Kultur

Wenn etwas fehlt

Lahav Shani und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks im Herkulessaal


Lahav Shani und der Geiger Gil Shaham bei einer Probe mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks im Herkulessaal.

Lahav Shani und der Geiger Gil Shaham bei einer Probe mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks im Herkulessaal.

Von Robert Braunmüller

Das Gerücht, der Israeli sei insgeheim zum künftigen Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker erkoren worden, bleibt nach wie vor unbestätigt. Alle Beteiligten schweigen eisern. Einschlägige Honoratioren aus dem Stadtrat und dem Kulturreferat blieben dem Donnerstagstermin seines Programms mit dem Konzert des BR-Symphonieorchesters im Herkulessaal fern. Und so darf munter weiter spekuliert werden.

Lahav Shani hinterließ - wie schon früher an diesem Ort - einen eher gemischten Eindruck. Was wiederum nichts heißen muss: Manche Orchester und manche Dirigenten passen besser zusammen als andere. Und das interessant zusammengestellte Programm mit Werken aus der Zeit zwischen 1940 und 1986 war auch nur bedingt aussagekräftig für eine philharmonische Chefposition.

Dazu kommt: Ein Dirigent kann das Beste wollen, aber amerikanische Minimal Music bleibt den mit Klassik und Romantik sozialisierten Musikern in Mitteleuropa fremd. Die Bläser und Schlagzeuger des BR-Symphonieorchesters verstanden sich zwar einigermaßen auf den kühlen Sound, der bei "Short Ride in a Fast Machine" von John Adams angemessen wäre. Dann aber setzte das Orchester zu einer Steigerung ein, als gelte es Noten von Mahler oder Bruckner zu wuchten. Davon abgesehen, dass es viel zu knallig wurde: Gefühlsbetont sollte Minimal Musik ganz sicher nicht klingen, Emotionen und Drücker geben ihr den Rest.

Mehr Kaltschnäuzigkeit hätte auch den "Symphonischen Tänzen" von Sergej Rachmaninow gutgetan. Auf letzte Genauigkeit achtende Dirigenten wie Mariss Jansons und Kirill Petrenko machten in jüngerer Vergangenheit deutlich, dass es sich bei dieser meist etwas unter Wert verkauften Musik um Weltuntergangstänze vom Format eines Gustav Mahler oder Maurice Ravel handelt.

Das ist aber eine tiefere Dimension, die vom Interpreten erst entdeckt werden muss. Lahav Shani hingegen führte die erstklassige Spielkultur des Orchesters vor. Der große Weltschmerz, der sich aus den letzten Takten der Kantilene des zweiten Satzes herauspräparien lässt, blieb unerhört. Im Herkulessaal erklang ein Wunschkonzert russischer Melodien. Das steckt sicher auch drin, trotzdem aber müsste ein Interpret die Frage beantworten, wieso am Ende höhnisch das "Dies irae" zum Tanzen gebracht wird.

Mit doppelbödiger Musik kann Lahav Shani leider nicht viel anfangen. Prompt blieben auch die Ausbrüche im ersten Satz von Samuel Barbers Violinkonzert ein wenig unscharf. Gil Shaham spielte diese simple, effektsichere Spätromantik schlank und schön - mit einem Schwerpunkt auf dem langsamen Satz und dem Taratella-Finale. Und er brachte mit gleich zwei Zugaben von Bach und Scott Wheeler ("Isolation Rag") das knapp gehaltene Konzert fast auf die übliche Länge.

Eine Aufzeichnung als Audio-on-Demand bei BR Klassik