Verkehr
Ampel-Konflikt um Autobahnbau - Umweltverbände machen Front
23. Februar 2023, 11:28 Uhr aktualisiert am 23. Februar 2023, 15:31 Uhr
Mitten in einem andauernden Koalitionsstreit machen Umweltverbände Front gegen den Bau von Autobahnen in Deutschland. In einem vorgelegten Papier von Greenpeace und dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) heißt es, nicht nur die Nutzung von Straßen sei klimaschädlich. "Auch der Bau, Betrieb und Unterhalt der Autobahnen und Bundesstraßen trägt entscheidend zur Verschärfung der Klimakrise bei."
Zusätzliche Autobahnen und Bundesstraßen machten den Straßenverkehr schneller und attraktiver. Sie erhöhten so vor allem die zurückgelegten Entfernungen. Greenpeace-Mobilitätsexpertin Lena Donat sagte, immer mehr Straßen vergrößerten den Klimarückstand des Verkehrs nur noch weiter. Damit Klimaziele im Verkehr erreicht würden, sei ein "Klima-Check" des Bundesverkehrswegeplans unumgänglich. "Bis dahin sollten alle Fernstraßen-Projekte auf Eis gelegt werden." BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock kommentierte, der jetzige Bundesverkehrswegeplan sei unhaltbar. Die Bundesregierung müss es ernst meinen mit dem Klima- und Artenschutz.
In der Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP gibt es seit Wochen Streit um schnellere Planungsverfahren im Verkehr. Kontrahenten sind vor allem die FDP und die Grünen. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) will nicht nur Bahnstrecken und Brücken, sondern auch Autobahnen schneller bauen lassen. Das lehnen die Grünen ab.
Nach der Analyse der Umweltverbände entstehen beim Neu- und Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen deutlich mehr CO2-Emissionen, als der Umweltbericht zum Bundesverkehrswegeplan 2030 ausweise. Allein durch den Bau vordringlicher Fernstraßenprojekte würden über 13.000 Hektar Fläche verbraucht. 250 sogenannte natura-2000-Gebiete würden möglicherweise und 87 wahrscheinlich erheblich beeinträchtigt, auf rund 1000 Kilometern würden bisher zusammenhängende Großtier-Lebensräume neu zerschnitten.
Das sind Argumentationshilfen für die Grünen - damit verbunden ist aber auch eine klare Erwartungshaltung. Die Grünen wollen statt neuer Autobahnen einen Ausbau und mehr Mittel vor allem für das Schienennetz.
Mehr Geld für die Schiene will auch Wissing - er betont aber, auch Autobahnen müssten schneller gebaut werden. Sein vorgeschlagener Weg: Vorhaben, die der Bundesverkehrswegeplan als vordringlich betrachtet, sollen künftig im "überragenden öffentlichen Interesse" liegen. Das soll Genehmigungsverfahren beschleunigen und Gerichtsverfahren abkürzen. Ein überragendes öffentliches Interesse gilt bereits für den Bau etwa von Ökostrom-Anlagen.
Wissing verweist auf eine langfristige Prognose des Verkehrsministeriums. Demnach nimmt bis Mitte des Jahrhunderts der Güterverkehr in Deutschland massiv zu - dabei wachse der Transport auf der Straße überproportional. Die Straße bleibe der wichtigste Verkehrsträger. Das Autobahnnetz in Deutschland umfasst derzeit knapp 13.000 Kilometer.
Die FDP wirft den Grünen vor, einen "ideologischen Kampf" gegen die Straße zu führen. FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner legte beim politischen Aschermittwoch seiner Partei in Dingolfing nach. Nichts sei klimaschädlicher als das Verbrennen von Benzin, weil man im Stau stehe.
Die Frage ist nur, wie der Autobahnstreit gelöst werden kann. Am 5. und 6. März kommt das Kabinett zu einer Klausur auf Schloss Meseberg zusammen, danach könnte es erneut ein Treffen der Koalitionsspitzen geben. Es könnte ein Gesamtpaket geben, auch andere Vorhaben in der Koalition etwa in der Sozial- und Finanzpolitik sind strittig.
Die Grünen drängen vor allem darauf, die Anstrengungen zu verstärken, damit Klimaziele im Verkehr erreicht werden könnten. Die Koalition könnte sich darauf einigen, nur einige besonders wichtige Autobahnprojekte schneller zu bauen, wo es große Engpässe gibt. Oder gibt die FDP im Gegenzug gegen einen schnelleren Autobahnbau am Ende ihren Widerstand gegen die Einführung eines generellen Tempolimits auf?