Kultur in Corona-Zeiten

Konzertbetrieb: Volle Säle in den Nachbarländern - Leere in Bayern


Ein Virus und die Folgen für die Kultur: Im Großen Festspielhaus in Salzburg sitzt man im Schachbrettmuster. In der riesigen Bayerischen Staatsoper hingegen werden sich zum Saisonstart am 1. September nur 200 Zuschauer verlieren dürfen. Beim Lucerne Festival dagegen ist es deutlich voller.

Ein Virus und die Folgen für die Kultur: Im Großen Festspielhaus in Salzburg sitzt man im Schachbrettmuster. In der riesigen Bayerischen Staatsoper hingegen werden sich zum Saisonstart am 1. September nur 200 Zuschauer verlieren dürfen. Beim Lucerne Festival dagegen ist es deutlich voller.

Von Robert Braunmüller / TV/Medien

In Österreich und in der Schweiz gibt es einen Konzertbetrieb, wie ihn Bayern zum Saisonstart der Bayerischen Staatsoper leider nicht erleben wird.

Fast 40 Prozent der zuletzt in Deutschland positiv auf das Coronavirus getesteten Menschen haben sich im Ausland angesteckt. Die Deutsche Bahn setzt die Maskenpflicht in Fernreisezügen eher nachlässig durch, und wie eng Leute in Flugzeugen sitzen, ist hinreichend bekannt.

Politische Stimmen, die das Reisen verbieten wollen, gibt es trotz der Daten des Robert-Koch-Instituts nicht. Seit fast drei Wochen finden nunmehr in Salzburg Festspiele statt, mit bis zu 1000 Besuchern im 2400 Plätze fassenden Großen Festspielhaus. Es ist kein Fall einer Ansteckung im Publikum bekanntgeworden. Auch das Lucerne Festival besetzt etwa die Hälfte der Plätze im Kultur- und Kongresszentrum am Ufer des Vierwaldstättersees.

Leere in der Bayerischen Staatsoper: Politik der Angst

In Bayern gilt immer noch die rigorose Beschränkung auf maximal 200 Besucher, unabhängig von der Größe des Saals. Signale für eine bevorstehende Lockerung sind derzeit nicht absehbar. Nach der Panne bei der Übermittlung von Corona-Testergebnissen dürfte dem Ministerpräsidenten die Lust darauf vergangen sein, sofern er sie jemals verspürt haben sollte.

Söders Politik der Angst hat große Auswirkungen auf den Kulturbetrieb. Sie straft die Theater, Opernhäuser und Kinos ab, während sie in anderen Bereichen nicht die allerletzte Konsequenz walten lässt. Sie wirkt störrisch, weil viele Spielstätten bereits im Sommer überzeugende Hygienekonzepte vorgelegt haben, mit denen je nach örtlicher Situation ein Viertel oder die Hälfte der normalerweise zur Verfügung stehenden Plätze besetzt werden könnte. Und das bei Einhaltung eines Sicherheitsabstands von 1,5 Metern zwischen Zuschauern, die nicht im gleichen Hausstand leben.

Die Bayerische Staatsoper hat bereits im Juni den Orchestergraben erweitert, um die Distanz zwischen den Musikern zu vergrößern. Ähnlich wie bei den Salzburger Festspielen gibt es eine Aufteilung der Mitwirkenden in verschiedene Gruppen und die Verpflichtung zur Führung eines Kontakttagebuchs. Nur höchstens 10 Personen haben Kontakt untereinander, alle Mitarbeiter werden zum Saisonstart getestet.

Nur 200 Besucher

Am Dienstag begann der Vorverkauf für den September - online und mit Hilfe eines Zufallsgenerators. Die vom Karsamstag auf den 1. September verschobene Uraufführung von "Seven Deaths of Maria Callas" von und mit Marina Abramovic ist bereits ausverkauft, ebenso die Liederabende von Jonas Kaufmann und Christian Gerhaher, sowie fast alle weiteren Aufführungen im September. Was nicht überrascht, weil nur 200 Karten für jede Vorstellung im Nationaltheater zur Verfügung stehen, das sonst 2.100 Zuschauer fasst.

Man muss die Euphorie des am Montag bekanntgewordenen Papiers eines Sozialmediziners der Berliner Charité nicht teilen, das einen normalen Spielbetrieb in voll besetzten Häusern bei ständig getragenem medizinischen Mund-Nasen-Schutz im Publikum für möglich hält. Es ist leider auch nicht hilfreich, dass der Verfasser dieses Papiers selbst dirigiert und deshalb ein wenig im Verdacht der Befangenheit steht.

Aber es ist auch nicht falsch, was die Kulturstaatsministerin der Bundesregierung sagt: Man studiere aufmerksam die Entwicklung der Nachbarländer. "Salzburg hat ja jetzt bewiesen, dass auch pandemiebezogen Theater gemacht werden kann", so Monika Grütters am Dienstag. Man suche für Berlin nach Öffnungsmaßnahmen, die dafür sorgten, dass "nicht nur 20 Prozent der Stühle besetzt sind".

Schrittweise Öffnung: Maßvoller Mittelweg

In der Bayerischen Staatsoper wünscht man sich eine schrittweise Öffnung auf etwa 500 bis 600 Besucher, so der Sprecher Christoph Koch. In den weitläufigen Räumen des Nationaltheaters lassen sich die Wege des Publikums zu den fünf Rängen besser steuern als in den teilweise recht engen Spielstätten der Salzburger Festspiele, wo die Disziplin der Zuschauer bisweilen nachlässt.

Es gibt auch kulturpolitische Argumente für eine Öffnung und das Beschreiten eines maßvollen Mittelwegs: Die Bayerische Staatsoper bemüht sich seit über 25 Jahren mit Erfolg darum, eine "Oper für alle" zu sein. Mit 200 Besuchern pro Vorstellung ziehen wieder elitäre Verhältnisse wie beim Kurfürsten ein. Ohne Einnahmen an der Kasse schießt auch die Subvention des Steuerzahlers pro Platz in nur noch schwer vertretbare Höhen.

Man kann das als Luxusproblem der Hochkultur abtun. Aber das trifft nicht zu: Lockerungen bei den großen staatlichen Spielstätten hätten eine Signalwirkung für private Theater und Kinos, die immer mehr in eine wirtschaftliche Schieflage geraten. Und von den fortdauernden Problemen der Solo-Selbstständigen im Kulturbereich, die von der Politik vergessen wurden, reden wir nicht heute, sondern ein andermal.