Politischer Gillamoos
Grüne: Kretschmann taugt nicht zum Einheizer
4. September 2023, 17:36 Uhr
Winfried Kretschmann passt eigentlich wie kein anderer Grünen-Politiker zum Gillamoos. Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg gilt als katholischer Wertkonservativer, als einer, der sowohl bei der Land- als auch bei der Stadtbevölkerung gut ankommt. Als großer Einheizer erweist er sich im Abensberger Weinzelt jedoch nicht. Diesen Job erledigt eine Parteikollegin.
Eine Frau verleiht ihrem Unmut per Trillerpfeife Ausdruck und aus dem Nachbarzelt schallt immer wieder die Stimme von Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger herüber. Mit wenigen Ausnahmen verläuft der Auftritt der bayerischen Grünen am Montag störungsfrei. Was in diesen Tagen bei Veranstaltungen der Grünen nicht selbstverständlich ist. Eine gute Nachricht also - und eine ebensolche verdient 35 Tage vor der Landtagswahl besondere Erwähnung. Denn es sind schwere Zeiten für die Ökopartei, ihr bläst der Gegenwind heftig ins Gesicht.
Kretschmann verliert sich in einem historischen Diskurs
Mit der CSU, den Freien Wählern und der AfD haben gleich drei Parteien die Grünen zum Hauptgegner für den Urnengang am 8. Oktober erklärt. Die Beliebtheitswerte sinken auch in der Bevölkerung. In aktuellen Umfragen stehen die Grünen bei rund 15 Prozent und liegen damit nur noch knapp vor AfD und Freien Wählern.
Es braucht also Rückenwind für Bayerns Grüne. Den kann am Montag aber auch der politische Gast aus Baden-Württemberg nicht liefern, der um 11.18 Uhr die Bühne betritt. Statt eine zünftige Rede zu halten, verliert sich Kretschmann in einem historischen Diskurs über das Bündnis Bayerns mit Napoleon, um die Wandlungsfähigkeit des "geschätzten Bayernvolks" zu erklären.
Tosender Applaus für Katharina Schulze
Etwas Stimmung kommt erst auf, als sich der Oberrealo zum Schluss seiner Rede mit Hubert Aiwanger und dessen Auftritt bei der vielzitierten Demonstration im Juni in Erding beschäftigt. "Wenn ein stellvertretender Ministerpräsident sagt, man muss sich die Demokratie zurückholen, die ihn selber an die Macht gebracht hat, dann stimmt was nicht. Dann ist was gefährlich", warnt der Schwabe. In allen Krisen sei eins das Allerwichtigste: der Zusammenhalt der Bevölkerung. "In Krisen polarisiert man nicht, treibt nicht immer alles auf die Spitze", betont Kretschmann und nennt als Beispiel Aiwangers Aussage, die Grünen propagierten das "Insekten-Fressen".
Wesentlich härter geht Katharina Schulze mit dem Freie-Wähler-Chef und dessen Flugblatt-Affäre ins Gericht. Aiwanger habe mit seinem Antworten auf den Fragekatalog des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) nur auf dem Papier Reue gezeigt, im Bierzelt klinge das ganz anders - das sei unanständig. "Und wenn Aiwanger sich jetzt aber selbst zum Opfer einer Kampagne stilisiert, dann ist das einfach nur schäbig", ruft die Grünen-Spitzenkandidatin und Co-Fraktionschefin und erntet dafür tosenden Applaus.
Hartmann: Söder hat sich "für Machterhalt statt Haltung entschieden"
Aber auch Söder kommt nicht ungeschoren davon. Der habe sich bei seiner Entscheidung, an Aiwanger als Regierungsvize festzuhalten, für Machterhalt statt Haltung entschieden, kritisiert Grünen-Spitzenkandidat und Co-Fraktionschef Ludwig Hartmann. Allein der Anschein von Antisemitismus schade dem Land. Überhaupt hätten die Menschen in Bayern eine bessere Regierung verdient. "Eine Regierung, die anpackt und gemeinsam Lösungen findet", fordert Schulze.
Sie warnt: Fünf weitere Jahres des Stillstands könne sich Bayern nicht leisten, denn die Herausforderungen seien enorm. "Wir wollen den Wirtschaftsstandort Bayern halten, wir müssen Klimaschutz betreiben und wir müssen die Bildungskrise lösen", benennt Schulze einige Krisenherde. Söder sei dazu nicht in der Lage. "Nur weil er Star Wars oder Raumschiff Enterprise schaut, macht ihn das nicht zu einem Mann der Zukunft", ätzt die Grünen-Politikerin. "Es kommt darauf an, mutig zu sein und auch bereit sein, Fehler zu korrigieren" - für diesen einen Satz bekommt Kretschmann dann tatsächlich etwas lauteren Applaus. Immerhin.