TV-Kritik
"Lakritz"-Tatort aus Münster: Krimi oder schon Comedy?
3. November 2019, 19:00 Uhr aktualisiert am 3. November 2019, 19:00 Uhr
Zwei Handlungsstränge, unterhaltsame Slapstick-Einlagen und Krimi-Spannung bis zum Schluss werden die Quoten des "Lakritz"-Tatorts aus Münster stark ausfallen lassen. Zurecht findet People-Ressortleiter Steffen Trunk. Eine TV-Kritik.
Spoiler-Warnung: Liebe AZ-Leser, die folgende Kritik enthält teils unverschleierte Hinweise zur Handlung des "Tatorts: Lakritz". Falls Sie den Krimi unvoreingenommen sehen möchten, lesen Sie diesen Artikel am besten erst später.
Das Zusehen ist diesmal besonders vergnüglich, denn beim 35. "Tatort" von Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Rechtsmediziner Prof. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) harmonieren die beiden mehr denn je. Nicht boshafte Attacken, sondern beinahe freundschaftliches Verhalten zieht sich durch den TV-Krimi. Der knallbunt gestaltete "Tatort"-Titel lässt bereits erahnen, in welcher Tonalität Randa Chahoud (Regie) das Drehbuch umgesetzt hat.
Inhalt: Darum geht es im "Lakritz"-Tatort
Die Erzählung ist eindrucksvoll komplex. Thorsten Wettcke (erstmals alleiniger Drehbuch-Autor) verwebt zwei Handlungsstränge miteinander. Der Mörder von Marktleiter Hannes Wagner wird gesucht. Das Opfer starb an vergifteter Lakritze. Die Polizei schließt den Markt, weil die Süßigkeit dort auch erhältlich ist. Bei den Ermittlungen wird Boerne unerwartet mit seiner Kindheit konfrontiert. Mit 13 Jahren war der kleine Karl-Friedrich in die Tochter des Lakritzherstellers "Maltritz" verliebt, doch Monika hatte nur Augen für den gutaussehenden Bernhard, der Karl-Friedrich obendrein ein demütigendes Lakritz-Trauma verpasste.
Als die Ermittler herausfinden, dass der Marktmeister an einem mit Zyankali vergifteten Lakritz gestorben ist, erinnert sich Boerne an ein Todesdrama, das sich auf dem Speicher des "Maltritz"-Geschäfts vor über 40 Jahren abgespielt hat. Monikas Mutter baumelte damals tot am Balken. Die Spur führt deshalb zurück in die Vergangenheit des Rechtsmediziners und in das Haus seiner Jugendliebe. Heute kann Boerne dank seiner Aufzeichnungen im Kinder-"Detektivtagebuch" herausfinden, was im Hause Maltritz passiert sein muss. So lösen Boerne und Thiel neben einem aktuellen Mord auch einen Fall, der 40 Jahre zurückliegt.
Launige Nebenschauplätze sind Thiels Gesundheitstrip (Smoothies und Gemüse statt Wurst und Bier) und ein Kurzauftritt seines "Vaddern" (Claus D. Clausnitzer), der ein Altenheim als "Medizin-Mann" mit Rauschmitteln versorgt. Dort sin auch der alte Maltritz (Walter Hess) und Karl-Friedrichs früherer Peiniger Bernhard (Patrick von Blume) als Pfleger mit Apotheker-Ausbildung angestellt.
Krimi-Spannung trotz Anflügen von Comedy-Unterhaltung
Wie zu erwarten, kommt der Klamauk beim Münster-"Tatort" nicht zu kurz. Spielend werfen sich die beiden Protagonisten nach 17 Jahren die Bälle zu, überzeugen mit lustigen Frotzel-Dialogen und Slapstick-Einlagen (auch im Dreieck mit Rechtsmedizinerin Dr. Silke Haller, gespielt von Christine Urspruch). Der "Tatort" profitiert von der überraschenden Kombination aus Gegenwart und Vergangenheit - eine gelungene Weiterentwicklung.
Hinter den komischen schnellen Wortgefechten, der mit viel Witz zelebrierten Hassliebe zwischen Thiel und Boerne, den gewollten Albernheiten und den satirischen Einschüben beim kriminalistischen Ernst verbirgt sich bis zuletzt auch komödiantische Spannung und eine echte Krimi-Geschichte hinter "Lakritz".