Alternativer Fasching
Helge Schneider in München: Ausgelassene Perfektion
5. März 2019, 18:20 Uhr aktualisiert am 5. März 2019, 18:20 Uhr
Helge Schneider tritt in der Münchner Philharmonie auf und liefert alternativen Fasching und musikalische Extraklasse.
München - Eine treue Seele: Seine jeweils neuen Shows präsentiert er gerne einem närrisch gestimmten Publikum zur Faschingszeit erst in der Kölner Philharmonie, unmittelbar danach im gleichnamigen Saal in München.
Dabei hat man den Mülheimer im Verdacht, ganzjährig im Jecken-Modus zu sein. Trotzdem ist er eine geradezu zwingende Alternative für Faschingsmuffel, die sich trotz Rosenmontag amüsierwillig aus dem Haus wagen. Der virtuose Anarcho-Musikant ist so etwas wie ein Meta-Narr, der ohne Pointen komisch sein kann und selbst Zoten so zerzaust, dass sie wie kostbares Kulturgut daher kommen.
Helge Schneider: Von den Klassikern ist nur der "Meisenmann" geblieben
Nach Programmen wie "Ene mene mopel" oder "Radio Pollipop" irritiert der Jahrgang 2019 bereits mit dem Titel: "Ordnung muss sein" lautet die Überschrift, die Helge Schneider ebenso glücklicherweise wie erwartungsgemäß unterläuft. Schon die erste Nummer ist fröhliches Chaos: Mit einem wilden Flamenco-Gitarrenzupfen spielt er sich selbst bewusstlos.
Von seinen Quatsch- und Lachgeschichten, wie etwa der von der Frau, die darauf besteht, in einem Laden ein Viertel Fleischwurst zu kaufen, weil sie im Laden der Reinigung von Herrn Fleischer steht, oder über die "Dünnosaurier", die trotzdem ziemlich dick waren, hat er dieses Mal nicht so viele dabei.
Die kurzweiligen zweieinhalb Stunden sind mehr Konzert als musikalische Comedy. Das könnte Schneider auch als Solist, aber in diesem Jahr hat er eine wunderbare Combo dabei. Henrik Freischlader (Gitarre), Ira Coleman (Kontrabass), Carlo Boes (Saxofon) und Petze Thomas (Schlagzeug) sind ihrem Bandleader nicht nur zuverlässige Partner, sondern können über dessen Treiben ebenso ausgelassen lachen wie die Zuschauer.
Von den Schneider-Klassikern ist nur noch der "Meisenmann" übrig, den wieder Sergej Gleithmann in einer zauberhaft albernen Modern-Dance-Parodie zertanzt.
Es gibt nichts, was Helge Schneiders Band nicht spielen könnte
Statt das Dada-"Katzeklo" besingt der 63-Jährige eine wehmütige Kindheitserinnerung über die "Wundertüte des Lebens", die randvoll ist mit Blödsinn.
Zu Nummern wie diese spielt er einen weißen Flügel mit geschmacklos barockisierender Verzierung, lässt einen Synthesizer aus der Frühzeit des elektronischen Musizierens fiepen oder eine Hammondorgel wummern.
Es gibt nichts in der Klassik, im Pop, im Rock oder im Jazz, was er nicht spielen könnte - und das so gut, dass ihm alles wie von selbst zum Spott über die stilistischen Standards und musikalischen Floskeln gerät. Und wenn er sich über Country lustig macht, trötet eine Schalmei dazu.