Paris
Dritte Leiche in Terroristen-Wohnung - Ausnahmezustand verlängert
19. November 2015, 13:39 Uhr aktualisiert am 19. November 2015, 13:39 Uhr
Der mutmaßliche Kopf hinter dem Terror von Paris ist tot. Doch die Fahndung läuft weiter. Und Großveranstaltungen wie etwa beim Fußball finden unter verstärkten Sicherheitsvorkehrungen statt.
Der mutmaßliche Drahtzieher der Terroranschläge von Paris ist tot - eine Woche nach den Morden suchen die Ermittler aber noch mindestens einen weiteren Islamisten. Der Ausnahmezustand in Frankreich wird voraussichtlich bis Ende Februar verlängert. Auch in Deutschland bleibt die Sorge um die Sicherheit. So sollen die Bundesliga-Spiele an diesem Wochenende unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen stattfinden.
Bei dem dramatischen Polizeieinsatz in Saint-Denis am Mittwoch wurde der 28-jährige belgische Islamist Abdelhamid Abaaoud getötet, der als ein Kopf hinter den Anschlägen galt. Weiter ging die Suche nach Salah Abdeslam, dem Bruder eines der Selbstmordattentäter von Paris.
Der bei dem siebenstündigen Einsatz nördlich von Paris ums Leben gekommene Abaaoud war im vergangenen Jahr auch in Deutschland. Die Bundespolizei kontrollierte den Belgier am 20. Januar 2014 am Flughafen Köln/Bonn, wie ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur sagte. Zuvor hatte "Spiegel Online" darüber berichtet. Abaaoud soll für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien gekämpft haben.
Frankreichs Premierminister Manuel Valls bezeichnete ihn als "eines der Gehirne der Anschläge". Am Mittwoch war Abaaouds Schicksal zunächst noch unklar geblieben. Acht Menschen wurden bei dem siebenstündigen Einsatz nördlich von Paris festgenommen. Zwei Terrorverdächtige starben, neben Abaaoud wahrscheinlich eine Frau, die sich in die Luft sprengte. Abaaoud war das Ziel des Einsatzes.
Abaaoud habe "eine entscheidende Rolle" bei den Anschlägen gespielt, sagte Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve. Die Ermittlungen würden "die genaue Beteiligung" Abaaouds klären. "Sie wird uns auch erlauben, den Weg dieses Terroristen aus Molenbeek in Belgien zu rekonstruieren." Möglicherweise sei er in vier weitere teils vereitelte Anschläge verwickelt gewesen, etwa den verhinderten Anschlag im Thalys-Schnellzug zwischen Brüssel und Paris im August.
Die Nationalversammlung verabschiedete in Paris mit überwältigender Mehrheit ein Gesetz zur dreimonatigen Verlängerung des Ausnahmezustandes. Er gilt seit dem 14. November. Valls hatte zuvor vor weiteren Attentaten gewarnt: "Es kann auch ein Risiko chemischer oder bakteriologischer Waffen geben." Bei einer weiteren Abstimmung am Freitag im Senat, der zweiten Kammer des Parlaments, wird ebenfalls eine klare Zustimmung erwartet. Erweiterte Befugnisse der Sicherheitsbehörden bleiben dann erhalten.
Die muslimische Gemeinde in Paris sagte eine für diesen Freitag geplante Kundgebung gegen den Terror aus Sicherheitsgründen ab.
In Belgien hat die Polizei bei Antiterror-Razzien im Großraum Brüssel neun Verdächtige zu Verhören mitgenommen. Das teilte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag in Brüssel mit. Die belgische Nachrichtenagentur Belga sprach von neun Festnahmen. Laut Staatsanwaltschaft standen die Hausdurchsuchungen im Zusammenhang mit dem Pariser Selbstmordattentäter Bilal Hadfi, der in Belgien lebte. Die Untersuchung gegen Hadfi habe bereits Anfang 2015 begonnen, als dieser nach Syrien ausgereist war. Neuigkeiten zu dem gesuchten belgischen Terrorverdächtigen Salah Abdeslam gab es nicht.
Auch in Deutschland wird weiter darüber diskutiert, ob die Sicherheitsbehörden auf einen möglichen Anschlag ausreichend vorbereitet sind. Die Absage des Länderspiels Deutschland-Niederlande in Hannover am Dienstag ging letztlich auf konkrete Informationen eines ausländischen Geheimdienstes über einen bevorstehenden Terroranschlag zurück. Ein entsprechender Bericht der "Bild"-Zeitung wurde der dpa aus Sicherheitskreisen bestätigt.
Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, geht von einer noch länger bestehenden Gefahr durch islamistischen Terror aus, wie er bei der BKA-Herbsttagung in Mainz sagte. Auf Vorschläge aus der Union, die Bundeswehr verstärkt im Inland einzusetzen, reagierte er skeptisch. "Ich glaube, dass uns das aktuell nicht weiterhelfen würde." CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt plädierte in der "Rheinischen Post" für den Schritt und nötigenfalls eine entsprechende Verfassungsänderung. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte bei einem Besuch in Italien, der bestehende Gesetzesrahmen lasse zu, "bei katastrophischen Umständen die Bundeswehr tatsächlich auch einzusetzen".
Keine Panik, aber auch keine Normalität - unter diesem Motto steht die Fußball-Bundesliga. "Der Schutz von Menschenleben hat höchste Priorität", sagte Ligapräsident Reinhard Rauball der "Bild"-Zeitung. Aber: "Wir dürfen uns vom Terror nicht einschüchtern lassen."
Er habe volles Vertrauen in die Sicherheitsmaßnahmen, aber es bleibe ein mulmiges Gefühl, sagte Schalke-Coach André Breitenreiter vor dem Topspiel am Samstag gegen Bayern München.
Mit erhöhter Polizeipräsenz und strengeren Sicherheitskontrollen sollen am Wochenende die Begegnungen in der englischen Premier League ausgetragen werden. Dazu müssen sich die Fußball-Fans auf eine Vielzahl an Taschen-Durchsuchungen vor den Stadien einstellen.
In einer neuen Videobotschaft drohte der IS indirekt mit einem Anschlag in New York - die Polizei und Bürgermeister Bill de Blasio sehen aber keine konkrete Gefahr. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius erklärte, die Welt müsse die Bedrohung durch die IS-Terrorkämpfer in den Griff bekommen. Das Engagement Moskaus im Kampf gegen die Terrormiliz in Syrien begrüßte er. Russland fliegt seit längerem Luftangriffe in Syrien, will dabei nun aber stärker mit Frankreich zusammenarbeiten.
US-Präsident Barack Obama sprach Frankreichs Präsident François Hollande und den Franzosen in einem Telefonat erneut sein Beileid im Namen der Amerikaner aus. Hollande ist kommenden Dienstag bei Obama im Weißen Haus zu Gast.
Update
In der von der Polizei in Saint-Denis erstürmten Wohnung der Terroristen von Paris ist eine dritte Leiche entdeckt worden. Das gab die Staatsanwaltschaft am Freitag bekannt.