Kultur

In der Band geborgen

Eva Briegel von Juli über das Gefühl von Zusammengehörigkeit


Die Pop-Rock-Band Juli mit Sängerin Eva Briegel.

Die Pop-Rock-Band Juli mit Sängerin Eva Briegel.

Von Maximilian Härtwig, Marie-Luise Grauel

In den Nullerjahren prägte Deutschpop eine ganze Generation. Heute ist es still geworden um die Bands von damals - aber Juli will es nochmal wissen. Ende April erschien ihr neues Album "Der Sommer ist vorbei”, jetzt touren sie durch Deutschland.

AZ: Frau Briegel, lange war es still um Juli, das letzte Album ist neun Jahre her. Warum kommen Sie jetzt zurück?

Eva Briegel: Früher hätten wir das Album nicht rausbringen können. Wir haben viel geschrieben, aber die Lieder waren nicht so, wie wir sie haben wollten. Mit einem Album muss man warten und geduldig sein - wenn es fertig ist, dann ist es fertig.

Sie haben als Band immer wieder längere Pausen gemacht. Sind die auch der Grund, dass es Juli heute noch gibt?

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Die deutsche Pop-Rock-Band Juli mit Gitarrist Simon Triebel (von links), Sängerin Eva Briegel, Gitarrist Jonas Pfetzing, Bassist Andreas "Dedi" Herde und Schlagzeuger Marcel Römer.

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Eva Briegel, Sängerin der Band Juli.

Vielleicht haben wir Pausen gemacht, statt uns aufzulösen und so immer wieder zusammengefunden. Zwischendurch haben wir uns getroffen und geprobt, auch Konzerte gespielt. Trotzdem hat jeder sein Ding gemacht - privat wie beruflich. Irgendwann haben wir gemerkt, dass wir uns nicht entscheiden müssen - das beides geht.

Ihr erstes Album hieß "Es ist Juli”, auf dem neuen ist "Der Sommer vorbei”.

Ein Kreis würde bedeuten, dass sich etwas vollendet und dann vorbei ist. Es ist eher eine Spirale. Wir sind bei vielen Sachen einfach wieder da angekommen, wo wir angefangen haben. Das neue Album haben wir im Hansa Studio am Potsdamer Platz aufgenommen, da waren schon Depeche Mode und David Bowie. Unsere ersten Demos hingegen haben wir 2001 in rudimentär ausgebauten Studios eingespielt und dort übernachtet, es gab kein Bad. Diese Bilder kamen jetzt wieder hoch, und für uns war es wichtig, präsent zu haben, wo wir herkommen, was seitdem passiert ist und dass wir immer noch da sind.

In "Irgendwann" singen Sie: "Wir sind immer noch die, die wir früher waren.”

Man stellt sich oft vor, in der Zukunft eine andere Person zu sein. Aber eigentlich bin ich immer noch derselbe Mensch wie mit Anfang 20. Natürlich habe ich mehr Erfahrung, aber ich schaue immer noch aus denselben Augen. Jetzt sind zwei Jahrzehnte vergangen, aber die Musik ist immer noch mein Ding und wir sind immer noch wir.

Das dritte Album "In Love" war aber elektronisch, fast experimentell. "Der Sommer ist vorbei” fühlt sich an wie eine Rückkehr zu den Anfängen.

Da kommt wieder die Spirale ins Spiel. Beim dritten Album haben wir uns ausprobiert. Jeder hatte sich sein eigenes Studio eingerichtet, viel Equipment gekauft. Wir alle waren auf unserer eigenen Entdecker-Tour - das hört man dem Album an. Jeder hat seine Spezialitäten: Der eine mag Krach, der andere Pop, ein bisschen wie in einer Boygroup. Juli sind nicht nur wir fünf, die Band ist eine eigene Entität. Wie eine eigene Person mit eigenem Charakter. Keiner von uns versucht, diesen Charakter zu bestimmen. Wir überlegen bei jedem Song, ob er dazu passt oder nicht. Es war interessant zu sehen, wie dehnbar das ist. Ein Song wie "Irgendwann" ist so ein Achtel Rockgewitter - und ein elektronischer Song wie "Wolke" passt auch noch rein.

Wann ist ein Song ein "Juli”-Song?

Es ist ein Gefühl von Bittersüße, eine Mischemotion. Juli-Songs tragen häufig einen Kontrast in sich. Die Leute in unserem Umfeld nennen es das "Juli-Gefühl”. Sentimental-schön. Im Sonnenuntergang sitzen und halb traurig, halb fröhlich sein.

Vor Kurzem hatten Sie ihr Psychologiestudium abgeschlossen. War das ein bewusst gewählter Kontrast zur Musik?

Studieren ist weniger egozentriert. Es geht nicht um mich, sondern um alles andere. Die Psychologie hat einen hohen Statistikanteil. Man rechnet und es gibt ein richtig oder falsch - das ist sehr erfrischend, wenn man durch kreative Arbeit gewohnt ist, im Trüben zu

fischen. Und bei einer wissenschaftlichen Definition ist kein Wort überflüssig. Das ist wie texten, wie dichten. Man versucht einen kleinen Satz zu schreiben, der viel Bedeutung hat.

Wenn von Deutsch-Pop die Rede ist, denken viele an Tim Bendzko, Mark Forster und Johannes Oerding. Vor 15 Jahren war Deutschpop Wir sind Helden, Silbermond - und Juli. Ist das noch dasselbe Genre?

In jeder Bandbiografie steht: Wir lassen uns nicht in Schubladen stecken. Weil man natürlich von sich selbst denkt, wahnsinnig komplex zu sein. Die Einordnung kommt von außen, manchmal anhand ungerechter Kriterien. Ich finde zum Beispiel, dass die "Toten Hosen" und die "Ärzte" grundverschiedene Bands sind - trotzdem fallen sie immer in ein Genre. Das Gleiche gilt für Westernhagen und Grönemeyer. Die Einordnung überlasse ich Musikwissenschaftlern - die haben Erfahrung und Sendungsbewusstsein.

Deutsch-Pop wird oft kritisiert, als zu brav, zu austauschbar. Ist da was dran?

Wer deutschsprachige Musik kennt, weiß, wie breit das Spektrum ist: Charlotte Brandi, Tristan Brusch, Bilderbuch, das neue Deichkind-Album.

Welche Songs spielen Sie besonders gerne live?

Ich singe natürlich die neuen Lieder gern, wie jeder Musiker. Unser Drummer Marcel spielt dann mal einen neuen Fill, ich singe eine Line anders. Wir sind noch nicht so routiniert. Und dann gibt es Songs, die unsere Fans lieben, wie "Wir beide”. Zu sehen, was emotional im Publikum passiert, berührt mich. Man lässt Songs los, sie entwickeln ein Eigenleben und kehren bei Konzerten wieder zu einem zurück. Dann merkt man, wie Menschen diese Lieder in ihr Leben eingebaut haben.

Auch von Hits wie "Perfekte Welle" oder "Geile Zeit" haben Sie nicht genug?

Singen ist wie Yoga: Man kann immer besser werden. Es geht darum, den Song nicht einfach abzuspulen, sondern sich zu fragen: Was sagt mir der Text? "Perfekte Welle" oder "Geile Zeit" sind auch Zeitmaschinen. Es legen sich Bilder drüber, von Orten, an denen wir sie zum ersten Mal gespielt haben, wo sie besonders gut liefen. Das ist Teil unserer Geschichte.

Ist die "perfekte" Juli-Welle vorbei?

Für mich fühlt sich das nicht so an. Dieser bewertende Blick ist hämisch, weil er möchte, dass Stars steigen und fallen. Und er reduziert uns auf: Es war mal ganz toll und jetzt seid ihr ganz arm, weil es vorbei ist. Die Jahre 2004 bis 2007 waren großartig und zugleich sehr anstrengend, körperlich wie psychisch. Danach ist es anders weitergegangen, aber mein Leben hat sich zum Besseren entwickelt. Eigentlich geht es doch darum, dass Leute über zehn, zwanzig Jahre ihrem Beruf nachgehen, gerne Musik machen und den Menschen Freude bereiten. Das ist Erfolg.

Was ist Juli für Sie persönlich?

Die Band nimmt in meinem Leben einen riesigen Stellenwert ein. Ich merke das besonders, wenn dann wieder alle zusammenkommen. In diesen Momenten wird mir bewusst, wie sehr mir die Jungs gefehlt haben. Bei ihnen fühle ich mich

geborgen, wertgeschätzt und ehrlich, aber liebevoll kritisiert. Wir haben auch eine Verantwortung füreinander und helfen uns gegenseitig.

Also ist die Band Familie?

Auf jeden Fall wie eine zweite Familie.

Am 12. Mai spielen Sie in München.

Wir waren oft in München, haben dort gefeiert, uns mit anderen Bands getroffen, oft mit den Sportfreunden Stiller. Früher gab es in München viele Partys und Pressetage, die wild geendet sind. Es ist klischeehaft, aber ich als Besucherin finde: München ist eine entspannte Stadt. Die Leute, die wir dort kennen, machen die Stadt aus - und die mögen wir sehr gerne.

Am 19. Mai spielt Juli im Ampere in München (Restkarten), die Tour endet am 20. Mai in Hamburg