Strafvollzug

Platz- und Personalmangel führen zu Entlassungen aus Haft

Deutschlands Justizsystem hat zu wenig Personal. Vermehrt werden deshalb Verdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen. In Berlin sorgt der Fall eines freigelassenen Verurteilten für Aufregung.


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Ein Wachturm der Justizvollzugsanstalt (JVA) Berlin-Moabit. Es gibt eine wachsende Zahl von Verdächtigen, die wegen zu langer Strafverfahren aus der Untersuchungshaft entlassen werden müssen.

Zu wenig Personal, komplexe Strafverfahren und Platzmangel: Obwohl es teils um schwerwiegende Straftaten geht, gibt es eine wachsende Zahl von Verdächtigen, die wegen zu langer Verfahren aus der Untersuchungshaft entlassen werden müssen. In Berlin führte Platzmangel dazu, dass ein verurteiltes Clan-Mitglied vorzeitig aus der Haft entlassen wurde. Im Maßregelvollzug sei kein Platz frei gewesen, hieß es am Sonntag von der Berliner Staatsanwaltschaft.

Der Mann war im September 2021 nach einem Geldtransporter-Überfall wegen des besonders schweren Raubes und der gefährlichen Körperverletzung zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Der Beschluss zur Haftentlassung stammt vom 3. Februar 2023, wie eine Behördensprecherin nun erklärte. "Der Verurteilte war dann mit sofortiger Wirkung aus der Haft zu entlassen." Zuvor hatten "Spiegel TV" und "Tagesspiegel" berichtet.

Der Verurteilte sollte laut Urteil wegen Drogenproblemen nach einer bestimmten Haftzeit in den Maßregelvollzug kommen. "Die Überführung scheiterte daran, dass das Krankenhaus des Maßregelvollzugs regelmäßig rückmeldete, noch keine Kapazitäten zu haben, auf die Warteliste verwies und bis Mitte Januar 2023 eine Aufnahme in den Maßregelvollzug nicht absehbar war", teilte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft mit. Man habe das Clan-Mitglied nicht länger in Haft halten können. Die restliche Strafe des Verurteilten verfällt durch die Freilassung aber nicht, wie die Sprecherin sagte. Er werde zu gegebener Zeit wieder vorgeladen.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft ist das kein reines Berliner Problem. Eine Verlegung in ein anderes Bundesland sei zwar theoretisch möglich gewesen, die Situation dort sei aber "vergleichbar schwierig".

Für weitere Probleme bei der Justiz sorgt, dass Strafverfahren zunehmend lange dauern. Die Zahl der Verdächtigen, die deswegen aus der Untersuchungshaft entlassen werden müssen, wächst. Im vergangenen Jahr kamen bundesweit mindestens 73 Menschen wegen einer zu langen Verfahrensdauer frei, wie aus Zahlen des Deutschen Richterbundes hervorgeht, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen.

2021 hatten die Justizverwaltungen der Länder demnach 66 Fälle gemeldet, 2020 waren es 40. Der Richterbund sieht als Ursache für die Entwicklung zunehmend komplexe Strafverfahren, aber auch einen Personalmangel bei Staatsanwaltschaft und Gerichten.

In den zurückliegenden fünf Jahren sind den Angaben zufolge mehr als 300 Verdächtige aus der U-Haft entlassen worden, weil die Verfahren zu lange dauerten. Der Verband bezieht sich bei den Angaben auf eine Umfrage der "Deutschen Richterzeitung" bei den Justizministerien und Oberlandesgerichten der 16 Länder.

Demnach hat Bayern für 2022 mit 15 aufgehobenen Haftbefehlen die höchste Zahl gemeldet. Berlin meldete nach den Daten der "Deutschen Richterzeitung" für 2022 wie im Vorjahr 9 Fälle, die Berliner Justizverwaltung sprach dagegen für 2021 von 8 Fällen.