"Da lag ich drunter"

Dramatischer Waldunfall bei Viechtach: Martin Bielmeier überlebte knapp

Bei Waldarbeiten wurde der 30-jährige Martin Bielmeier bei Viechtach im Kreis Regen von einem tonnenschweren Baum begraben. Wie durch ein Wunder kam er mit dem Leben davon.


Martin Bielmeier und der umgestürzte Baum. Zum ersten Mal seit dem Waldunfall am 2. März, der ihn beinahe das Leben gekostet hatte, besuchte er den Unglücksort.

Martin Bielmeier und der umgestürzte Baum. Zum ersten Mal seit dem Waldunfall am 2. März, der ihn beinahe das Leben gekostet hatte, besuchte er den Unglücksort.

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Im Video erzählt Thomas Hobelsberger aus der Redaktion Viechtach wie die Geschichte hinter diesem Türchen entstanden ist.

Video zum Thema:

Martin Bielmeier tuckert mit dem grünen Fendt-Traktor den Schwarzen Regen entlang. Idyllisch ist es hier bei Viechtach im Landkreis Regen, der Fluss fließt sanft dahin, das Gras ist satt grün. Der Hof seines Vaters, das Hoimerl-Anwesen, ist nicht allzu weit entfernt. Trotzdem ist es das erste Mal seit seinem schweren Unfall, dass der 30-Jährige hierher zurückkehrt. Am Waldrand, an einer steilen Böschung, hält er, stellt den Traktor ab und steigt aus. Der Baum liegt noch genau so da wie am 2. März. Sichtlich ergriffen ist er, als er auf die mächtige gefällte Tanne zugeht. An diesem Ort ist er dem Tod noch einmal knapp entronnen. "Ja nasch. Brutal", sagt er und schüttelt ungläubig den Kopf. "Da bin ich druntergelegen."

Zu dritt waren sie damals im Holz. Martin Bielmeier, sein Vater Josef und sein Bruder Christian. Das Wetter war gut an diesem Samstagmittag. Sonnig. Es galt, einiges an Schneebruchholz aufzuarbeiten, unter anderem war eine Tanne umgedrückt worden.

Das Unglück geschah dann kurz vor der Mittagszeit. "Wir haben den Baum ausgeastet und den Wurzelteller abgeschnitten. Einseitig hatte er noch Spannung. Aber das war nicht mit bloßem Auge erkennbar." Eigentlich war Martin Bielmeier besonders vorsichtig, schnitt den Stamm auf zwei Mal, achtete auf die Spannungskraft. Nach vorne fallen konnte der Baum nicht, ein Stein war im Weg. Zwei Mal noch blickte er sich beim Weggehen um. Doch alles schien sicher, nichts deutete auf Gefahr hin. Auch die Berufsgenossenschaft sollte das später bestätigen: Schuld hat Martin nicht, er habe gewusst, was er tut.

Der Kopf wurde ihm auf den Brustkorb gepresst

Doch als er zu seinem Vater und Bruder hinabstieg, stellte der Baum sich zur Seite hin auf und fiel dem jungen Mann, der sich schon etwa vier Meter entfernt hatte, hinterher. Wie ein Kegel habe sich der Stock gedreht. Tannen sind eigentlich Tiefwurzler, doch dieses Exemplar wuchs in einem Felsen-Trichter, hatte also keinen Halt. "Holz ist unberechenbar, das kann so schnell gehen. Der Baum hat mich komplett reingedrückt." Schreien konnte Martin nicht. Der Kopf wurde ihm auf den Brustkorb gepresst, er bekam keine Luft mehr. Sofort war ihm klar: Alleine kommt er hier nicht mehr lebend raus. Dann wurde alles schwarz. Die Augen öffnete er wieder im Deggendorfer Krankenhaus. "Ich hab schon viele Schutzengel gehabt", sagt Martin.

Zwei davon: sein Vater Josef und sein Bruder Christian. Josef Bielmeier sitzt auf der Terrasse des Hoimerl-Hofs. Es gibt Schokoladenkuchen, "mein Rezept!". Auch er erinnert sich noch genau an den Tag. Und an den Augenblick, als sein Sohn während der Holzarbeit nicht mehr antwortete. "Wir haben nichts mehr gehört. Wir haben ja darauf gewartet, dass er schreit, wenn wir anziehen dürfen", erinnert sich Josef Bielmeier. Die zwei eilten sofort die Böschung hoch - und ihre Befürchtungen bestätigten sich.

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Mit der Seilwinde am Fendt wurde der Verunglückte befreit.

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Der Baum von oben

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Idylle am Schwarzen Regen nahe Viechtach. Auf dieser Wiese landete der Rettungshubschrauber.

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Martin Bielmeier im Krankenhaus

Nur der Kopf des Verunglückten war noch unter dem Baum zu sehen, bereits blau angelaufen. Steine und Wurzeln hatten verhindert, dass sein Körper sofort zerdrückt wurde. Der Bruder fing auf der Stelle an, mit bloßen Händen zu graben. Doch vergebens. "Wir haben ihn nicht herausbekommen", sagt Josef Bielmeier. "Das war nun mal so." Doch der Vater hat einen Geistesblitz: Christian solle Kette und das Seil der Winde vom noch laufenden Bulldog holen. "Alleine hätte ich das Seil nicht mehr raufbekommen. Ich hatte keine Kraft mehr."

Angestrengt habe er nachgedacht, wie man seinen Sohn aus der Todesfalle befreien könnte während Christian die Böschung wieder hocheilte. Martin lag mit dem Körper auf dem rechten Fuß, komplett verdreht. "Ich wollte die Kette durchfädeln, habe sie aber nicht durchbekommen. Ich wollte schon aufgeben." Er versuchte es auf der anderen Seite. Es klappte. Mit der Seilwinde zogen sie den jungen Mann mit aller Gewalt heraus. "Das hat mir gescheit leidgetan, aber es half nichts. Es ging um Sekunden." Es war das Beste, was man habe machen können, habe ein Bergwachtmitglied später gesagt.

"Christian, mach sofort Mund-zu-Mund-Beatmung!" Seit fünf Minuten hatte der Verunglückte nicht mehr geatmet. Zum Glück seien an ihren Arbeitsplätzen regelmäßige Erste-Hilfe-Kurse Pflicht. "Sonst weißt du das ja oft nicht mehr. Aber so bleibt ja doch ein bisschen was hängen."

"Ich habe mit den Zehen an beiden Haxen gewackelt"

Der Bruder des Verunglückten habe ihm dann "die Lunge wieder aufgeblasen. Da ist er wieder worden." Der Vater alarmierte den Rettungsdienst. An den Hubschrauber, der am Ufer des Regens landete, kann sich Martin nur noch verschwommen erinnern. Im Krankenhaus schien der Verletzte sich, noch immer nicht bei sich, in Gedanken weiter befreien zu wollen und kämpfte heftig. "Den haben sie zu viert nicht halten können", sagt der Vater. "Extrem agitiert", wie es im Ärztebericht hieß. Aufgewacht sei Martin dann am Abend.

"Um halb acht rum bin ich dann wach geworden", erinnert er sich. Sein erster Gedanke: Bin ich querschnittsgelähmt? Funktionieren meine Beine noch? "Ich habe mit den Zehen an beiden Haxen gewackelt", sagt er und muss lachen. Welches Jahr haben wir? Was ist passiert? Die Fragen der Ärzte konnte er auch beantworten, "ich war wieder bei mir." Sein Geist blieb unversehrt, sein Bruder hatte ihn gerade noch rechtzeitig beatmet. Zu lange ohne Sauerstoff, und das Gehirn hätte bleibende Schäden davontragen können.

"Sowas überlebt normalerweise niemand", hätten ihm die Ärzte gesagt. Der Körper des jungen Mannes war arg geschunden. Viele innere Organe gequetscht, am rechten Fuß zwei Außenbänder gerissen, Wirbel und Rippen angeknackst, Lunge zusammengefallen, Schulterband gerissen. Durch die Quetschungen hatte das Blut nicht mehr zirkulieren können und staute sich in seinem Kopf. "Die ganzen Adern im Auge sind geplatzt. Die waren blutrot unterlaufen." Es bestand die Gefahr, dass er erblindet. Den Kopf aufzubohren, um Druck zu mindern, war zuerst geplant, dann aber zum Glück doch nicht nötig. Neun Tage blieb er im Krankenhaus. Und wie geht es ihm jetzt? Sein rechter Fuß ist noch geschwollen, schwer heben kann er ebenfalls noch nicht. "Man muss aber froh drum sein, wie ich jetzt beieinander bin. Ich könnte auch schwerstbehindert sein. Oder tot."

Seit Martin gelernt habe, arbeite er gerne im Wald. Von klein auf half er seinem Vater im Holz. Und wenn es ihm wieder besser geht, will er auch wieder raus. Er könne ja seinen Papa und seinen Bruder nicht hängenlassen. "Das ist wie beim Auto fahren", sagt er und zuckt mit den Schultern. "Jemand fährt dir auf deiner Seite entgegen und du hast einen schweren Unfall. Sowas kann einfach passieren."