MdB über den Titanic-Fake
Alois Rainer: „Ein Stück weit bleibt immer was hängen“
15. Juni 2018, 19:43 Uhr aktualisiert am 15. Juni 2018, 19:43 Uhr
Man muss sagen: Der Coup ist dem Titanic-Magazin gelungen. Die Nachricht der Frankfurter Satire-Profis über einen Bruch der CDU/CSU-Fraktion verbreitete sich auch in den sogenannten Leitmedien wie ein Lauffeuer. Darüber, wie die Satire bei den Abgeordneten ankam, und wie nah sich Satire und Wirklichkeit angesichts der angespannten Lage in der Berliner Koalition sind, haben wir mit MdB Alois Rainer aus Haibach im Landkreis Straubing-Bogen gesprochen.
Zu den Hintergründen lesen Sie: Falschmeldung zur Aufkündigung der Koalition,
außerdem unseren Leitartikel Es geht ums Prinzip.
Herr Rainer, konnten Sie eigentlich über die Aktion noch lachen?
Alois Rainer: Ja, eigentlich schon. Ich war zu der Zeit im Bundesfinanzierungsgremium. Dieses Gremium tagt nicht-öffentlich und geheim und da müssen wir auch unsere Handys ausschalten. Dadurch hab ich die Erstmeldung gar nicht gekriegt. Als wir dann fertig waren und zur Abstimmung gingen, habe ich natürlich mein Handy eingeschaltet - da war die Nachricht schon rumgegangen und die Kollegin von Storch (Beatrix von Storch, stellvertretende Vorsitzende der AfD-Fraktion, Anm. d. Redaktion) hat bei einem Redner gleich eine Zwischenfrage gestellt, nach dem Motto: "Was halten Sie davon, dass die Fraktionsgemeinschaft aufgelöst wird?" Da wussten wir allerdings schon, dass es ein Fake ist (lacht). Verwunderlich fand ich es schon, dass auch die großen deutschen Medien, also die "Leitmedien", auf so was hereinfallen. Man weiß doch, was die Titanic so bringt… Ich hab es Gott sei Dank mit einem Lächeln sehen können, weil es schon aufgeklärt war, als ich ins Plenum gekommen bin.
Was die Aktion aber gezeigt hat, ist, wie schnell sich solche Nachrichten verbreiten. Ist das in einer Zeit, in der die öffentliche Debatte bei bestimmten Themen derart überhitzt ist, nicht auch gefährlich?
Natürlich ist das gefährlich. Es gibt ja auch ganz andere Fake News. Das Problem ist: Ein Stück weit bleibt dann immer was hängen. Irgendwas muss ja dran gewesen sein. Ich kann aber berichten, dass wir mit keiner Silbe die Fraktionsgemeinschaft auflösen wollen oder gefährden wollen. Natürlich ist die Situation, die wir jetzt haben, eine Bewährungsprobe für die Fraktionsgemeinschaft. Aber sie ist stark und wir müssen jetzt auch mit offenem Visier arbeiten. Ich war persönlich nicht erfreut darüber, dass die Sitzungen der Landesgruppe und der Fraktion zur gleichen Zeit stattfanden. Aber gut - das hat vielleicht auch einmal sein müssen.
Gewisse Verstimmungen sind also nicht zu leugnen...
Eher Ungeduld. Ich persönlich warte schon lange auf eine Reaktion des Innenministeriums. Die Ansage war: wir bekommen in unter hundert Tagen den Masterplan. Ich will jetzt schon mal wissen, was los ist.
Stichwort Masterplan Asyl. Welche Einblicke konnten Sie bereits in diesen nehmen?
Ich kenne ihn nicht. Nur soviel: Der Punkt "Zurückweisung an der Grenze" sorgt natürlich für Diskussionsstoff, vor allem bei der Kanzlerin. Wir als CSU stehen uneingeschränkt hinter Horst Seehofer. Es geht jetzt eigentlich nur noch um die zwei Wochen, bis der EU-Gipfel vorbei ist. Die CDU will der Kanzlerin diese Zeit geben... (tiefes Seufzen) Ich hab kein Problem damit, aber man müsste halt jetzt schon zusichern: Wenn man die europäische Lösung nicht kriegt, kommt das, was im Masterplan steht. Weil die ganze Kiste einfach schon zu lange dauert. Die Menschen werden unsicher, jeden Tag ist schon bald eine andere Schreckensmeldung in den Nachrichten. Ich hoffe, dass es übers Wochenende noch einen vernünftigen Kompromiss gibt. Wenn nicht, dann gehe ich davon aus, dass Horst Seehofer dann in seiner eigenen Ressortzuständigkeit handeln wird.
… heißt, das Innenministerium wird den Asylplan dann im Alleingang umsetzen?
Meines Erachtens kann Horst Seehofer das in seiner Ressortzuständigkeit. In der Zeit der Flüchtlingskrise 2015 hat man bestimmte Rechte vom Innenministerium weggeholt, mittlerweile läuft das wieder in die andere Richtung. Es ist halt unangenehm, wenn die Kanzlerin nicht dahinter steht. Aber es geht wohl nicht anders.
Mehr zur Stimmungslage in der Unionsfraktion lesen Sie im zweiten Teil.
Rote Linien: "Sonst schaffen wir das Ganze nicht"
Welche rote Linie müsste überschritten werden, damit der Bruch der Fraktion Realität wird?
Es gibt noch keine rote Linie. Für mich persönlich wäre die rote Linie das, was jetzt von der CSU rausgegeben worden ist. Das bedeutet aber nicht, dass die Fraktionsgemeinschaft aufgelöst werden muss. Dadurch würden wir uns selber am meisten schaden. Über bestimmte Themen muss man nochmal in sich gehen, reden, auch streiten - das gehört dazu.
Wieso ist die Auflösung der Fraktionsgemeinschaft keine Option?
Das wäre keine Lösung, sondern wieder nur Stillstand. Es soll ja was weitergehen. Wir sind jetzt dabei, den Haushalt zu verabschieden. Es muss in vielen Bereichen etwas gemacht werden. In der Pflege, in der Rente, beim Familienbaugeld. Das sind so viele Dinge, die wir auf der Tagesordnung haben, die würden auf einmal wieder stehen. Wir haben jetzt eh so lange gebraucht, um in den Arbeitsmodus zu kommen. Für mich wäre es eine Einigung, wenn man sagt, okay, wir warten bis zum europäischen Gipfel, aber wenn es da keine Lösung gibt, die für uns gleichwertig ist mit dem, was im Asylplan steht, dann tritt der am 30. Juni in Kraft.
Was wären für unsere Region die Vorteile am Asylplan. Wie würden Sie ihn in der Heimat "verkaufen"?
Wir haben ja auch schon in der Hochphase der Einwanderung auf Druck der CSU einiges erreicht. Asylpaket I und II, eigentlich wollten wir auf diesem Weg weiter gehen, das war allerdings nicht machbar aus bekannten Gründen. Die Aufgaben sind klar: Man muss diejenigen, die arbeiten wollen und arbeiten können, in Arbeit bringen. Da haben wir Probleme. Zum Teil funktioniert's, zum Teil nicht, aus unterschiedlichen Gründen. Wir müssen diejenigen schnellstmöglich nach Hause schicken, die sich nicht ordentlich aufführen. Vom kleinen Straftäter bis zum großen Kriminellen. Denen muss man sagen: "Freunde, so geht's nicht", und wir müssen dabei schneller werden. Genauso müssen die Regelabschiebungen schneller gehen. Die große Aufgabe in Berlin ist außerdem, das Bamf neu aufzustellen. Diese ganzen Dinge gehen nur, wenn weniger kommen. Es geht nicht um diejenigen, die unsere Hilfe brauchen. Wenn jemand aus einem Kriegsgebiet kommt, wollen und müssen wir helfen. Wenn jemand aus einem sicheren Herkunftsland kommt und sich dazu nicht ordentlich aufführt, dann muss es möglich sein, ihn schnellstmöglich wieder zurückzuschicken. Sonst schaffen wir das Ganze nicht.
Zur aktuellen Lage lesen Sie außerdem: Verhärtete Fronten im Asylstreit der Union.