EU-Gipfel
Österreichs Flüchtlingsobergrenze und Grundrechtediskussionen schüren Spannungen
18. Februar 2016, 16:21 Uhr aktualisiert am 18. Februar 2016, 16:21 Uhr
Wegen der Flüchtlingsströme nach Europa gibt es schwere Spannungen beim EU-Gipfel. Dabei gerät Österreich in die Kritik. Bei den Verhandlungen zum Abwenden eines "Brexits" gibt es einen vorsichtigen Optimismus.
Flüchtlingsobergrenzen in Österreich sorgen für schweren Ärger beim EU-Gipfel. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sagte am Donnerstag unmittelbar vor Beginn des Spitzentreffens, seine Behörde zweifele die Vereinbarkeit mit europäischem Recht an. Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen in der Flüchtlingskrise ein Ende der "Politik des Durchwinkens" fordern - das geht aus der vorbereiteten Gipfel-Abschlusserklärung hervor. Eine Einigung über die von London geforderten EU-Reformen zur Verhinderung eines "Brexits" schien möglich.
Die Begrenzung der Zahl von Asylanträgen in Österreich sei nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention, der Genfer Konvention sowie mit Artikel 18 der EU-Grundrechtecharta vereinbar, schrieb EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos an die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Die Maßnahmen müssten überdacht werden. Das Schreiben liegt der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel vor.
Die Regierung in Wien hatte zuvor Tagesobergrenzen von 3200 Flüchtlingen festgelegt, die nach Deutschland weiterreisen wollen. Zudem ist für Österreich eine Höchstzahl von täglich 80 Asylanträgen an der Südgrenze geplant. Damit soll die Jahres-Obergrenze von 37 500 Asylbewerbern eingehalten werden. Die Kommission kritisiert nicht nur die Beschränkung von Asylanträgen, sondern auch die geplante Transitregelung.
"Andere sorgen...manchmal für Überraschungen. Auch über die Überraschungen der letzten Tage werden wir uns zu unterhalten haben", sagte Juncker am Donnerstag. Es solle eine Debatte mit dem österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann geben. Der Gipfel sieht laut vorbereiteter Abschlusserklärung die Flüchtlingsbewegungen auf der Balkanroute mit "tiefer Besorgnis". Auch mögliche Entwicklungen auf anderen Wegen müssten beobachtet werden, um gegebenenfalls schnell reagieren zu können.
Die "Politik des Durchwinkens" - also das Weiterreichen von Flüchtlingen an Nachbarstaaten - ist eines der Kernprobleme der Flüchtlingskrise. Die Anrainerstaaten der Balkanroute benannten es bei ihrem Treffen Ende Oktober, auch die EU-Kommission kritisiert den Ansatz immer wieder.
Die Gipfel-Teilnehmer wollten die Bedeutung des Schutzes der EU-Außengrenzen betonen. Die 26 Mitgliedsstaaten des eigentlich grenzkontrollfreien Schengen-Raums müssten zu einer Situation zurückkehren, in der sie dessen Regeln wieder anwendeten, heißt es. In der Flüchtlingskrise führten mehrere Staaten wieder Grenzkontrollen ein. Die 28 EU-Staats- und Regierungschefs wollten zunächst über das Reformpaket für Großbritannien beraten, um einen Austritt des Landes aus der Union abzuwenden. EU-Gipfelchef Donald Tusk sagte: "Wir sind mitten in sehr schwierigen und sensiblen Verhandlungen über die Frage des Vereinigten Königreichs." Beim Gipfel werde es "um alles oder nichts" gehen.
"Die Sache ist noch nicht gelaufen. Aber sie wird am Ende des Tages gelaufen sein", sagte Juncker. Es gebe aber noch erheblichen Gesprächsbedarf.
Großbritanniens Premier David Cameron kündigte an, er werde für sein Land kämpfen. Qualität gehe vor Schnelligkeit: "Wenn wir eine gute Vereinbarung bekommen, werde ich diesen Deal annehmen - aber ich werde keinen Deal annehmen, der unseren Bedürfnissen nicht entspricht". Cameron will seine Landsleute womöglich noch im Juni über die weitere EU-Mitgliedschaft abstimmen lassen. Als besonders heikel galten bis zuletzt die Forderungen Großbritanniens, zugewanderten EU-Bürgern bestimmte Sozialleistungen für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vorenthalten zu können. Besonders umstritten sind dabei Kindergeldzahlungen.
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