AZ hat mit Imker gesprochen

Machen Bienenstiche gegen Corona immun?


Viele Menschen haben mehr Angst von einer Hornisse gestochen zu werden. Dabei ist die Honigbiene weitaus giftiger.

Viele Menschen haben mehr Angst von einer Hornisse gestochen zu werden. Dabei ist die Honigbiene weitaus giftiger.

Von Steffen Trunk

Laut einer Umfrage in China ist von 5.000 befragten Imkern keiner an dem Virus erkrankt - was ist dran an der Sache ? Die AZ hat nachgefragt.

Jena - Gibt es möglicherweise einen Zusammenhang zwischen der Reaktion auf Bienengift und einer Coronavirusinfektion? Das wollen drei deutsche Ärzte nun herausfinden.

Der Hintergrund: In China hat der Imkerverband bereits Anfang März 5.115 Imker befragt, davon 723 aus der besonders von Covid-19 betroffenen Region Wuhan: Keiner der Imker habe Covid-19-Symptome gehabt, obwohl einige von ihnen Kontakt zu infizierten Personen hatten. Ein Bericht über die Studie erschien Ende April in der Zeitschrift "Toxicon". Die Verfasser vermuten, dass die Imker durch Bienengift eine Toleranz gegen das Corona-Virus aufgebaut haben.

Hilft Bienengift gegen Corona?

Die deutschen Ärzte Karsten Münstedt, Heidrun Männle und Jutta Hübner haben in Kooperation mit der Universität Jena einen Fragebogen erstellt und rufen Imker dazu auf, an der Umfrage teilzunehmen, wenn sie selbst an Corona erkrankt waren oder Kontakt zu infizierten Personen hatten.

Auch Johannes Selmansberger, stellvertretender Vorsitzender der Bund Naturschutz-Kreisgruppe Landshut und selbst Imker, hat einen Fragebogen bekommen, den er jedoch nicht ausfüllen wird. "Weil ich keinen Kontakt mit erkrankten Personen hatte." Der 65-Jährige weiß um die Effekte von Bienengift: "Es wird mit Sicherheit das Immunsystem des Menschen beeinflussen."

Imker Johannes Selmansberger hat 20 Bienenvölker. Er arbeitet ohne Gesichtsschutz und Handschuhe und wird daher öfters gestochen

Imker Johannes Selmansberger hat 20 Bienenvölker. Er arbeitet ohne Gesichtsschutz und Handschuhe und wird daher öfters gestochen

Ob Bienengift aber auch gegen Corona helfen kann, dazu könne er keine Aussage machen. "Bislang ist es nur eine Vermutung, die stimmen oder nicht stimmen kann." Mit Spekulationen will sich Selmansberger zurückhalten. "Im Zusammenhang mit Corona wird viel Mist erzählt."

Mediziner über China-Studie: "Rätselhaft"

Ein Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie am Lakumed Krankenhaus Landshut-Achdorf und selbst seit Kurzem Imker, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte, hat sich mit der Studie aus China auseinandergesetzt. "Das Paper klingt sehr anekdotisch und rätselhaft", sagt er.

Der Mediziner bestätigt, dass Bienengift eine Modulation des Immunsystems auf T-Zellen, die zur Zellgruppe der Lymphozyten gehören, verursacht. Aber die Behauptung, dass keiner der Imker erkrankt ist, obwohl sie Kontakt zu Infizierten hatten, klingt für ihn nicht glaubwürdig. "Wenn das so wäre, bräuchten wir keine Impfungen, sondern nur Bienen gegen Covid-19."

Außerdem sei die Publikation vom April im medizinischen Sinne sehr alt. "Seitdem ist nicht viel passiert. Wäre tatsächlich etwas dran, hätte man mehr davon gehört."

Was sich der Mediziner vorstellen kann: dass es einen Zusammenhang mit den Lebensverhältnissen der Imker geben könnte. Denn viele von ihnen leben in abgeschiedenen, ländlichen Gegenden. "Covid-19 verbreitet sich stärker dort, wo sich viele Menschen in engen Räumen aufhalten. Das haben Imker meist nicht." Auch eine naturbewusste Ernährung spiele mit rein. Der Facharzt könne sich vorstellen, dass sich Imker zwar auch infizieren, der Krankheitsverlauf bei ihnen aber aufgrund ihres Lebensstils nicht so gravierend ist.

Beweisen könne man die Behauptungen der chinesischen Studie nur, indem man eine Kontrollgruppenstudie durchführt. Die Verfasser der Publikation schlagen Tierversuche an Affen vor.

Imker kommen mit Gift der Bienen besser zurecht

Wie alle Imker wird Johannes Selmansberger regelmäßig von seinen Bienen gestochen. Er arbeitet ohne Gesichtsschutz und Handschuhe. "Eine Wabe ziehen geht mit Handschuhen nicht gut." Den Imkeranzug trägt er nur, um seine Kleidung zu schützen. "Beim Honigernten quetscht man schon mal eine Biene." Und dann sticht sie zu.

Imker kämen mit dem Bienengift besser zurecht, weil sie daran gewöhnt sind. "Mein Körper reagiert nicht mehr auf das Gift", sagt Selmansberger. Der Hauptbestandteil des Giftes ist Melittin. Dieser Stoff wirkt entzündungshemmend.

Auf das Bienengift kann der Körper laut Selmansberger unterschiedlich reagieren. Ein dicker Arm etwa ist eine allergische Reaktion, aber noch kein allergischer Schock, bei dem der Kreislauf kollabiert. Zum Arzt gehen sollte man, wenn man nach einem Bienenstich rote Flecken bekommt, einem schwindlig oder übel wird. In Deutschland sterben jährlich rund 20 Menschen an einem allergischen Schock, ausgelöst durch Bienenstiche. Damit ist also nicht zu spaßen. Deshalb sollte man es nicht darauf anlegen, gestochen zu werden.

Den Fragebogen für Imker, die an Corona erkrankt sind oder Kontakt zu Infizierten hatten, gibt es hier.

Alles Infos, Regeln und Lockerungen in Bayern und München finden Sie in unserem Corona-Blog.