Arm gegen Arm

Große Hilfe für Flüchtlinge: Haben Obdachlose jetzt das Nachsehen?


Klaus-Peter Bartsch steht in einer U-Bahn-Unterführung in Nürnberg und verkauft das Sozialmagazin "Straßenkreuzer".

Klaus-Peter Bartsch steht in einer U-Bahn-Unterführung in Nürnberg und verkauft das Sozialmagazin "Straßenkreuzer".

Seit Monaten kümmern sich Menschen in Bayern um die Erstversorgung von ankommenden Flüchtlingen - mit Lebensmitteln, mit Hygieneartikeln, mit warmer Kleidung. Und mit Geld. Die meisten Bürger nehmen Anteil an den Schicksalen der Flüchtlinge. Wie aber gehen Menschen damit um, die selbst hilfsbedürftig sind? Und wie viele Spenden kommen bei ihnen noch an?

Ilse Weiß, 55, ist Chefredakteurin des Nürnberger Sozialmagazins "Straßenkreuzer" mit 60 beschäftigten Verkäuferinnen und Verkäufern. Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur erklärt sie, wie sich die Verkaufszahlen zuletzt entwickelt haben, welche Rolle der Standort spielt und wie Obdachlose die Flüchtlingskrise sehen.

Frau Weiß, wie haben sich die Verkäufe Ihres Magazins innerhalb der vergangenen Wochen verändert?

Bevor ich die Zahlen nachgeschaut habe, war ich mir sicher, dass die Spendenbereitschaft gegenüber Obdachlosen zurückgegangen ist. Einfach deshalb, weil die Flüchtlinge medial gerade sehr viel Aufmerksamkeit erhalten. Tatsächlich sind die Spenden bei uns aber nur um etwa zehn Prozent gesunken. Das ist lächerlich wenig und gehört zu den normalen Schwankungen, die wir haben. Selbst da ist die Frage: Hat das etwas mit den Flüchtlingen zu tun? Ich wäre sehr vorsichtig, das in dieser Weise zuzuspitzen. Die Situation ist so fragil, teilweise ist die Unsicherheit sehr groß. Und unsichere Zeiten rufen oft Angst hervor. Unsere November-Ausgabe beschäftigt sich mit dem Thema Angst. Da wird wieder einmal deutlich: Angst ist kein guter Ratgeber.

Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen der Spendenbereitschaft und dem Standort Nürnberg?

Antwort: Nürnberg ist eine Stadt, die schon viele Hochs und Tiefs erlebt hat. Große Firmen sind hier zugrunde gegangen. Das sind Tausende Arbeitsplätze, die nicht mehr existieren. Hier wissen die Menschen einfach, dass man das Glück im Leben nicht immer gepachtet hat. Das sehen übrigens etliche unserer Magazin-Verkäufer genauso. Einige von ihnen stammen aus der ehemaligen DDR. Die können sich noch gut daran erinnern, was es heißt, zu fliehen. Wenn jemand Hilfe braucht, dann soll er die auch bekommen. Das ist so einfach wie komplex. Es macht da keinen Sinn, Arm gegen Arm auszuspielen.

Wann ist die Spendenbereitschaft am größten?

Antwort: In unserer überwiegend christlichen Gemeinschaft ist die Advents- und Weihnachtszeit für unsere Verkäufer die wichtigste Zeit. Mit der Kälte kommt bei vielen Menschen auch das Bewusstsein zu helfen. Da passiert es dann auch mal, dass die Verkäufer einen Mantel geschenkt oder einen Schein extra zugesteckt bekommen. Viele finden das in diesen Wochen besonders anrührend. Allerdings sind wir im Januar genauso auf Spenden angewiesen wie in der Weihnachtszeit.

Zur Person: Ilse Weiß, 55, geboren in Erlangen, studierte in Nürnberg und machte eine Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule in München. Seit 2002 ist sie Chefredakteurin des "Straßenkreuzer".