"Partygate"-Affäre
Boris Johnson übersteht Misstrauensvotum - Zukunft ungewiss
7. Juni 2022, 8:52 Uhr aktualisiert am 7. Juni 2022, 8:52 Uhr
Der Versuch der innerparteilichen Gegner Boris Johnsons, den Premier zu stürzen, misslingt. Doch das Ergebnis der Misstrauensabstimmung ist dennoch verheerend für den britischen Regierungschef.
Ist es der Anfang vom Ende der Ära Boris Johnson? Der britische Premierminister hat ein Misstrauensvotum in seiner konservativen Fraktion überstanden.
Doch das Ergebnis war weit knapper als erwartet. Nur 211 Tory-Abgeordnete sprachen Johnson in London ihr Vertrauen aus, wie der Vorsitzende des zuständigen Parteigremiums, Graham Brady, in London mitteilte. 148 seiner Fraktionskollegen votierten hingegen für eine Abwahl Johnsons als Parteichef und damit auch als Premierminister. Der Regierungschef gilt damit als schwer beschädigt.
Johnson bemühte sich, das Ergebnis als großen Erfolg darzustellen. "Ich glaube, das ist ein extrem gutes, positives, abschließendes und deutliches Ergebnis", sagte der konservative Parteichef nach der Abstimmung in einem Fernsehinterview. Er fügte hinzu: "Was das bedeutet ist, dass wir als Regierung nun voranschreiten können und uns auf Dinge konzentrieren können, die den Menschen meiner Meinung nach wirklich wichtig sind."
"Partygate"-Affäre
Johnson war unter Druck geraten, nachdem Details über teilweise exzessive Partys in seinem Amtssitz in der Londoner Downing Street während der Corona-Lockdowns ans Licht gekommen waren. Der konservative Politiker hatte die Feiern geduldet und war teilweise sogar dabei gewesen. Ein Untersuchungsbericht warf den Verantwortlichen in der Downing Street Führungsversagen vor. Johnson musste wegen der Teilnahme an einer illegalen Lockdown-Party eine Geldstrafe zahlen und gilt damit als erster amtierender Premierminister Großbritanniens, der erwiesenermaßen das Gesetz gebrochen hat.
Johnson stellte die Kritik an sich als reinen Medienrummel dar. Er freue sich, nun ausschließlich über die Prioritäten seiner Regierung zu sprechen und nicht mehr über "das ganze Zeug, das von obsessivem und zwanghaftem Interesse" der Journalisten sei, sagte der Premier.
Johnson-Vertraute wollen "nach vorne" schauen
Ein weiteres Misstrauensvotum ist nach den geltenden Regeln der britischen Konservativen nun für einen Zeitraum von zwölf Monaten ausgeschlossen. Johnson-Vertraute forderten daher, nun müsse ein Schlussstrich unter die Kritik an der Führungsrolle des Premiers gezogen werden. Doch das ist kaum zu erwarten.
"Ich denke, es ist nun wichtig, sich daran zu erinnern, dass wir nur in der Lage sind zu liefern, wenn wir vereint sind", sagte Bildungsminister Nadhim Zahawi dem Sender Sky News nach der Abstimmung. Es sei nun Zeit, nach vorne zu schauen und sich Themen wie etwa der Wirtschaft und der stark steigenden Inflation widmen zu können.
Oppositionsführer Keir Starmer warf den Konservativen jedoch vor, gar keinen Plan zu haben, wie sie diese Probleme angehen wollen. Es zeige sich nun klarer als jemals zuvor, wie gespalten die Tory-Partei sei. Die britische Öffentlichkeit habe genug von einem Premierminister, der viel verspreche, aber niemals diese Versprechen halte, sagte der Labour-Chef.
Sogar Parteikollegen werfen ihm Planlosigkeit vor
Es war nicht nur die laxe Haltung gegenüber den eigenen Regeln, die Johnsons Gegner in der eigenen Partei auf die Barrikaden gebracht hat. Der Tory-Abgeordnete und langjährige Johnson-Weggefährte Jesse Norman warf dem Premier unter anderem vor, die Einheit des Landes zu gefährden. Den Konfrontationskurs mit Brüssel in der Nordirland-Frage bezeichnete er als "wirtschaftlich sehr schädlich, politisch töricht und beinahe sicher illegal". Johnsons Plan, Flüchtlinge nach Ruanda abzuschieben, beschrieb er als "hässlich, wahrscheinlich kontraproduktiv und von zweifelhafter Rechtmäßigkeit".
Eine langfristige politische Agenda habe Johnson hingegen nicht. "Stattdessen versuchst du einfach nur Wahlkampf zu betreiben, indem du ständig das Thema wechselst und politische und kulturelle Gräben hauptsächlich zu deinem eigenen Vorteil schaffst", so Norman weiter.
Kritik in der Partei breit gestreut
Ebenfalls zu denken geben sollte Johnson, dass die Rebellion nicht nur von einem Flügel der Partei zu kommen schien. Beispielsweise finden sich unter seinen Kritikern sowohl beinharte Brexit-Anhänger wie der Abgeordnete Steve Baker und Ex-Brexit-Minister David Davis als auch Remainer wie Tobias Ellwood, der kürzlich eine Rückkehr in den EU-Binnenmarkt forderte.
Seit Monaten hatten immer wieder Parteikollegen Johnson öffentlich zum Rücktritt aufgefordert. Der Versuch, ihn aus dem Amt zu jagen, ist nun vorerst gescheitert. Johnson hat zwar noch die Mehrheit der Fraktion hinter sich, doch die Fronten innerhalb der eigenen Partei scheinen so verhärtet, dass ihm das Regieren zunehmend schwer fallen dürfte.
Die nächste Krise für Johnson droht, wenn am 23. Juni in zwei englischen Wahlkreisen Nachwahlen stattfinden. In mindestens einem davon müssen sich die Tories auf eine schwere Niederlage einstellen.