Kommentar zum NSU-Prozess
Fadenscheinige Ablenkungsstrategie
16. Dezember 2015, 20:02 Uhr aktualisiert am 16. Dezember 2015, 20:02 Uhr
Nichts gewusst, nichts gesehen, nichts gehört: Diesem Motto folgen derzeit die Aussagen der Angeklagten im Münchner NSU-Prozess. Nach der mutmaßlichen Rechtsterroristin Beate Zschäpe bestreitet nun auch Ralf Wohlleben, womöglich Beschaffer der Mordwaffe, jegliche Beihilfe zu den Verbrechen. Er will nichts von der Gewaltbereitschaft von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt wahrgenommen haben. Das ist nicht glaubhaft.
Über Jahre hatte Wohlleben zum Trio Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe Kontakte - selbst nach deren Untertauchen. Es gab zahlreiche Treffen und Telefonate. Und da will Wohlleben keinerlei Radikalisierung seiner Freunde mitbekommen haben? Selbst dann nicht, als Böhnhardt ihn um die Beschaffung einer Waffe gebeten hatte? Der Bundesanwaltschaft gilt Ralf Wohlleben als eine "steuernde Zentralfigur" der gesamten Unterstützerszene der mutmaßlichen NSU-Terroristen. Der ehemalige NPD-Funktionär wird es schwer haben, dieses Bild vor dem Münchner Oberlandesgericht zu widerlegen.
Die Strategie von Wohlleben und Zschäpe, mit einer Erklärung die Richter noch von den drohenden hohen Haftstrafen abzubringen, ist zwar nachvollziehbar. Doch ihr Vorgehen hat sich als berechnend und fadenscheinig erwiesen, gerade weil die Aussagen erst zweieinhalb Jahre nach Prozessbeginn erfolgen. Hinzu kommt: Zschäpe und Wohlleben haben keinen entscheidenden Beitrag zur Aufklärung der Mordserie geleistet. Stattdessen wälzten die beiden die Schuld fleißig auf andere ab. Für Zschäpe waren es ihre Weggefährten Mundlos und Böhnhardt, die die grausamen NSU-Morde begangen und sie unfreiwillig ins Verderben gezogen haben. Wohlleben zeigte mit dem Finger auf den Mitangeklagten Carsten S. und die Sicherheitsbehörden, die das Trio nicht enttarnten. Diese Ablenkungsstrategie dürften die Richter leicht durchschauen.