Wiener Jugendstil in der Villa Stuck

Koloman Moser zum 100. Geburtstag


Koloman Moser

Koloman Moser

Von Robert Braunmüller / TV/Medien

Möbel, Stoffe, Gläser, Bühnenbilder: Die Villa Stuck würdigt Koloman Moser zum 100. Geburtstag

Das Porträt sagt alles und doch nichts. Versonnen melancholisch schaut Koloman Moser (1868-1918) auf dieser Fotografie von 1905 nach oben. Sein Profil ist von einem aufgezeichneten Nimbus eingekreist, der den Wiener Jugendstilkünstler pointiert in Szene setzt. Für die pure Ironie könnte man das halten, Moser war ein humorvoller Mann und immer für einen Scherz zu haben. Andererseits ist der Symbolismus nicht fern, Erscheinungen, Überwesen und Lichtgestalten haben nach wie vor Konjunktur. Und Moser ist ja auch ein Alleskönner.

"Tausendkünstler" nennt ihn der Kritiker Hermann Bahr. Was er in die Finger bekommt, nimmt bemerkenswerte Formen an, nichts ist dem planlosen Werken überlassen - weder die Suppenterrine, noch der Sessel, der sich exakt in einen Schreibschrank schieben lässt. Alles gedeiht im Kontext. Auch das ist jetzt in der Villa Stuck bis ins Detail zu verfolgen. Das Museum hat eine Gemeinschaftsausstellung des Wiener Museums für Angewandte Kunst (MAK) und des dortigen Theatermuseums mit 600 Exponaten übernommen.

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Koloman Moser, Stoffmuster Palmenblatt, 1898, Ausführung: Joh. Backhausen & Söhne.

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Koloman Moser, Schreibschrank für Berta Waerndorfer, 1903, Ausführung: Wiener Werkstätte

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Koloman Moser, Entwurf für das Südfenster der Kirche St. Leopold am Steinhof, 1905/06

Um keine Idee verlegen

Wer tief in den Kosmos des gelernten Malers eintaucht, kommt so schnell nicht mehr an die Oberfläche. Moser, diese so entscheidende Figur des Wiener Fin de Siècle, der Mitbegründer der Secession (1897) sowie der Designschmiede Wiener Werkstätte (1903), war um keine Idee verlegen, irgendetwas hat er ständig ausgetüftelt. Darunter Tassen, die am Rand der Untertasse stehen und eigentlich erst Jahrzehnte später in Mode kommen. Japanisch inspirierte Dekorstoffe, die so aufregend sind wie die Ornamente seines Mitstreiters und Kollegen Gustav Klimt. Ewig moderne Silbergefäße, die mit Moser-typischen Gitterstrukturen übersät sind. Modulare Schranksysteme, die ganze Schlafzimmer auskleiden und wie ein konstruktivistisches Gemälde daherkommen.

Genauso illustriert Moser und entwirft neue Layouts für Zeitschriften: Wenn es der Platz hergibt, setzt er schon mal die Überschrift frech ins Bild. Auch das trauen sich die Grafikdesigner erst später. Und man kann an Moser gut studieren, wie sich die vom französischen Art Nouveau inspirierte schwungvolle Kunst der Jahrhundertwende zum schlicht-sachlichen, bürgerlich-demokratischen Wiener Jugendstil entwickelt.

Kunst gegen die Wirklichkeit

Selbst für Wagners Rheintöchter ließ er sich um 1913 eine frappierende Bühnenlösung einfallen, die die bewegungsfreudigen Damen mit ihren Fischschwänzen von lahmen Hebebühnen und einzwängenden Aufhängungen an Seilen befreit. Doch wie seine Serie stark abstrahierender Bühnenbilder wurden auch die Pläne fürs "Rheingold" nie realisiert, und man fragt sich unwillkürlich, wo dieser Hyperkreative noch gelandet wäre, hätte der Krebs seinem Leben nicht 1918 ein frühes Ende bereitet.

Allerdings war Moser schon 1907 aus der Wiener Werkstätte ausgetreten. Die Einheit der Künste, die ihm als Ideal vorgeschwebt hatte, musste an der gesellschaftspolitischen Realität scheitern. Die einfachen Leute konnten und wollten sich die modernen Vasen und Vitrinen, Stoffe und Metallgegenstände nicht leisten. Also war man von einem kleinen Kreis elitärer Mäzene abhängig geworden, "die meistens gar nicht genau wissen, was sie wollen", klagte er. Hauptsache hip.

Ekel erfasste ihn

In Moser, der selbst aus einfachen Verhältnissen kam, hat sich alles gesträubt. "Ekel erfasste ihn", wird Wiens bekannteste Salonière Bertha Zuckerkandl im Nachruf schreiben. Erst recht, als er erfährt, dass seine steinreiche Gattin Ditha - das Ehepaar pflegt getrennte Kassen - vom Kollegen Fritz Waerndorfer für die dauernd vom Bankrott bedrohte Werkstätte angepumpt wurde.

Moser zieht sich enttäuscht zurück und konzentriert sich auf Bühnenbilder und seine eigentliche Disziplin: die Malerei. Das ist manchmal gewöhnungsbedürftig und von einem eigentümlichen Pathos durchzogen. Ferdinand Hodler steht oft genug Pate, und man spürt, dass Kolo, wie ihn die Freunde nennen, wieder auf der Suche ist.

Im Grunde hat er die Malerei ja auch nie verlassen, im Vergleich zum kühl konzipierenden, berühmteren Josef Hoffmann, war er der Originellere, Fantasievollere, der immer das große Ganze im Blick hatte. Das zeigt etwa seine Bildausstattung für Otto Wagners Kirche am Steinhof im Bezirk Penzing. Die Entwürfe aus den Jahren 1905/06 geben übrigens auch Aufschluss über das eingangs erwähnte Porträt. Auf dem Altarmosaik staffeln sich Heilige im Profil, die zu Christus emporblicken. Mit Nimbus natürlich. Koloman Moser hat sich mit der Fotografie einfach nur eine Vorlage geschaffen. Über die Deutungsversuche der Kunstwissenschaftler hätte er sich bestimmt amüsiert.

Villa Stuck: "Koloman Moser. Universalkünstler zwischen Gustav Klimt und Josef Hofmann" bis 15. September, Di - So, jeweils von 11 bis 18 Uhr. Katalog: "Koloman Moser" (Birkhäuser, 44,95 Euro)