Kultur
Wie Störtebeker lief
15. März 2023, 16:57 Uhr aktualisiert am 15. März 2023, 16:57 Uhr
Wenn du der Typ mit dem NDW-Hit "Fred vom Jupiter" bist und von der Mehrheit der hörenden Menschheit immer noch auf dieses eine verdammte Lied reduziert wirst, obwohl du es erstens eigentlich gar nicht gesungen hast und du zweitens anschließend immerhin noch mehr als drei Jahrzehnte musikalischen Schaffens vorzuweisen hast - dann musst du dagegensteuern, indem du von deinem Leben erzählst.
Und wenn du aber Legastheniker bist, dann musst du dir eben einen suchen, der alles für dich aufschreibt. Denn es ist ja bunt, dieses Leben, das auch so schöne Lieder wie "Flaschenpfand" und "Blaumeise Yvonne" hervorgebracht hat, und es muss erzählt werden.
Die glückliche künstlerische Fügung heißt Andreas Dorau und Sven Regener. Das Duo hat 2015 mit "Ärger mit der Unsterblichkeit" Teil eins von Doraus Leben veröffentlicht. Nun ist der zweite Teil erschienen: "Die Frau mit dem Arm" schildert die Zeit ab dem Jahr 2000. Das Jahrtausend begann zäh für Dorau: "Ich machte Musik, wie Störtebeker lief, nachdem man ihm den Kopf abgeschlagen hatte: ohne nachzudenken, rein mechanisch und eine große Schweinerei hinterlassend."
Es wird aber besser, zumal das Duo Dorau/Regener natürlich auch traurige Geschichten oder solche vom Scheitern sehr unterhaltsam schildern kann. Da wird die Einladung des Goethe-Instituts nach Moskau zur kurzweiligen Angelegenheit, auch wenn bei dem Russland-Aufenthalt mit Tanzkonzert eigentlich alles enttäuschend verlief. Ausführlich erfahren wir zudem unter anderem vom Werden des Musicals "König der Möwen", von überraschenden Charts-Platzierungen und davon, wie man angemessen mit dem Fred-Fluch umgeht.
Eine tiefschürfende Biografie vom aufgeschlagenen Kinderknie bis zum ersten Rückenweh ergibt das alles natürlich nicht, vielmehr ist "Die Frau mit dem Arm" eine wunderbare Aneinanderreihung funkelnd erzählter Anekdoten aus einem Musikerleben. Beim Lesen hat man natürlich immer wieder Regeners Herr-Lehmann-Sound zum Dorau-Leben im Ohr, aber wenn nun mal einer ein großer Erleber und der andere ein großer Erzähler ist, dann ist das mehr als recht.
Andreas Dorau, Sven Regener: "Die Frau mit dem Arm" (Galiani, 183 S., 22 Euro)