AZ-Interview mit Silke Hansen
Meteorologie-Expertin: "Wetter ist so faszinierend!"
20. Juni 2020, 6:00 Uhr aktualisiert am 20. Juni 2020, 6:00 Uhr
Silke Hansen ist Expertin auf dem Gebiet der Meteorologie - und teilt ihr Wissen jetzt in einem neuen Buch. Die AZ hat mit ihr - na klar - übers Wetter geredet.
München - Über kaum ein anderes Thema wird so viel Small Talk geführt wie über das Wetter. Besonders beliebt ist freilich die Vorschau am Ende der Tagesschau, wenn es allabendlich heißt: "Und jetzt das Wetter". Eine Expertin in Sachen Sonne, Wind und Wolken ist Silke Hansen. Sie macht die beliebte ARD-Wettervorhersage.
Jetzt hat sie ein kurzweiliges Buch darüber veröffentlicht. Die AZ hat mir ihr gesprochen - und liefert Ihnen ein paar spannende Fakten aus der Welt der Meteorologie für Ihren nächsten Plausch.
AZ: Frau Hansen, was fesselt Sie so sehr am Wetter, dass Sie ihm Ihr ganzes (Berufs-)Leben gewidmet haben?
Silke Hansen: Wetter ist einfach unglaublich faszinierend. Es ist immer da. Es hat auf fast jeden Bereich unseres Lebens Einfluss. Wetter und seine Auswirkungen - das hat so viele spannende, unterhaltsame, interessante, überraschende Facetten.
Das stimmt - und die wenigsten verstehen diese Überraschungen.
Es hat mich immer gereizt zu wissen, wie das mit dem Wetter funktioniert. Es ist aufregend, es vorhersagen zu können und es macht großen Spaß, es zu erklären.
Was war Ihr faszinierendstes Wettererlebnis?
Ich habe mal einen Medicane erlebt, einen Hurrikan im Mittelmeer. 24 Stunden hat es wie aus Eimern geschüttet - unglaublich. Wie bei einem Monsun in Asien. Und dann ganz plötzlich riss der Himmel auf und wurde strahlend blau. Innerhalb von 15 Minuten waren alle Wolken weg und die Sonne schien - das Auge des Sturms. Ich war in dieser Zeit mit Freunden unterwegs. Wir sind alle rausgelaufen und haben völlig fasziniert an den Himmel gestarrt. Spätestens in einer solchen Situation will man doch unbedingt wissen, wie das funktioniert.
Klimawandel: "Viele begreifen nicht, wie ernst die Lage ist"
Machen Sie sich wegen des Klimawandels auch Sorgen um das Wetter?
Ich mache mir große Sorgen um das Wetter und darüber, dass viele nicht begreifen, wie ernst die Lage ist. Dabei sieht man ja schon deutlich, wo es hingeht. Höhere Temperaturen, dadurch mehr Feuchtigkeit in der Atmosphäre, das hat schon jetzt seine Auswirkungen.
Manche sagen ja, Gewitter hat es immer schon gegeben...
Natürlich hat es auch früher schon schwere Unwetter gegeben und lange Dürreperioden. Aber im Moment häuft es sich doch sehr. Das ist, wie wenn man würfelt. Wenn einmal die 1 fällt, macht man sich keine Gedanken. Beim zweiten oder dritten Mal hintereinander, fragt man sich schon irgendwie, was da los ist. Wenn sieben oder acht Mal nacheinander die 1 fällt, sollte man begreifen, dass mit dem Würfel was nicht stimmt. Und da sind wir jetzt. Das, was wir jetzt erleben, ist erst der Anfang des Klimawandels und der ist schon erschreckend.
Welches Wetter mögen Sie am liebsten - und warum?
Es gibt zwei Wetter, die ich besonders gerne mag. Zum einen finde ich es toll, wenn es im Winter nachts schneit. Ich finde, das hat einen ganz besonderen Zauber. Je nachdem, was es für Schneeflocken sind - die sehen ja je nach Temperatur alle anders aus - glitzert der ganze Himmel, wenn sie fallen. Vor allem die Schneeflocken, die bei Temperaturen um minus 10 Grad entstehen, finde ich toll. Die sehen aus wie kleine Sterne und glitzern deswegen ganz besonders schön.
Und im Sommer?
Im Sommer mag ich blauen Himmel mit ein paar kleinen weißen Wolken, Temperaturen um 20 Grad und einen leichten Wind vom Meer her. Nicht zu warm, nicht zu kalt und trocken - das ist privat für mich perfekt. Beruflich ist das allerdings ziemlich langweilig.
"...und jetzt das Wetter" - Die beliebteste Minute der Tagesschau (160 Seiten, 19,90 €) von Silke Hansen ist im Delius-Klasing Verlag erschienen.
Wetter: Fünf Fragen und Antworten rund um Wolken, Regen und Wind
"Urban Breeze" - was ist das?
Was irgendwie wie der Name eines süßherben Cocktails klingt, ist ein spezieller Düseneffekt, erklärt Silke Hansen in ihrem Wetter-Buch: Wenn Wind durch eine besonders schmale Stelle muss, etwa zwischen Hochhäusern, entsteht ein Düseneffekt. Dabei wird der Luftstrom verengt und dadurch beschleunigt, schreibt sie. So kann es zwischen den Häusern durchaus stürmisch sein, selbst, wenn in der restlichen Stadt nur leichter Wind weht. Dieses Phänomen ist im Großen dafür verantwortlich, dass Tarifa im Süden Spaniens das Traumziel vieler Surfer ist. Dort, an der schmalsten Stelle zwischen Europa und Afrika, gibt es laut Hansen an über 300 Tagen im Jahr kräftigen Wind.
Ab wann wächst Rasen?
Die Maßeinheit für Temperatur ist hier in Deutschland, wie in vielen anderen Ländern, Celsius, benannt nach dem schwedischen Physiker Anders Celsius. Die Temperatur ist entscheidend für vieles, was sich in der Natur abspielt, schreibt Hansen. So fliegen Hummeln beispielsweise schon bei Lufttemperaturen ab 2 Grad Celsius, Bienen mögen's ein bisserl wärmer - sie sind ab 8 Grad aktiv. Und der Rasen wächst, wenn es zwischen 10 und 18 Grad hat.
Wie entstehen Wolken?
Obacht, jetzt gibt's ein bisserl Physik-Nachhilfe: Denn um zu verstehen, wie Wolken entstehen, muss man vier Dinge wissen, schreibt Silke Hansen: 1. Warme Luft steigt auf. 2. Luft, die aufsteigt, kühlt ab. 3. Kalte Luft kann weniger Wasser speichern als warme Luft. 4. Das Wasser kondensiert aus und es bilden sich Wolken und Regen. Wasserdampf, so Hansen, ist immer in der Luft. Mal mehr, mal weniger. Wenn die Luft kühler wird, muss das Wasser irgendwo hin, das die Luft nicht mehr so gut speichern kann - es kondensiert und bildet Wolken.
Hält das Wetter noch oder nicht?
Stellt man sich diese Frage beim Blick auf Quellwolken am Sommerhimmel, gibt es eine einfache Faustregel, schreibt die Wetter-Expertin: Ist der Abstand zwischen Wolkenunterseite und Wolkenoberseite kleiner als zwischen Wolkenunterseite und Erdboden, "muss man sich keine Sorgen machen", so Hansen. Diese Wolken seien meist harmlos.
Welche Tiere sind Wetterboten?
Sie denken an Schwalben oder Frösche? Ja, aber eigentlich sind es Mücken, die letztlich dafür sorgten, dass im deutschsprachigen Raum der Mythos vom "Wetterfrosch" entstanden ist, schreibt Silke Hansen. Denn je nach Luftdruck fliegen die Mücken, die Nahrung von Schwalben oder eben Fröschen, hoch oder tief. Herrscht Hochdruck und damit schönes Wetter, werden die Tierchen von den aufsteigenden Luftmassen nach oben getragen. Die kleinen Insekten sieht man schlecht, die Vögel oder auf Pflanzen hochkletternde Amphibien freilich besser.
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