AZ-Interview
Hubertus Heil: "Ich will die Grundrente umsetzen"
14. Februar 2019, 7:23 Uhr aktualisiert am 14. Februar 2019, 7:23 Uhr
Im Interview mit der AZ äußert sich Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) über seine Pläne zur Grundrente und Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt.
AZ: Herr Heil, haben Sie die heftigen, oft sehr kritischen Reaktionen auf Ihre Pläne zu einer Grundrente für Geringverdiener überrascht?
HUBERTUS HEIL: Ich habe von Bürgerinnen und Bürgern überwiegend positive Reaktionen bekommen. Offenbar haben sehr viele Menschen erkannt, dass es hier um Respekt vor Lebensleistung geht. Wir reden ja über Menschen, die fleißig gearbeitet haben. Über Friseurinnen, über Altenpflegehelferinnen, über Lagerarbeiter, die nur aufgrund der Tatsache, dass sie sehr niedrige Löhne haben, keine auskömmliche Rente haben. Hier etwas zu tun, scheint vielen Menschen ein Anliegen zu sein.
Darüber, wie dies geschehen soll, gibt es heftigen Streit ...
Es gibt natürlich Gegenreaktionen aus dem politischen Raum, von Verbänden und Teilen der Opposition, von der FDP vor allem. Auch vom Koalitionspartner kommen kritische Nachfragen. Aber ich habe auch Anrufe von CDU- und CSU-Abgeordneten erhalten, die mich bestärken und mir sagen, dass ich mich nicht beirren lassen soll.
Wer sind denn diese Anrufer?
Die will ich nicht öffentlich hinhängen, aber es hat diese Anrufe gegeben. Und der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl-Josef Laumann von der CDU hat ja gesagt, dass das ordentliche Vorschläge sind, die man nicht gleich zerreden soll. Darum bin ich zuversichtlich, dass wir da was Ordentliches hinbekommen.
Sie reden über Friseurinnen und Lagerarbeiter, diskutiert wird nun aber auch über die Zahnarztfrau, die in der Praxis ihres Mannes angestellt war und von der Grundrente profitieren würde, obwohl sie keineswegs bedürftig ist ...
Wir konzentrieren uns auf Menschen, die 35 Jahre gearbeitet und eingezahlt haben - das kann auch mal die Ehefrau eines Zahnarztes oder der Ehemann einer Zahnärztin sein, wenn es eigenständige Ansprüche sind. Es geht in diesem Fall nicht um eine Sozialleistung für Bedürftige am Existenzminimum, sondern um Respekt vor einer Lebensarbeitsleistung. Das haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart und das soll auch ein Beitrag zur Bekämpfung von Altersarmut sein. Wir wollen eine Grundrente, die diesen Namen auch verdient. Und keine neue Form der Grundsicherung, das ist ein wichtiger Unterschied. Im Übrigen müssen Ehepaare, bei der ein Partner von einer besseren Grundrente profitiert, der andere aber über ein höheres Einkommen verfügt, dann darauf auch entsprechende Steuern entrichten.
Im Koalitionsvertrag ist aber auch die Bedürfnisprüfung vorgesehen, die sicherstellen soll, dass nur Menschen die Grundrente bekommen, die sie auch benötigen. Und nicht die, die bereits gut abgesichert sind, über ihre Partner, oder sogar Mieteinnahmen.
Das beißt sich aus meiner Sicht mit der Vorgabe aus dem Koalitionsvertrag, dass die Rentenversicherung das machen muss. Die kennt nämlich überhaupt gar keine Bedürftigkeitsprüfung. Das zu ändern, würde einen Wust an Bürokratie nach sich ziehen. Ich finde es auch nicht würdig, dass Menschen, die gearbeitet haben, zum Sozialamt müssen. Die haben sich Rechte erworben.
"Wir haben eine gute Lage am Arbeitsmarkt"
Rechnen Sie wirklich damit, dass Sie Ihren Vorschlag gegen den Widerstand aus der Union durchbekommen?
Ich will die Grundrente in dieser Regierung umsetzen.
Und wenn nicht, lässt die SPD dann die Koalition platzen?
Darüber spekuliere ich nicht, sondern mache lieber meine Arbeit. Und wir wollen die Grundrente nicht als Wahlkampfvorrat für 2021, sondern wir führen Sie ein, aus Respekt vor der Lebensleistung und um Altersarmut zu bekämpfen.
Europawahlen und vier Landtagswahlen stehen in diesem Jahr an. Da wirken Ihre Rentenpläne und die anderen Vorschläge der SPD zum Umbau des Sozialstaats wie der panische Versuch, weitere Schlappen noch abzuwenden ...
Wir können doch nicht aufhören zu denken, nur weil irgendwo Wahlen sind. Ich finde es richtig, das umzusetzen, was im Koalitionsvertrag vereinbart ist und darüber hinaus über die Zukunft des Sozialstaats nachzudenken. Die Arbeitswelt wird sich durch die Digitalisierung verändern. Die gute Nachricht ist, uns wird die Arbeit nicht ausgehen. Die anstrengende Nachricht ist, dass es in vielerlei Hinsicht eine andere Arbeit sein wird. Da wird es um das Thema Qualifizierung gehen. Dazu habe ich das Qualifizierungschancen-Gesetz eingeführt. Wir haben also mit der Weiterentwicklung der Arbeitsmarktpolitik und des Sozialstaats bereits begonnen.
Die Anzeichen, dass sich die Konjunktur eintrübt, mehren sich. Rechnen Sie da noch mit Vollbeschäftigung?
Wir haben eine Riesenchance, das im kommenden Jahrzehnt zu erreichen. Laut einer Studie werden bis 2025 in Deutschland durch Digitalisierung und Rationalisierung 1,3 Millionen Jobs verloren gehen, gleichzeitig werden 2,1 Millionen Jobs neu entstehen. Wir haben in Deutschland eine gute Lage am Arbeitsmarkt, doch es gibt regionale Unterschiede. In Landkreisen wie in Eichstätt haben wir Vollbeschäftigung, in Gelsenkirchen hingegen gewaltige Probleme durch den Strukturwandel. Deshalb müssen wir über Ausbildung und Umschulung ebenso reden, wie über die Fachkräfteeinwanderung.