Als Eltern haben wir einen klaren Blick darauf, wie das Zimmer unseres Nachwuchses auszusehen hat. Erstens: Am Schreibtisch ausschließlich bereits erledigte Hausaufgaben. Lernoptimiert natürlich. Zweitens: Ein ordentlich gemachtes Bett mit in Reih und Glied stehenden Stofftieren, nach Größe und Farbe sortiert. Und drittens: Sämtliche Kleidung ruht zusammengelegt im dafür vorgesehenen Schrank. Übrigens schmutzige Klamotten strikt getrennt von sauberen. Drei Wunschvorstellungen, allesamt ähnlich unrealistisch.

Doch wenn wir es dann geschafft haben, das Kinderzimmer zu betreten, können wir nur auf der Fläche, die wir mit der Tür freigeschoben haben, die Farbe des Teppichs erkennen. Zwischen halbvollen Müslischalen, deren Restinhalt bereits Eigenleben entwickelt hat, und einem reichhaltigen Potpourri aus Dreckwäsche, Tempos, Hefteinbänden ohne Inhalt und Spielsachen, vermuten wir irgendwo das Kind. Wir würden gerne schimpfen, doch die Blickrichtung dabei ist noch unklar.

"Das darf ja wohl nicht wahr sein, wie sieht es denn hier aus!", wird also zunächst in den luftleeren Mief geblasen, dicht gefolgt von einem fassungslosen Schnauben.

Familienmensch - die idowa-Familienkolumne gibt es auch zum Anhören:

Dabei sind wir uns gar nicht gewahr, dass wir drei der größten Geheimnisse des menschlichen Daseins auf den Grund zu gehen im Begriff sind. Erstens: Wie kann man nur so unordentlich sein? Zweitens: Wie kann man bei der Unordnung nur abends sein Bett wiederfinden? Und drittens: Wieso erinnert uns das Chaos an das eigene Kinderzimmer?

Ja, gerade das letzte Mysterium bringt Wunschvorstellungen und Geheimnisse auf einen Nenner und liefert gleichzeitig die Lösung zu allem. Denn wir waren auch nicht anders, auch wenn wir Eltern es nicht wahrhaben wollen. Unsere Kinder folgen also einfach ihrer genetischen Disposition. Gewissermaßen führen sie eine Generationen überdauernde Tradition fort.

Tja, mich ärgert es trotzdem. "Räum sofort dein Zimmer auf! … Äh, bist du überhaupt hier drin irgendwo?"