LEDs statt Autos

Zwischen Siemens und Osram kracht es weiter


Osram-Finanzvorstand Klaus Patzak (l) und der Osram-Vorstandsvorsitzende Olaf Berlien unterhalten sich am 16.02.2016 während der Hauptversammlung der Osram Licht AG im Internationalen Congress Center München (ICM) in München (Bayern).

Osram-Finanzvorstand Klaus Patzak (l) und der Osram-Vorstandsvorsitzende Olaf Berlien unterhalten sich am 16.02.2016 während der Hauptversammlung der Osram Licht AG im Internationalen Congress Center München (ICM) in München (Bayern).

Von Monika Müller

Der Ärger von Siemens-Chef Kaeser und anderer Investoren über Osram schien schon verraucht. Aber auf der Hauptversammlung kam es zum Showdown.

Siemens-Chef Joe Kaeser hat sich gehörig geärgert über Olaf Berlien, den Chef der einstigen Siemens-Lampensparte Osram. Auf der Osram-Hauptversammlung am Dienstag in München bekam Berlien die Quittung: Der größte Aktionär entzog ihm das Vertrauen. Und sorgte damit im Saal für Totenstille und an der Börse für ein kleines Feuerwerk.

Völlig überraschend habe Osram im November eine erfolgreiche Strategie aufgegeben, klagte Siemens-Vertreter Christian Bleiweiß: Statt künftig als Spezialist mit Auto- und Spezialbeleuchtung ordentlich Geld zu verdienen, steige das Unternehmen jetzt ein in das hart umkämpfte Massengeschäft mit einfachen LEDs. Dieser unerwartete Schritt hatte die Osram-Aktie im November an einem Tag um ein Drittel einbrechen lassen: "Das muss an erst einmal fertigbringen" kritisierte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Einen solchen "strategischen Salto mortale" mal so locker nebenbei zu verkünden, sei ein Kommunikationsdesaster.

Aber während Bergdolt die neue Strategie an sich für plausibel erklärte, hält Siemens nichts davon. Nicht nur die Vorbereitung der Investoren und die Bekanntgabe des neuen Kurses seien mangelhaft gewesen. Der Strategieschwenk erhöhe das Risikoprofil von Osram deutlich. Der Bau einer weiteren LED-Fabrik in Malaysia ergebe ein beträchtliches Risiko. Berlien habe den Konzern nicht mit der notwendigen Vorsicht und Umsicht gelenkt. Siemens, mit 17,5 Prozent der Aktien größter Osram-Aktionär, stimme gegen seine Entlastung.

Die Machtprobe kam für viele unerwartet. Die Aktionärsvertreterin, die nach dem Siemens-Rednerin ans Pult trat, rang um Worte: Nach dieser Nachricht müsse sie sich erst einmal sammeln. Siemens hatte durch den Osram-Kursrutsch eine Viertelmilliarde Euro eingebüßt. Aber Siemens-Vorstandsmitglied Roland Busch hatte den Strategieschwenk als stellvertretender Osram-Aufsichtsratschef mit abgesegnet. Und Siemens brachte Osram vor knapp drei Jahren für 24 Euro je Aktie an die Börse - nach dem Kursrutsch stand das Papier bei 38 Euro. Allein 2015 habe die Aktie 18 Prozent zugelegt, verteidigte sich Berlien.

Und auch die Strategie sei richtig. Bei Autolampen sei Osram klar Weltmarktführer und hoch profitabel - aber sich darauf auszuruhen, hätte die Zukunft des Konzerns infrage gestellt. Osrams hochwertige LEDs für Autolampen und die Industrie würden immer schneller von den billigeren Massen-LEDs verdrängt, deshalb müsse das Unternehmen auch dort mitspielen. Sonst lande es bald in einer schrumpfenden Nische.

Deutsche-Bank-Fondsmanager Tim Albrecht lobte: "Heute befindet sich Osram in einer blendenden Verfassung." Ob der überraschende Gang aus der Nische richtig sei, "ob es sich um Mut oder Übermut handelt, wird die Zukunft zeigen". Hoffnung mache, dass Osram aus einer Position der Stärke handle und einige Wettbewerber nicht mehr investierten. Bei einem Preisverfall von 15 Prozent jährlich geht einigen die Luft aus.

Aber für die neue Strategie muss Osram auf jeden Fall erst einmal Milliarden investieren - auf Kosten des Gewinns in naher Zukunft. Nach dem Siemens-Auftritt schoss die Osram-Aktie sechs Prozent hoch. "Die Aktien sind in Reaktion auf die neue Strategie von Berlien um rund 30 Prozent abgerutscht - nun kommt neue Hoffnung auf eine Erholung auf", sagte ein Händler. "Mit Berlien könnte auch die neue Strategie gehen."

Allerdings folgte die Hauptversammlung Siemens nicht: Nur 29 Prozent der Stimmen verweigerte Berlien die Entlastung. Das entspricht genau dem Siemens-Anteil am anwesenden Kapital bei dem Aktionärstreffen.