Kochen komplett ohne Strom
"Black Out Dinner" - AZ testet den Trend aus Norwegen
1. April 2019, 8:14 Uhr aktualisiert am 1. April 2019, 8:14 Uhr
Ein komplettes Dinner, ohne dafür Strom zu brauchen - diese aus der Not geborene Idee feiert nun Premiere in Berlin. Die AZ hat es getestet.
Berlin/München - Alles begann mit einem Stromausfall. 60 Gäste hatten in einem Kopenhagener Nobelrestaurant reserviert. Und so beschloss der Chef, an diesem Abend ohne Strom zu kochen. Der Abend wurde zu einem Riesenerfolg.
Berlins erstes Black Out Dinner findet im legendären Club Berghain statt, in dem Techno-Jünger aus aller Welt die Tage und Nächte durchtanzen. Am Abend treffen sich junge, hippe Hauptstädter und trendige Berlinbesucher in dem ehemaligen Kohlenkeller des Kraftwerks, in dem der Club beheimatet ist, zu einem kulinarischen Abenteuer.
Wie immer: Keine Fotos im Berghain
"Please take memories, no pictures", sagt der junge Mann am Eingang und klebt alle Handykameras mit einem roten Punkt zu. Kerzen flackern in silbernen Kandelabern. Dahinter der Speisesaal, ein gigantischer futuristischer Rittersaal mit nackten Betonwänden und einer vom Kohlenstaub schwarzen Decke.
Lange Tafeln sind im Raum verteilt, mit Kupferfolie bedeckt, die im Kerzenlicht schimmert. Was die länglichen Häppchen auf den Tabletts sind, ist schwer definierbar. Es schmeckt nach Roter Beete und Rosmarin. Eine junge Frau in Schwarz gießt eine rötliche Flüssigkeit in einen Glaskelch: ein nach alter Methode, mit wenig Strom hergestelltes ungefiltertes Bier, gebraut von einem fränkischen Bierbrauer-Kollektiv. Nichts ist hier einfach nur Nahrung, alles ist nachhaltig, kreativ, designet. Und das kostet: pro Person 300 Euro.
Der Gastgeber des Abends, Chef des Restaurants Nobelhart und Schmutzig, tänzelt durch den Raum und schlägt eine kleine Melodie an seinen Weinkelch. "Danke, dass ihr heute bei diesem Experiment dabei seid", sagt Billy Wagner.
Black out Dinner: Sechs Spitzenköche kochen ohne Strom
Sechs Berliner Spitzenköche wagen sich an dieses Experiment. "Köche, die Essen neu denken", sagt Wagner. Fleisch, das über dem Feuer gebraten, Brot, das im Holzofen gebacken, Wein, der nach alten Rezepten hergestellt wird. "Seid zwanglos", ruft Wagner. "Esst mit den Händen. Reicht eurem Nachbarn das Essen, und wenn ihr Lust habt, füttert ihn! Amüsiert euch!" Dezente House-Musik erklingt, handgekurbelt, neben einem fahrbaren Grammophon steht der Betreiber eines Berliner House-Labels und spielt Vinylplatten ab. Und weil Fotografieren verboten ist, wartet ein Profizeichner darauf, die Gäste zu porträtieren.
An der Tafel wird jetzt das duftende Brot gereicht, Beinfleischsuppe in Meißener Porzellanschüsseln, Sauerkraut mit Senfsaat, Roastbeef, das sich Mangalitza nennt, kross gebackene Blutwurst mit Kartoffelstampf, viel Salat, viel Gesundes, das unbekannt schmeckt.
Und es passiert, was der Gastgeber verkündet hat: "Wenn die Lichter ausgehen und die Handys ausgeschaltet werden, kann man sich dem Wesentlichen widmen: dem Essen." An langen Tischen klopfen die Köchinnen und Köche die im Feuer gebackenen Äpfel aus der Lehmkruste. Der vorletzte Gang, vor der Schweineblutpraline. Dann tritt man heraus aus der vom Enthusiasmus der Beteiligten aufgeheizten Atmosphäre, aus einer fast surrealen Kulisse in den Nieselregen und die von gelblichem Laternenlicht schlecht beleuchteten Straßen von Friedrichshain.
Lesen Sie hier: Das ist Deutschlands jüngste Sterneköchin