Not-OP nach Messer-Attacke

Mordanschlag am Wahlkampfstand: 44-Jähriger sticht auf OB-Kandidatin ein


Der Wagen der OB-Kandidatin Henriette Reker am Tatort. Ein Mann hat die Politikerin mit einem Messer schwer verletzt, sie wurde im Krankenhaus notoperiert.

Der Wagen der OB-Kandidatin Henriette Reker am Tatort. Ein Mann hat die Politikerin mit einem Messer schwer verletzt, sie wurde im Krankenhaus notoperiert.

Von Manfred Fischer / Onlineredaktion

Die Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker ist einen Tag vor der Wahl bei einem Messerangriff auf einem Wochenmarkt schwer verletzt worden. Ein 44-jähriger Mann attackierte die parteilose Politikerin am Samstagmorgen mit einem langem Messer an einem Wahlkampfstand der CDU. Reker, die Kölner Sozialdezernentin ist, wurde nach Angaben der Stadt durch einen Stich in den Hals schwer, aber nicht lebensbedrohlich verletzt und kurz darauf operiert.

Auch vier weitere Personen erlitten Verletzungen. Der Angreifer wurde noch am Tatort festgenommen, Kriminalpolizei und eine Mordkommission ermitteln. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) sprach von "ersten Anzeichen für eine politisch motivierte Tat". In die Ermittlungen sei auch der NRW-Verfassungsschutz mit eingebunden.

Die Wahl findet trotz des Attentats wie geplant am Sonntag statt. Wahlleiterin Gabriele Klug appellierte an die Kölner, nach dem Angriff auf Reker auf jeden Fall wählen zu gehen.

Die Messerattacke löste über die Parteigrenzen hinweg Entsetzen aus. Die Parteien stellten den Wahlkampf ein. Ein parteiübergreifendes Bündnis rief zu einer Solidaritätskundgebung für die Opfer in der Innenstadt Kölns auf. Reker wurde in die Uniklinik Köln gebracht und dort nach Angaben des amtierenden Kölner Oberbürgermeisters Jürgen Roters (SPD) operiert. "Wir hoffen, dass die Operation gut verläuft und es ihr möglichst bald wieder gut geht", sagte er.

Motiv: Flüchtlingspolitik

Nach übereinstimmenden Medienberichten soll der Angreifer als Motiv die deutsche Flüchtlingspolitik genannt haben. Am Tatort und später im Streifenwagen auf dem Weg zur Polizeiwache habe er gesagt, mit der Flüchtlingspolitik von Reker und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht einverstanden zu sein, berichteten mehrere Medien unter Berufung auf Polizeikreise.

Nach der Messerattacke kam es am Tatort zu dramatischen Szenen. Helfer versuchten, den Täter mithilfe von Partei-Sonnenschirmen zu überwältigen, die an dem Stand aufgestellt waren, berichtete der "Kölner Stadt-Anzeiger" unter Berufung auf Augenzeugen. "Der Mann stach mit einem etwa 20 Zentimeter langem Messer um sich", sagte das Kölner CDU-Ratsmitglied Jürgen Strahl dem Kölner "Express". Er sprach von einem "gezielten Angriff" auf Reker. Sie sei von einer 20 Zentimeter langen Klinge am Hals getroffen und an der Luftröhre verletzt worden, hieß es.

Der Kölner CDU-Vorsitzende Bernd Petelkau, der ebenfalls Augenzeuge des Angriffs im Stadtteil Braunsfeld war, sagte der "Rheinischen Post" hingegen, der Angreifer habe Reker mit einem Messer in den Bauch gestochen. Vor dem Angriff habe der Mann gerufen: "Ich rette Messias. Das ist alles falsch, was hier läuft, ich befreie Euch von solchen Leuten." Nach der Attacke sei er dann ganz ruhig stehengeblieben und habe gesagt: "Ich musste es tun. Ich schütze Euch alle."

"Anschlag auf die Demokratie"

Die parteilose Reker wird von CDU, Grünen und FDP unterstützt und liegt laut einer jüngsten Umfrage im Rennen um die Macht im Rathaus vorn. Rekers SPD-Konkurrent Jochen Ott schrieb bei Facebook: "Ab sofort werde ich meinen Wahlkampf unterbrechen, bis ich weitere Informationen über ihren Gesundheitszustand habe."

Eigentlich sollte schon Mitte September in der viertgrößten deutschen Stadt gewählt werden. Die Bezirksregierung hatte aber die Stimmzettel beanstandet, das Votum wurde um fünf Wochen verschoben. Politiker zeigten sich über die Parteigrenzen hinweg fassungslos über den Angriff auf Reker. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte die Tat und erkundigte sich in einem Telefonat bei NRW-CDU-Chef Armin Laschet nach dem Gesundheitszustand Rekers, wie eine Regierungssprecherin mitteilte. Auch Justizminister Heiko Maas (SPD) und Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) verurteilten die Tat.

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) erklärte: "Diese feige und verabscheuungswürdige Tat ist auch ein Anschlag auf die Demokratie in unserem Land und damit auf uns alle." Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki erklärte: "Es ist erschütternd, dass eine solch sinnlose Gewalttat den Wahlkampf überschattet."