Beherbergungsverbot bis Freitag verlängert. Lesen Sie hierzu Das sind die deutschen Corona-Risikogebiete