Interview zum US-Wahlkampf

Trump für Partei „wie Frankensteins Monster“: Warum Hillary Clinton siegen könnte


Professor Stephan Bierling ist der Ansicht, dass Donald Trump im Hauptwahlkampf keine Aussicht auf Erfolg haben wird.

Professor Stephan Bierling ist der Ansicht, dass Donald Trump im Hauptwahlkampf keine Aussicht auf Erfolg haben wird.

Von Monika Müller

Im US-Wahlkampf lichtet sich der Nebel. Aller Voraussicht nach wird Hillary Clinton für die Demokraten ins Rennen ums Weiße Haus gehen. Für die Republikaner tritt Donald Trump an.

Professor Stephan Bierling, Professor für Internationale Politik an der Universität Regensburg, geht davon aus, dass Clinton zur mächtigsten Frau der Welt werden wird. Den Republikanern sagt er im Interview mit unserer Zeitung keine rosige Zukunft voraus.

Herr Bierling, hätten Sie zu Beginn des Vorwahlmarathons darauf gewettet, dass es zu einem Zweikampf zwischen Hillary Clinton und Donald Trump kommen würde?

Bierling: Auf Hillary habe ich gewettet. Auf Trump hat kein Mensch gesetzt - auch nicht die Kollegen aus den USA oder Journalisten, die ganz dicht dran sind am politischen Geschehen.

Warum?

Bierling: Trump ist ein Ausnahmephänomen. Noch nie hat eine der beiden großen Parteien der USA einen Kandidaten mit seinem Profil nominiert: ein TV-Star ohne jede politische Erfahrung, ein Mann, der mit vielen Grundwerten seiner Partei nicht übereinstimmt, wichtige Wählergruppen beleidigt und das gesamte Politik-Establishment diffamiert, alle Anstandsregeln verletzt und unfassbar narzisstisch ist.

Establishment gegen das freie Radikal - wie denken Sie wird sich Amerika am Ende entscheiden?

Bierling: Ich habe schon letzten August eine Flasche sehr guten Brunello gewettet, dass Hillary Clinton Präsidentin der Vereinigten Staaten wird. Dazu stehe ich nach wie vor, aus zwei Gründen. Erstens: Die Wählerkoalition, die Barack Obama für die Demokraten 2008 und 2012 geschmiedet hat - also Frauen, Mitglieder von Minderheiten wie Schwarze, Hispanics und Asiaten, auch junge Wähler - scheint mir so solide, dass sie der Kandidatin der Demokraten eine Mehrheit verschaffen wird. Zweitens: Trump ist im Vorwahlkampf im rechten Lager der Republikanischen Partei und bei früheren Nichtwählern gut angekommen mit seinem vulgären Dampfwalzenstil. Aber im Hauptwahlkampf wollen die Amerikaner etwas anderes. Dort wollen sie Kompetenz und Berechenbarkeit - beides kann Trump nicht bieten.

Trump hat sich mit fast jeder Gruppe angelegt, Frauen, Einwanderer, Latinos, Schwarze, Moslems. Wird ihm das nicht sehr schaden?

Bierling: Natürlich. Er hat im Grunde all die Gruppen, die ohnehin schon mehrheitlich dazu neigen, die Republikaner nicht zu wählen, weiter verprellt. Trumps Beleidigungskampagne wird dazu führen, dass viele Vertreter dieser Gruppen am Wahltag auch wirklich ins Wahllokal gehen und ihre Stimme gegen ihn abgeben. Trump ist insofern der beste Mobilisator für Clinton, den man sich vorstellen kann.

Angesichts des Massakers von Orlando lehnt Trump strengere Waffenkontrollen ab und will Muslimen die Einreise in die USA erschweren oder verweigern. Sind solche Vorstellungen realistisch?

Bierling: So was kann er gar nicht durchsetzen. Genauso wenig wie die Abschiebung von elf Millionen illegal in den USA lebenden Migranten. Das ist schon logistisch unmöglich. Zudem bräuchte er die Zustimmung der beiden Häuser des Kongresses. Es ist unwahrscheinlich, dass ihm selbst Republikaner in dieser Frage folgen werden, von den Demokraten ganz zu schweigen. Es ist so wie immer bei Trump: großmäulige Ankündigungen, die er in der Realität nicht wird einhalten können. Als Präsident würde er also schnell auch seine engsten Unterstützer verlieren, weil er nicht tun kann, was er verspricht.

Was würde ein Erfolg Trumps für die Republikaner bedeuten? Die Partei wollte ihn ja als Kandidaten verhindern.

Bierling: Für die Republikaner, die Trump durch ihre konfrontative und ideologische Politik mit geschaffen haben, ist er wie Frankensteins Monster, das sie jetzt nicht mehr kontrollieren können. Die Republikaner sind in einer katastrophalen Lage. Wenn Trump auch noch Präsident würde, so würde das auf eine Spaltung der Partei hinauslaufen, weil ihm im Kongress viele Republikaner die Gefolgschaft verweigern würden. Es könnte zu einer Neuordnung des amerikanischen Parteiensystems kommen, bei dem sich die Republikanische Partei spalten könnte.

Bei Clinton scheint relativ sicher, worauf man sich einzustellen hat. Bei Trump sieht das anders aus. Viel an konsistenten Vorhaben bietet er bislang kaum. Ist er vor allem außenpolitisch wirklich diese Wundertüte?

Bierling: Nicht ganz. Bei Trump kann man nämlich eine durchgängige Linie feststellen: Isolationismus und Xenophobie - ein Rückzug auf die USA und das Verunglimpfen alles Fremden, vor allem was aus der asiatischen und muslimischen Welt kommt, als Bedrohung. Viele Amerikaner sind seit den langwierigen und kostspieligen Interventionen im Irak und in Afghanistan der großen außenpolitischen Vorhaben überdrüssig. Diese Rückwendung auf die amerikanische Innenpolitik haben wir schon bei Obama erlebt. Trump würde diesen Rückzug der USA aus der Welt dramatisch steigern, bis dahin, dass er die Nato und Schutzgarantien Washingtons für wichtige Bündnispartner infrage stellt. Das würde zu einem Vakuum führen, in das üble Kräfte wie Kremlchef Wladimir Putin vorstoßen könnten. Im Mittleren Osten erleben wir das ja mit dem IS und den Taliban bereits. Ohne amerikanisches Engagement werden viele Regionen dieser Welt instabiler. Und die Europäer sind zu schwach und zerstritten, um diese Aufgaben zu übernehmen.

Wo sehen Sie bei Hillary Clinton die größten Schwächen?

Bierling: Ihre größte Schwäche ist wahrscheinlich, dass sie Teil des Establishments ist und dass sie persönlich nicht als absolut vertrauenswürdig gilt. Die Eliten haben ein massives Glaubwürdigkeitsproblem, wie die Erfolge von Trump und Bernie Sanders zeigen, und Clinton ist halt die Kandidatin der alten Eliten schlechthin. Außerdem haben die Clintons schon lang den Ruf, nicht immer sauber zwischen privatem und öffentlichem Geschäft zu unterscheiden. Inhaltlich musste Clinton im Vorwahlkampf einige Positionen revidieren, etwa beim Freihandel, von dem sie abgerückt ist. Das halte ich für eine Schwäche, weil das Freihandelsabkommen von überragender Bedeutung ist, gerade um die europäisch-amerikanischen Beziehungen zu stärken. In Steuer- und Finanzfragen wird sie wohl einen populistischeren, linkeren Kurs fahren, als Amerika guttut.

Welche Angriffspunkte hat Clinton, um ihren Konkurrenten zu attackieren?

Bierling: Trumps Stärke im Vorwahlkampf war, dass er eine große Gruppe wütender älterer weißer Männer für sich mobilisieren konnte mit seinem Machismo und seinen fremdenfeindlichen Ausfällen. Aber im Hauptwahlkampf wird jedem klar, dieser Mann/diese Frau sitzt ab dem 20. Januar 2017 am nuklearen Drücker und entscheidet über Militäreinsätze. Da ist Trump einfach den meisten zu unberechenbar. Dies wird die Amerikaner in die Arme von Hillary Clinton treiben, wenn auch nicht mit überschwänglicher Freude.

Das amerikanische Regierungssystem kennt viele Kontrollmechanismen, um die Macht Einzelner nicht zu groß werden zu lassen. Das gilt auch für den Präsidenten. Was wird also von den Wahlversprechungen übrig bleiben?

Bierling: Wahlversprechen kann man als Bürger nur als Absichtserklärung verstehen, denn in der politischen Praxis muss sich ein Präsident mit anderen Kräften arrangieren. Wir wissen nicht, wie die Kongresswahlen ausgehen werden. Allerdings ist es sehr unwahrscheinlich, dass eine Präsidentin Clinton mit großen demokratischen Mehrheiten im Kongress zusammenarbeiten können wird. Sie muss ihre Wahlversprechen also mit den Republikanern oder konservativeren Gruppen in der eigenen Partei abstimmen. Die reine Lehre findet sich in der Regierungspraxis nie wieder. So ist Demokratie halt, und das hat ja auch was sehr Beruhigendes.