Kultur

Jazz als geniale Fremdsprache

Shuteen Erdenebaatar gibt am Donnerstag ihr Preisträger-Konzertin der Unterfahrt


aus Ulaanbaatar, seit 5 Jahren in München: die Pianistin Shuteen Erdenebaatar.

aus Ulaanbaatar, seit 5 Jahren in München: die Pianistin Shuteen Erdenebaatar.

Von Ssirus W. Pakzad

Deutsch lernte Shuteen Erdenebaatar erst, als sie 2018 zum Studium nach München kam. Nur wer ganz genau hinhört, wird heute vielleicht noch eine Ahnung von Akzent wahrnehmen, wenn sich die 24-jährige äußert. Auch eine andere Sprache hat sich die klassisch ausgebildete Pianistin und Komponistin aus Ulaanbaatar in Rekordzeit drauf geschafft: die des Jazz. Und die nutzt sie mit ganz eigener Färbung und erstaunlichem Vokabular so, dass es im letzten Jahr Auszeichnungen regnete. Jetzt gibt Shuteen Erdenebaatar das durch den Gewinn des "BMW Young Artist Jazz Award" ermöglichte Preisträger-Konzert in der Unterfahrt - mit ihrem Jazz Quartett und dem neu gegründeten "Chamber Jazz Orchestra".

Bis zu ihrem 16. Lebensjahr kannte die Tochter einer Fernseh-Regisseurin und eines Opern-Regisseurs wenig anderes als klassische Musik. Doch dann hatte die Jung-Studentin dieses Erweckungserlebnis, als durch ein Kooperations-Programm des Goethe Instituts mit dem staatlichen mongolischen Konservatorium der Jazz in ihr Land kam. Dozenten aus aller Welt, darunter auch Lehrkräfte der Münchner Hochschule, gaben in Ulaanbaatar erste Crash-Kurse.

"Jazz hat mir damals eine ganz neue Welt eröffnet", sagt Shuteen Erdenebaatar mit einem Strahlen im Gesicht. "Mir bot sich plötzlich die Freiheit das zu spielen, was ich spielen will und nicht nur das, was in den Noten steht. Für mich fühlte sich Jazz so an, als wäre ich in ein anderes Land gezogen. Erst ist ein Kulturschock da, und man muss vielleicht erst einmal richtig ankommen."

Doch Shuteen Erdenebaatar erschloss sich die neue "Umgebung" mit einer Mischung aus Neugier, Ehrgeiz, disziplinierter Grundlagenforschung, kluger Systematik und dem untrüglichen Gespür dafür, was sich für sie persönlich aus dieser neuen Welt ziehen lässt. Als sie dann später in München Jazzklavier und Jazzkomposition studierte, hatte sie das Glück, in Professoren wie Tizian Jost, Andreas Kissenbeck, Gregor Hübner und Christian Elsässer "Mentoren" zu finden, die ihr halfen "mein eigenes Ding zu machen, meiner eigenen Stimme zu folgen."

Dieses "eigene Ding" hat übrigens wenig mit Shuteen Erdenebaatars Herkunft zu tun, sondern mit ihrer Persönlichkeit. Nie käme sie auf die Idee, etwas in ihre Kompositionen hineinzuzwingen, nur um Erwartungshaltungen zu entsprechen.

Ihr geht es darum Geschichten zur erzählen, die sich natürlich anfühlen, die nachvollziehbar sind. Heimische Folklore findet sich in ihren Jazzstücken nicht. "Und wenn, dann nur unbewusst. Ich wuchs zwar in der Mongolei auf, aber eben in der Stadt und bin vielleicht nicht hundertprozentig firm mit mongolischer Musik".

Eher versucht sie die beiden Welten einander anzunähern, in denen sie sich bestens auskennt. Wenn in ihrem Preisträgerkonzert das 20-köpfige, mit Holz- und Blechbläsern, Rhythm Section und Streichquartett besetzte "Chamber Jazz Orchestra" die Premiere feiert, möchte Shuteen Erdebebaatar ein Nebeneinander vermeiden und ein Miteinander von Jazz und klassischer Musik anstreben.

"Ich habe versucht die Streicher wirklich als Teil der Band zu begreifen und ihnen die gleiche Wertigkeit einzuräumen wie den Bläsern oder den anderen Instrumenten des Orchesters", sagt Shuteen Erdenebaatar, die in ihrem Ensemble Größen aus mehreren Generation dirigieren wird, darunter viele prämierte Jung-Stars wie die Saxofonisten Moritz Stahl und Anton Mangold, den Schlagzeuger Valentin Renner, oder ihren Lebenspartner, den Bassisten Nils Kugelmann.

Drei aus dem großen Klangkörper sind auch in ihrem Quartett, mit dem sie den einen Teil des Unterfahrt-Konzerts bestreitet, dabei. Da wird sich Shuteen Erdenebaatar von einer anderen Seite zeigen und auf ihre ganz eigene Art improvisieren. "Ich sehe mich übrigens nicht als Jazz-Pianistin", sagt Shuteen Erdenebaatar.

Ssirus W. Pakzad

Donnerstag, 20.30 Uhr, Unterfahrt, Einsteinstraße 42, Tickets: 24/ 12 Euro. Tel 448 27 94