Auszeichnungen
Großer Abräumer: Europäischer Filmpreis für "Emilia Pérez"
8. Dezember 2024, 3:30 Uhr
Er ist extravagant, genresprengend und Abräumer des Abends: Der Musicalfilm "Emilia Pérez" des französischen Starregisseurs Jacques Audiard hat beim Europäischen Filmpreis in Luzern gleich fünf Auszeichnungen gewonnen. Unter anderem gewann er als bester europäischer Film des Jahres. Audiard wurde auch für die Regie und das Drehbuch ausgezeichnet.
Zudem erhielt der unkonventionelle Film über einen mexikanischen Kartellboss, der sein Geschlecht zur Frau angleichen lässt und anschließend frühere Verbrechen sühnen will, eine Trophäe für den Schnitt. Die spanische Hauptdarstellerin Karla Sofía Gascón (52) wurde für "Emilia Pérez" zur besten europäischen Schauspielerin gekürt.
Der Film ist Frankreichs Kandidat im Rennen um den "Auslands-Oscar". Deutschlands Oscar-Hoffnung - der Film "Die Saat des heiligen Feigenbaums" des vor einigen Monaten nach Deutschland geflohenen Iraners Mohammad Rasoulof - ging hingegen leer aus.
Audiard thematisiert in seinem Musicalfilm vor dem Hintergrund mexikanischer Drogenkriege die Themen Geschlechterangleichung und Identität. Ebenso ungewöhnlich wie die Geschichte ist die Form, die er gewählt hat. Thriller, Musikdrama, burleske Komödie, Telenovela, Melodrama: "Emilia Pérez" ist ein Mix aus Genres und Stilen. Auf der Leinwand funktioniert die Geschichte.
Bei den Filmfestspielen in Cannes wurde der Film mit dem Preis der Jury gewürdigt, das Schauspielerinnenensemble rund um Gascón und Popstar Selena Gomez erhielt den Darstellerpreis. Gascón war die erste Transfrau, die dort den Preis bekommen hatte.
Ihre Auszeichnung beim Europäischen Filmpreis widmete die Schauspielerin allen Müttern auf der Welt. Ihr Outfit hatte Gascón bewusst - in Anlehnung an die blaue Europaflagge - gewählt: "Ich trage ein blaues Kleid, weil ich zutiefst an unsere Werte glaube, an europäische Werte, an das, was wir sind." Sie habe nur keine Sterne gefunden, die sie noch hätte anziehen können.
Bester europäischer Schauspieler wurde Abou Sangare für seine Rolle in "Souleymane's Story" von Boris Lojkine. Die nominierten deutschen Schauspieler Lars Eidinger ("Sterben") und Franz Rogowski ("Bird") gingen in der Kategorie "Europäischer Schauspieler" leer aus.
Den Dokumentarfilmpreis erhielt "No Other Land" eines palästinensisch-israelischen Filmemacherkollektivs. Er dreht sich um die Vertreibung von Palästinenserinnen und Palästinensern in den Dörfern von Masafer Jatta südlich von Hebron im Westjordanland.
Der israelische Journalist Yuval Abraham forderte in einer Videobotschaft die europäischen Regierungen dazu auf, im Gaza-Krieg auf einen Waffenstillstand hinzuwirken.
Er verwies auf das Leid der Menschen in Gaza und der "ungerechtfertigt und brutal in Gaza" festgehaltenen israelischen Geiseln nach dem Angriff der Terrororganisation Hamas und anderer islamistischer Gruppen auf Israel am 7. Oktober 2023. Regisseur Basel Adra sagte, es sei schwer, die Auszeichnung zu feiern, wenn man unter Besetzung lebe, und sprach von "Völkermord".
Nach der Rede der Filmemacher war ein vereinzelter "Free Palestine"-Ruf im Saal zu hören. "No Other Land" war bereits bei der Berlinale mit dem Dokumentarfilmpreis ausgezeichnet worden. Danach war bei der Verleihung im Februar eine Debatte über Antisemitismusvorwürfe entbrannt.
Auch die aus einer palästinensischen Familie stammende Schauspielerin Hiam Abbass ("Succession") nahm in Luzern vor der Verkündung des Gewinners in der Kategorie "Europäischer Film" Bezug auf Gaza. Ihre Gedanken seien bei den Kindern in Gaza. Der Tod habe deren Träume verschwinden lassen. "Lasst uns also bitte an sie denken. Und lasst uns für den Frieden beten."
Der deutsche Regisseur Wim Wenders (79) bekam eine Auszeichnung für sein Lebenswerk. Als er der neuen Präsidentin der Europäischen Filmakademie - Oscar-Preisträgerin Juliette Binoche - dankte, spielte er auf die US-Wahlen an, bei denen Donald Trump gegen Kamala Harris gewonnen hatte.
"Danke, Frau Präsidentin. So viele von uns hätten in letzter Zeit gerne eine andere Dame Frau Präsidentin genannt. Ist aber nicht passiert", sagte Wenders. Schauspielerin Isabella Rossellini (72) wurde für ihre Verdienste um den weltweiten Einfluss des europäischen Kinos geehrt.
Der Europäische Filmpreis zählt zu den renommiertesten Auszeichnungen der Branche. Die rund 5.000 Mitglieder der Europäischen Filmakademie stimmen über viele Preisträgerinnen und Preisträger ab, ähnlich wie bei den Oscars in den USA.
Einige Gewinner standen schon vor der mehrstündigen Gala fest: "The Substance" bekam etwa einen Preis für die visuellen Effekte und die Kinematographie. 2023 wurde der Justizthriller "Anatomie eines Falls" von Justine Triet zum besten europäischen Film des Jahres gekürt.
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