AZ-Filmkritik
"Phantastische Tierwesen", Teil II: Phantastische Anspielungen
16. November 2018, 8:46 Uhr aktualisiert am 16. November 2018, 8:46 Uhr
J.K. Rowlings neue Reihe geht in die zweite Runde mit "Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen". Die AZ-Kinokritik.
J.K. Rowling, anfangs als Kinderbuchautorin belächelt, ist eine der großen Literatinnen der Gegenwart geworden - vor allem, weil sie bei "Harry Potter" über sieben Romane den unglaublichen Bogen von der Kindheit ins Erwachsenenleben spannen konnte und dabei auch literarisch mitreifte.
Nach Tausenden von Seiten war die Britin als Schöpferin eines überbordenden Kosmos', der Mythisches mit Internatsleben, Zauberwelt und dem auch moralisch komplizierten Kampf Gut gegen Böse verband, immer noch nicht erschöpft. Ein politischer Krimi folgte.
Hogwarts im Jahre 1927
Und jetzt schreibt sie Drehbücher zu den "Phantastischen Tierwesen": Der erste Teil vor zwei Jahren war eine eher verspielte Angelegenheit, in der vor allem die Welt des tierlieben, sanft trotteligen und sozial etwas gehemmten Magiers, Zoologen und Tierarztes Newt Scamander (Eddie Redmayne) entfaltet wurde.
Die "Phantastischen Tierwesen" sind zugleich ein loses Prequel zur "Potter"-Geschichte. So begegnen wir im zweiten Teil dem Zauberinternat Hogwarts im Jahre 1927. Hier lehrt schon der gute Zauberlehrer Dumbledore (Jude Law), der es in diesen frühen Jahren mit dem bösen Grindelwald (Johnny Depp) zu tun hat. Der flieht gleich spektakulär aus dem Gefängnis in einer fliegenden Kutsche, die von Pegasus-Rappen durch den Nachthimmel über einem Art- déco-New York gezogen wird: berauschende digitale Animationen in State-of-the-Art-Qualität.
Zeitgeschichtliche Anspielungen
Wer sein historisches und zeitgeschichtliches Wissen abruft, findet auch eine Metaebene voller Anspielungen in dieser schillernden Gut-Böse-Geschichte. Aus der will sich unser Sympathieträger Newt Scamander eigentlich heraushalten. Aber in Krisenzeiten mit drohendem Krieg wird es zur politischen Pflicht, Stellung zu beziehen und zu handeln.
Grindelwald - der nicht zufällig einen deutschen Namen trägt - redet pathetisch vom Freiheitskampf und einem präventiven Verteidigungskrieg der "Reinblüter", also der Zauberer, gegen die Menschen - und plant in Wahrheit einen Vernichtungskrieg. Mit seinem Griff zur Weltherrschaft beendet Grindelwald die friedliche Koexistenz von Menschen und Zauberern. Am Ende des im zweiten Teil noch offenen Konflikts steht der nachtblasse Grindelwald dann im österreichischen Bergsschloss und vereint dort symbolisch-ästhetisch Hitler mit Ludwig II.
Der Film kämpft auch mit Schwierigkeiten
Franz von Stucks Schlangen-Sündenmotiv taucht auf, als es um eine Mischliebe zwischen Mensch und Zauberer-"Rasse" geht. Es gibt Einreiseverbote (Brexit!) und totenfährmann-artige Flüchtlingsschlepper, und es gibt Figuren, die mit der gesellschaftlichen Diversität nicht zu Recht kommen. Der scheue Außenseiter Scamander sagt dagegen: "Es gibt keine seltsamen Lebewesen, nur engstirnige Menschen."
Das alles ist durchaus intelligent und phantastisch. Aber die Rowling-Verfilmung von David Yates, der schon vier "Harry-Potter"-Filme drehte, kämpft auch mit Schwierigkeiten. Denn wer jetzt in den Kosmos einsteigt, wird von Figurenvielfalt und Ortswechseln erschlagen. Und durch diese etwas chaotische Hektik des Erzählens sind die Figuren nur Typen und Karikaturen ohne Charaktertiefe. Und unsere Menschenwelt bleibt eine unterbelichtete Parallelwelt.
Kinos: Cinema (2D/3D, nur OV), Gloria (3D, OV und deutsch), Cadillac & Veranda (2D, OV und deutsch), Cincinatti, CinemaxX (beide 2D/3D), Solln, Gabriel, Mathäser (alle 2D), R: David Yates (GB/USA, 134 Min.)