Volkstheater

Eugene O’Neills „Der haarige Affe“, inszeniert von Abdullah Kenan Karaca


In der Vorhölle des Maschinenraums: Silas Breiding (l.) als Klassenkämpfer und Jonathan Müller als Heizer Yank.

In der Vorhölle des Maschinenraums: Silas Breiding (l.) als Klassenkämpfer und Jonathan Müller als Heizer Yank.

Von Robert Braunmüller / TV/Medien

Abdullah Kenan Karaca inszeniert am Volkstheater "Der haarige Affe" von Eugene O'Neill

Yank kommt ins Grübeln. Bisher verstand er sich als zwar schwer arbeitender Mensch, aber eben als ein Mensch und "Teil der Maschine", die die Welt bewegt. Lässig bügelt er die klassenkämpferischen Parolen seines Kumpels Long (Silas Breiding) ebenso ab wie die nostalgischen Schmerzen des alten Paddy (Jakob Immervoll), der sich noch an die große Zeit der Windjammer erinnert, als man den Himmel über und das Meer vor sich hatte.

Jetzt schaufeln sie Kohlen im Kesselraum eines Dampfers, in dem sie weggesperrt sind wie in ein Verlies. Als er glaubt, von Mildred Douglas (Nina Seils), Tochter des steinreichen Reeders, gedemütigt worden zu sein, kommt Yanks Selbstverständnis ins Wanken.

Klassenkampf zwischen den Decks

"Ich versuche, zu denken", sagt Yank und versinkt in die Pose des "Denkers" von Auguste Rodin. Er kommt zu dem Schluss, dass er für die Leute auf dem Oberdeck nur ein wildes Tier ist, ein "haariger Affe".
Um das Drama "Der haarige Affe" ist es lange Zeit still gewesen. Wenn in den letzten Jahrzehnten ein Stück des amerikanischen Nobelpreisträgers Eugen O'Neill auf deutschen Spielplänen auftauchte, war es überwiegend die Familienkatastrophe "Eines langen Tages Reise in die Nacht".

Frank Castorf hat es im vergangenen Jahr im Hamburger Schauspielhaus, verbastelt mit anderen O'Neill-Dramen, "Der haarige Affe" in einem fünfeinhalbstündigen Abend wiederbelebt und Thomas Dannemann eröffnete drei Stunden kürzer die vorige Saison des Schauspiels Frankfurt mit dem wuchtigen Sozialdrama aus dem Jahr 1922. Das Interesse daran hat nicht zuletzt damit zu tun, dass der Kapitalismus im Westen 30 Jahre nach dem Zusammenbruch des Sozialismus erkennbar schwächelt und ausgerechnet in der kommunistischen Diktatur China so enthemmt blüht wie anderswo schon lange nichts mehr.

Etwas zu beherzt gekürzt

Abdullah Kenan Karaca setzt bei seiner auf 90 Minuten verschlankten Inszenierung im Münchner Volkstheater weniger auf die aktuelle Weltlage, sondern vor allem auf die Übersetzung von Peter Stein (1986) und deren wortmächtige Eloquenz, mit denen die Gegenwart herbei geredet werden soll. Die drei prototypischen Proletarier werden so zwar zu einer lauten, ölverschmierten und mit Kohlenstaub bedeckten, aber sehr beredten Talkrunde. Den angemessen abstrakten Raum entwarf Bühnenbildner Vincent Mesnaritsch weniger als Schiffsbauch sondern mehr als unterirdisches Kohleflöz. Dorthin verirrt sich das schöne und schnippisch verzickte Reederstöchterchen auf der Suche "der anderen Hälfte der Menschheit" mit ihrer quietschfröhlich kichernden Anstandsdame (Luise Deborah Daberkow).

In der Vorhölle des Maschinenraums lässt sich die Dame in Weiß, was nicht ohne Komik passiert, vom dampfenden Testosteron des Kraftprotzes Yank bezaubern. Diese Faszination ist rasch verflogen, und da geht es ihr wie dem Publikum. Es ist nicht so, dass Jonathan Müller als sich radikalisierender Heizer nicht in der Lage wäre, das Stationendrama zwischen Albtraumschiff und Affenkäfig im Zoo zusammen zu halten. Kraftvoll wie ein Schiffsdiesel pumpt er nimmermüde Energie auf die Bühne, aber Karaca strich den Text etwas zu beherzt zusammen, um den symbolistischen Dunst transparenter zu machen. Übrig bleiben expressionistische Schablonen. Sogar der lethargische King Kong, den Yank schließlich aus seinem Käfig zu befreien versucht, hört ihm gelangweilt zu, bevor er ihn umbringt.

Volkstheater, 5., 11., 19. Dezember, 2., 12., 16. Januar, 19.30 Uhr, Telefon 5234655