Nach den Anschlägen

Mehr Überwachung oder weiter wie bisher? Die Pressestimmen zur Angst vor dem Terror


Bedeutet mehr Überwachung auch automatisch mehr Sicherheit?

Bedeutet mehr Überwachung auch automatisch mehr Sicherheit?

Vor einer Woche Paris, nun Bamako: In einem Hotel in der Hauptstadt von Mali haben am Freitag islamistische Terroristen zahlreiche Menschen als Geiseln genommen. Mindestens 20 von ihnen kamen ums Leben. Auch in Deutschland geht die Angst vor Terroranschlägen um. Wie kann man solche Blutbäder verhindern? Darüber gehen die Meinungen auseinander. Bedeutet mehr Überwachung auch wirklich mehr Sicherheit? Die Pressestimmen:

Süddeutsche Zeitung: "Die westliche Heuchelei ist kontraproduktiv"
Die Bedrohung, unter welcher der Westen leidet, ist kein reiner Importartikel aus dem islamischen Orient. Die westlichen Staaten sind als Zulieferer beteiligt, schon allein wegen der Waffenbrüderschaft mit Saudi-Arabien, dessen religiöse Staatsideologie und Glaubenspraxis sich nur in Nuancen von denen des IS unterscheiden. Die westliche Heuchelei ist kontraproduktiv. Obwohl die Attentäter des 11. September 2001 fast alle aus dem Königreich Saudi-Arabien stammten, überzog Bush den Irak mit Krieg, einen Staat, der mit 9/11 nichts zu tun hatte. Peter Ustinov, der nicht nur ein begnadeter Komödiant war, sondern auch Sinn für Satire hatte, sagte einmal: "Terrorismus ist der Krieg der Armen, Krieg ist der Terrorismus der Reichen."

Trierischer Volksfreund: "Unsere Freiheit ist die größte Beleidigung"
Nach einer aktuellen Umfrage haben 84 Prozent der Franzosen keine Probleme mit einer weiteren Einschränkung ihrer Grundrechte, in Deutschland sieht es ähnlich aus. Dabei ist es doch genau das, was die Terroristen wollen. Unsere Freiheit ist die größte Beleidigung für diese Art radikal religiös motivierter Verbrechen. Die vorbeugende Absage von Großveranstaltungen, wie beispielsweise Rockkonzerten und Bundesligaspielen, oder eine Bundeswehr, die schwer bewaffnet über unsere Weihnachtsmärkte patrouilliert, wäre genau der Erfolg, den sich die Terrorplaner des Islamischen Staates wünschen.

Die Welt: "Man wird sich an mehr Kontrollen gewöhnen müssen"
Vor einer Woche Paris. Jetzt Bamako. Im Radisson-Hotel nahmen islamische Terroristen Menschen aus aller Welt als Geisel. Muslimische Soldaten und Polizisten aus Mali haben sie in Zusammenarbeit mit Spezialkräften aus Frankreich und den USA gerettet. Dieses Mal konnte ein Blutbad verhindert werden. Wann kommt der nächste Angriff? Und wo? Europa kann sich in dieser Situation nicht einigeln. Es genügt nicht, die Grenzen dicht zu machen, auch wenn Europas Außengrenzen in der Tat aufhören müssen, porös zu sein. Es genügt nicht, zu sagen, dass man sein gewohntes Leben weiter führen will. Das wird nicht gehen. Man wird sich zuhause an mehr Kontrollen gewöhnen müssen, an den Blick in die Handtasche und den Rucksack, an mehr Waffen auf der Straße und vor wichtigen Zielen: Kinos, Supermärkte, Nachtclubs, Stadien. Permanent.

Straubinger Tagblatt: "Ohne Russland wird es keine Lösung geben"
Die Bedrohung durch den IS hat dazu geführt, wieder etwas klarer zu sehen: Der Westen und Russland haben weit mehr gemeinsame Interessen, als sie zuletzt wahrhaben wollten. Aufgrund der völkerrechtswidrigen Annexion der Halbinsel Krim hat der Westen Sanktionen gegen Russland in Gang gesetzt und Putin aus dem Kreis der G 8 ausgeschlossen. Doch je mehr der russische Präsident geschmäht wurde, umso mehr trieb er umgekehrt den Westen vor sich her: zündelte weiter in der Ukraine, suchte den Schulterschluss mit China, eskalierte die Situation in Syrien. Ohne Russland werde es in vielen Konfliktregionen keine Lösung geben, war seither aus Kreisen internationaler Politiker immer wieder zu hören. Jetzt scheint der Westen wieder auf Russland zuzugehen.

Frankfurter Rundschau: "Ist dies nicht das, was die Terroristen bezwecken?"
Nach den Anschlägen von Paris sind reflexartige Reaktionen erkennbar - und erinnern an die Welt nach dem 11. September 2001. Neun von zehn Deutschen befürworten verschärfte Sicherheitsmaßnahmen. Eine zu starke Beeinträchtigung der Grundrechte befürworten dagegen nur fünf Prozent. Verstärkte Kontrollen in Fußballstadien sind hinnehmbar. Wer Klassenfahrten nach Berlin absagt, dürfte in aller Konsequenz seine Kinder auch in Frankfurt, Halle oder Köln nicht auf die Straße lassen. Vermeiden müssen wir die Entwicklung, welche die USA unter George W. Bush genommen haben: das immer weitere Schleifen von Bürgerrechten - ohne dass es einen Beleg gäbe, dass die Sicherheit dadurch gewachsen wäre. Bei jeder Maßnahme müssen wir uns fragen: Macht sie unser Leben unverhältnismäßig eng, beschneidet sie unsere Freiheit zu sehr? Und ist dies nicht das, was die Terroristen bezwecken?